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Schwarzer Freitag

Verlag: Kosmos
Autor: Friedemann Friese
Spieleranzahl: 2-5
Alter: ab 12 Jahre
Spieldauer: 55 Minuten

Eigentlich bin ich ja partiell nonkonformistisch veranlagt, aber ausnahmsweise muss ich mal mit dem Strom schwimmen und als erstes über die wirklich furchtbare Regel von Schwarzer Freitag meckern. Es ist sicherlich nicht die schlechteste Regel, die ich kenne (dazu spiele ich zu viele Kleinverlagsspiele), aber sie liegt einem Spiel bei, das bei Kosmos, dem Erfinder von Prof. Easy und dem Siedler-Regelerklärungsblatt, erschienen ist. Und sie erhöht die Einstiegshürde auf selten dagewesener Weise. Das fängt schon mit den Begriffen an: Es gibt die Silberleiste, die Silberpreisleiste und die Silberkaufleiste, drei Verkaufsleisten und eine Kaufleiste. Wenn in der Regel von „den Leisten“ die Rede ist, sind übrigens nur die drei letzteren gemeint. Zudem werden Ausnahmen prinzipiell vor dem Regelfall erklärt, was zusätzlich verwirrt. Mein Lieblingsbeispiel: „Kauft ein Spieler während seines Zuges mehrere Aktien verschiedener Farben, darf er sich aussuchen, welche der beteiligten Farben er auf die Kaufleiste setzt. Allerdings muss er, wenn möglich, eine der beteiligten Farben einsetzen.“ Blöd ist nur, dass das nur einen Sinn ergibt, wenn man weiß, dass man zwar mehrere Aktien kaufen darf, aber immer nur ein Koffer auf die Kaufleiste gesetzt wird (dass „welche der beteiligten Farben“ im Plural gelesen werden kann, macht die Sache nicht besser). Und das steht erst eine Seite später, nachdem alle anderen möglichen Aktionen erläutert worden sind! Insofern ist es fast unmöglich, die erste Partie regelfehlerfrei zu absolvieren (selbst in meiner dritten Partie habe ich noch einen solchen kapitalen Schnitzer begannen, dass wir von vorne anfangen mussten).

Das ist umso bedauerlicher, als dass Schwarzer Freitag prinzipiell kein schwieriges Spiel ist: Wer an der Reihe ist kann Aktien (dargestellt durch Koffer) kaufen oder verkaufen oder man darf Silber zum aktuellen Preis erwerben. Aktien steigen und sinken im Wert und vermehren so das Eigenkapital (das eigentlich Fremdkapital ist, denn es dürfen Kredite aufgenommen werden, die zwar Zinsen kosten, aber nicht zurückgezahlt werden müssen). Silber steigt zwar stetig im Wert, kann aber nicht verkauft werden, denn am Ende gewinnt, wer am meisten Silber vorzuweisen hat.
Wir haben es hier also mit dem immer wieder schönen Mechanismus zu tun, Geld für etwas ausgeben zu müssen, das einem spieltechnisch nicht weiterbringt, aber den Sieger bestimmt.

Die Aktienkurse sinken und steigen durch Käufe oder Verkäufe direkt. Vor allem aber werden die Kurse indirekt beeinflusst: Wenn eine Aktion durchgeführt wird, wird stellvertretend ein Koffer auf die entsprechende Leiste gestellt (bzw. beim Verkauf weggenommen). Liegen dort genau 5 Koffer, so ändern sich die Kurse. Dazu werden Koffer aus einem Beutel gezogen: Je mehr desto besser – sprich: je mehr desto mehr steigt der Kurs. Die Koffer aus der betreffenden Leiste kommen in den Beutel und so sorgt ein Aktienkauf zeitverzögert für einen potentiellen Preisanstieg. Potentiell deshalb, weil ja nicht garantiert ist, dass ein Koffer im Beutel tatsächlich gezogen wird. Außerdem kommen im Laufe des Spieles immer mehr schwarze Koffer in den Beutel, die für alle Farben negativ zählen und die Kurse so abstürzen lassen (und nebenbei noch den Silberpreis erhöhen).
Das Ergebnis ist ein wirklich neuartiger Aktienmechanismus, der gut funktioniert. Die Spieler können spekulieren, sind sich des Ergebnisses aber nicht zu sicher. Dieser Teil des Spieles macht den Reiz von Schwarzer Freitag aus.

Allerdings ist so ein „Random walk“ wie die Bewegung der Aktienkurse hier mathematisch heißt schon sehr zufällig und so kann es zu merkwürdigen Spielverläufen kommen. Damit das Ganze nicht zu merkwürdig wird, gibt es zahlreiche Regeln, die für mehr Ordnung sorgen sollen. Das Problem: Sie sind absolut unintuitiv und wirken wie eine Aufzählung zufälliger Mechaniken: Manchmal geht der Aktienkurs nach links, manchmal nach oben, hier muss ein schwarzer Koffer in den Vorrat, dort zurück in den Beutel. Neben der schwachen Regel ist dies der zweite Grund für die Regelprobleme, die auftreten (zumal jegliche Übersicht auf oder neben dem Spielplan fehlt).

Im Kern ist Schwarzer Freitag sehr reizvoll: Einerseits auf immer höhere Kurse spekulieren, andererseits den richtigen Zeitpunkt nicht verpassen, auf Silber umzuschwenken. Möglichst kurz bevor es zum (unvermeidlichen) Crash kommt. Leider ist dieser Kern nicht gerade elegant herausgearbeitet: Damit es so spannend wird, wie es wird, sind schlicht zu viele Hilfsregeln und zu viel reine Verwaltungsarbeiten (Koffer von A nach B, von B nach A, Koffer sortieren, Koffern mischen…) notwendig, die im Weg stehen und gerne auch mal vergessen werden – mit z.T. dramatischen Folgen für den Spannungsbogen.
Außerdem ist das Spielvergnügen sehr Mitspielerabhängig. Zu dritt ist es meiner Meinung nach am besten: Timing ist entscheidend, aber man kann durchaus planen. Bei mehr Mitspielern kann das Spiel ohne großes Eigenverschulden an einem Vorbeilaufen: Wenn man selbst ständig weniger Aktionen zwischen den Preisänderungen durchführen kann, als die Mitspieler, ist man chancenlos. Ja, es kann sogar zu zwei Preisänderungen kommen, zwischen denen man nicht an der Reihe war (da Reihen nicht abgeräumt wurden). Trifft das einen in einer kritischen Phase, macht sich Frust breit.
Umgekehrt kann man Schwarzer Freitag attestieren, eines der wenigen Aktienzockspiele zu sein, dass gut zu dritt funktioniert.

Unterm Strich ein komisches Biest: Ich mag den zentralen Mechanismus, ich finde den Kursmechanismus interessant und damit ausgesprochen reizvoll. Aber das Spiel drumrum empfinde ich als zu unperfekt, als dass ich es noch häufiger auf den Tisch bringen wollen würde. Schade drum!

Peer Sylvester
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