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Pan Am

Autorenteam: Prospero Hall

Verlag: Funko Games /Huch!

Für 2-4 Spielende ab 12 Jahren

Spieldauer: 60 Minuten (ersten Partien eher 90 Minuten)

Pan Am ist die beste Fluggesellschaft auf der ganzen Welt. Zumindest wenn man von der Kleinigkeit absieht, dass sie vor über 30 Jahren pleite gegangen ist. Und vermutlich eher auf dem amerikanischen Kontinent bekannt war (Ich kann das nicht beurteilen, ich bin in den 80ern noch nicht geflogen; mir war entsprechend als Kind eher Lufthansa ein Begriff und …das was wars).

Doch in den USA war Pan Am schon aufgrund des weltumspannenden Flugroutennetz und der langen Tradition (1927 gegründet, da herrschten anderswo noch die Zeppeline) vielleicht tatsächlich zumindest die bekannteste Fluglinie. Insofern macht es irgendwo Sinn, dass die Nostalgiespielspezialisten von Funko Games die anderen Nostalgiespezialisten des Prospero Teams bezahlten, um diese Fluglinie in einem Spiel abzufeiern.

Die offensichtlichen Anknüpfpunkte liegen erst einmal in der Graphik: Alles ist in dem Stil der Fluglinie gehalten, was vor allem beim Spielbrett auffällt, welches in einem sehr ungewohnten Blickwinkel auf die Welt guckt. Das mag eine ikonische Weltkarte gewesen sein, aber die Perspektive  sorgt schon dafür, dass das Thema abstrahiert wahrgenommen wird, da die Orte nicht in der Ecke des Spielplanes liegen, wo man sie erwarten würde und die gewohnten mentalen Verknüpfungen, die man mit diesen Orten hat, nicht mehr funktionieren.

Europa steht Kopf

Bei diesem Thema liegt es irgendwo nahe, dass man Fluglinien gründet, auch wenn es überrascht, dass niemand Pan Am spielt. Anders als bei Union Pacific – einem anderen Spiel, bei dem niemand die Titelgebende Firma spielt-  agiert Pan Am dagegen aggressiv und kauft gebaute Strecken auf. Meistens zum Vorteil der Person, die ihre Strecke los ist: Es gibt einen schönen Batzen Bargeld und das Flugzeug hat man auch wieder; Win-Win! Idealerweise baut man also Strecken so, dass Pan Am zuschlägt, was man aber nur so mittelgezielt tun kann. Pan Am ist in diesem Bereich eher Spekulation als gezieltes Wirtschaften: Man hofft Strecken bauen zu können, die von der Pan Am vereinnahmt werden („Die Tribute von Pan Am“ quasi). Damit kauft man möglichst Aktien, die hier quasi Siegpunkte sind und zwar so viel, dass man hofft, noch flüssig zu sein und doch nicht von den anderen abgehängt wird.

Der größte Teil der Nostalgie, die Pan Am verströmt, ist aber nicht unbedingt im Thema verwurzelt – wer hat hierzulande schon Nostalgie für eine alte Fluglinie? – sondern im Spielprinzip. Pan Am fühlt sich vielmehr an, als stamme es aus den 90er Jahren – im positiven Sinne. Historisch verklärt gelten die 90er und Nuller Jahre in manchen Kreisen als die „Goldenen Jahre“, als Eurogames noch interaktiv waren und man mit nur 12 Siegpunkten regulär gewinnen konnte. Wie so oft, ist das natürlich reine, auf memory-bias fußende, Verklärung, denn auch in den 90er Jahren war natürlich enorm viel Mittelmaß am Markt, nur dass das „Mittelmaß“ damals noch etwas tiefer lag als heutzutage und mittlerweile vergessen ist. Dennoch: Pan Am spielt sich so, wie man die Spiele zwischen 1995 -2005 in Erinnerung hat: Kurze Züge, hohe Interaktion. Eine Versteigerung wie in Amun Re zum Versteigern der meisten Zugoptionen  (was man zumindest in den SA von dem Spiel Homesteaders kennt). Ein Streckenbau mit leichten Anklängen aus Zug um Zug (wobei man bei geschicktem Einsatz die Karten nicht abgeben muss, also mehrmals verwenden kann). Außerdem geht es um Geld wie bei vielen sehr viel älteren Wirtschaftspielen, wobei man das Geld wie bei Die Händler aber in nutzlose Siegpunkte (in diesem Fall eben „Aktien“) investieren muss. Es gibt sogar zufällige Ereignisse (die dann alle treffen) und Aktionskarten (die man sich mit einer Aktion besorgen kann). Der Zufall spielt also ganz gehörig mit – auch das verstärkt das Spekulationsgefühl, was sich dann vielleicht sogar mehr nach 80er Jahren anfühlt – aber eben interessanter, pointentierter. Pan Am ist dadurch zeitlos und zumindest in dieser Hinsicht genial. Es ist alles, aber nicht modern – was hier bedeutet, dass das Schicksal manchmal einzelne Personen besonders glücklich oder unglücklich beschenken kann, was bisweilen für leicht schiefe Spielverläufe sorgt. Da die Aktien eher teurer werden, kann ein Vorsprung vor der letzten Runde nicht mehr aufzuholen sein. Und es ist bemerkenswert wie sehr sich das Spielgefühl durch verschiedene Spieleranzahlen verschiebt; Zwar sind immer in etwa gleich viele Plätze für die Aktionsversteigerung vorhanden, das wird aber durch eine unterschiedliche Anzahl von Aktionen pro Person erreicht. Wer vor allem zu viert spielt, wird sich daher wundern, wie viel man zu dritt oder gar zu zweit zu schaffen vermag – man darf eben mehr Aktionen pro Runde durchführen.

Doch was für Befindlichkeiten man auch haben mag – es ist eindeutig, dass Pan Am absolut sein Ziel erreicht hat: Es macht nostalgisch. Das ist eine enorme Designleistung.

 

Peer Sylvester
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