Autoren: Allen Wang, Zong-Ger
Verlag: BGNations
Für 2-4 Spielende ab 15 Jahren
Spieldauer: 60-120 Minuten für das volle Spiel
Wie es der Zufall will habe ich neben Medieval ein zweites Spiel mit einer IP, die ich nicht kenne, aus der #spiel23 mitgenommen. Pili: The new Challengers basiert auf einer taiwanesischen Marionetten-Serie. Aufgrund einiges an Special Effects ist die Serie visuell sehr besonders, irgendwo zwischen Anime und Augsburger Puppenkiste liegend. Sehr cool, so auf den ersten Blick.
Mehr habe ich von der seit 1984 (!) laufenden Serie nicht aufgeschnappt. Aber basierend auf Pili: Das Spiel kann ich schon eine begründete Hypothese aufstellen, um was es in Pili-Die Serie wohl geht:
Es wird um Streiter:innen gehen, die sich Karate Kid-mäßig langsam hocharbeiten und zum Martial Arts Champion werden. Auf diesem Weg werden Verbündete angeworben und Gegenspieler:innen bekämpft. Am Ende des Weges steht der unmittelbare Boss Fight: Der Kampf gegen die anderen. Oh, Moment, das war das Spiel. Ich nehme aber an, in einer Serie die seit knapp 40 Jahren läuft haben längst alle gegen alle gekämpft.
Das Spiel besteht aus zwei Teilen, die auch unabhängig voneinander gespielt werden können (warum man das auch immer tun wollen würde): Der erste ist eine Art thematisches Eurogame, bei dem man seinen Charakter das Kämpfen beibringt, Verbündete anwirbt, Waffen erwirbt und Gegner bekämpft – vor allem zu Trainings- und Einkommenszwecken. Am Ende gibt es einen waschechten Punktesalat mit dreistelligen Siegpunktzahlen.
Und dann werden Siegpunkte in Hitpoints umgewandelt und man haut sich gegenseitig auf die Omme. Dabei bilden die Spielenden Teams: Zu viert verbünden sich Platz 1 und 4 gegen 2 und 3, zu dritt muss die Nummer 1 gegen die geballte Kraft der Unterlegenden zur Wehr setzen. Wie beim Skat quasi. Was im ersten Teil trainiert und erworben wurde, findet hier seine Anwendung in der Hexfeldarena.
Würde man die beiden Teile auf die reine Mechaniken herunterbrechen, dann könnte man zu dem Schluss kommen, dass diese Zweiteilung das einzig originelle an diesem Spiel darstellt. Die Struktur des ersten Teils ist z.B. klar von Puerto Rico und ähnlichen Spielen inspiriert: Eine Person wählt eine Handlung, die anderen dürfen eine abgeschwächte Form dieser Handlung durchführen, bevor die nächste Person an der Reihe ist. Rein auf die Mechanik bezogen sind die Handlungen im Prinzip der Erwerb von diversen Rohstoffen, von Auftragskarten ‑ für die bestimmte Voraussetzungen zu erfüllen sind und deren Erfüllung eine weitere Handlungsoption ist ‑ oder das Kaufen von Gegenständen.
Doch es ist genau diese Stelle an der das Spiel die Spielhandlungen so geschickt in die Narrative einbettet, dass der Vorwurf mangelnder Innovation in die Irre führt. Gerade das Verweben von bekannten Spielhandlungen mit einer ist originell Das Besiegen der Feinde z.B. mag vor allem dadurch motiviert sein, dass man Siegpunkte, Geld und andere Rohstoffe bekommt, aber das rein deterministische Kampfsystem ist so gut durchdacht, dass es sich nicht als das einfache Abhaken von Auftragskarten anfühlt, dass es rein mechanisch ist. Ich würde nicht so weit gehen, dass die Gegner hier Tiefe hätten, aber gewisse Charaktereigenschaften kann man ihnen dennoch zusprechen. Ein Oberschurke lockt zudem mit schier unglaublichen Vorteilen, bleibt aber während der Partie im Hintergrund. Ich kann nur vermuten, dass diese Figur auch in der Serie nur in etwa die Rolle innehat, die Thanos im ersten Avengers-Film hatte.
Das Worker Placement Piratenspiel Pirates of Nassau hatte damit zu kämpfen (haha), dass sich trotz der Piratenschiffthematik spielte, als würde es um Kirchenbau im Mittelalter gehen und nicht um das Aufbringen von Handelsschiffen. Diesen tonalen Bruch zwischen Spielhandlungen und Spielnarrative gibt es hier nicht; Jede Handlung lässt sich innerhalb des Narrative erklären, es gibt zahlreiche Anknüpfungspunkte und narrative Anker.
Zwischen dem ersten und zweiten Teil des Spieles liegt allerdings ein kleiner Graben. Damit meine ich nicht den mechanischen Bruch durch zwei doch recht unterschiedliche Genres. Im Gegenteil, die Idee weiß ich absolut zu schätzen und nominell passen die Ebenen auch zusammen. Aber die Mechaniken sind trotz gleichzeitiger Zugwahl etwas zu langsam um einen Actionfeuerwerk abzubrennen. Verfehlen sich die Streithähne häufig (was durch die gleichzeitige Auswahl der Aktionen durchaus vorkommt), kann sich der Kampf sogar unnötig ziehen. Ich sehe, was die Autoren erreichen wollen, aber ein knackigerer Kampf mit kurzen Zügen ‑vielleicht als reines Kartencombospiel‑ hätte sowohl dem Thema als auch dem Spiel m.E. besser getan.
Auch ist es etwas seltsam, dass sich Drei- und Vierpersonenpartien relativ stark in ihrer Dramaturgie unterscheiden. Zu viert ist zwar weniger Geld im Spiel und es herrscht weniger Konkurrenz beim Waffenkauf, aber alleine durch eine leicht höhere Anzahl an Aktionen und dem damit verbundenen höheren Kartendurchlauf auf den drei Märkten (Feinde, Verbündete, Kampftechniken) erreicht man zu viert sehr viel mehr als zu dritt, da die Fähigkeiten fast exponentiell steigen. Der erwähnte Obermotz brauchte gegen drei Personen keine Angst zu haben, zu viert ist es dagegen eher ein Wettlauf, wer ihn zuerst plätten darf.
Was mich an Pili: The new Challengers aber trotz dieser Kritikpunkte immer wieder fasziniert ist die Eleganz mit der man seine Figur auf unterschiedlichen Wegen (Verbündete, Training, Feinde) zum Martial Experten/in aufrüstet. Das ist zudem -für mich – befriedigender als das Bauen von Kirchen oder das Backen von Brot. Neben Medieval zeigt auch Pili, dass man sich nicht mehr automatisch vor jedem Lizenzprodukt hüten muss. Mit den geeigneten Maßnahmen, inspiriert die IP das Spieldesign, anstatt dass sie fesselt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn man eben nicht das Gefühl hat eine festgelegte Rahmenhandlung nachzuspielen, sondern sich die IP als Universum begreift, in der man seine ganz eigene Geschichte konstruiert. In Pili:The new Challengers geschieht genau das.
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