Autoren Jindřich Pavlásek, Petr Vojtěch
Verlag: albi
Für 1-4 Spielende ab 10 Jahren
Spieldauer: 45-120 Minuten (Der Durchschnitt liegt eher so bei 60 Minuten)
Medieval hat mich gleich mehrfach überrascht. Die erste Überraschung war, dass es ein Lizenzprodukt ist: der Film war (und ist) mir nicht bekannt. Man kann zudem, sagen, dass das Spiel, hmm, nicht gerade in den Vordergrund stellt, auf einem Film zu basieren Das ist für ein Lizenzprodukt schon irgendwie oxymorisch. Der einzige Hinweis, den man auf die Vorlage erhält -sieht man von der Danksagung im Regelheft ab – sind die Fotos der (Film-)Figuren, die im Spiel vorkommen. Diese Fotos sind aber durch Filter gealtert, was uns zunächst vermuten ließ, der Film wäre aus der Märchenbraut/Lucy-derSchrecken-der Straße/Drei-Nüsse-für-Aschenbrösel– Ära (Ich hoffte kurz auf ein Rumburak-Spiel). Tatsächlich wirkt das Spiel so als ob die Autoren das Setting inhaltlich aus Interesse umsetzen wollten, nicht, weil jemand einen Markennamen verwursten musste. Wenn man den Kritiken des Filmes Glauben schenken darf, eine weise Entscheidung.
Die zweite Überraschung war dass das Spiel sehr viel einfacher ist, als ich auf den ersten Blick dachte. Wenn man das Regelwerk anfängt zu lesen, hat man das Gefühl vor einem Mega-Komplexen Spiel zu sitzen. Das liegt auch daran, dass anfangs „wichtige Konzepte“ erklärt werden, die sich lesen, als wäre das Spiel unglaublich kleinteilig. Die wirklich wichtigen Konzepte aber fehlen: Man läuft und würfelt. Genauer gesagt: Man läuft, setzt UND würfelt anschließend. Und manchmal würfelt man mehrfach nacheinander.
Nun wird dieses Würfeln geschickt in das Thema eingewoben: Die gefragten Symbole sind abhängig vom entsprechenden Ort, den man aufsucht. Der Erfolg hängt auch davon ab, welche Truppe man sich zusammengesammelt hat (man beginnt mit vier eher harmlosen Gesellen, die man dann nach und nach gegen begabtere Typen austauscht). Und wenn sich die Belohnungen vor allem ums Geld (für begabtere Leute) oder Siegpunkte (für begabtere Spielende) drehen, so sind doch genügend kleinere Ideen im Spiel, die das Ganze mechanisch und thematisch interessanter gestalten. So erlaubt eine Belohnung etwa. auf der Moralleiste auf- oder abzusteigen, mit dem Ziel entweder ein Streiter des Guten oder ein fieser Bösewicht zu werden, denn am Ende der Leiste winken Punkte, lauwarme Positionen sind dagegen brotlos (allerdings haben einige Personen moralische Ansprüche an ihre Anführerin und springen ab, wenn man zu gut/zu böse ist). Ein Haftbefehl ist eine andere, eine ganz besondere Belohnung (noch was oymoronisches), denn sie kann man nur einstreichen, wenn man für den Rest des Spieles nicht erfolgreich angegriffen wird. Dabei ist ein Angriff unter den Spielenden nur bei einem Haftbefehl erlaubt und hat außer dem etwaigen Verlust des Kopfgeldes keine Auswirkungen für den Betroffenen. Ich will jetzt nicht die anderen Abweichungen der Norm (Turniere bei denen alle teilhaben etwa oder das schwierigere Erobern von Festungen z.B.) aufzählen, allerdings bieten Medieval gerade genug Abwechslungen in den Geschehnissen, dass die Spielhandlung abwechslungsreich ist, ohne zu kompliziert zu werden – mein erster Eindruck täuschte mich.
Ich hatte man Khemet mit King of Tokyo verglichen, weil man in beiden jede Runde auf den aktuell Führenden einprügelt und dabei oft die Plätze tauscht. In einem ähnlichen Sinn könnte man Medieval mit Um Kron und Kragen oder ähnlichen „Auftragserfüllungswürfeleien“ vergleichen. Allerdings würde das außer Acht lassen, dass Medieval strikt konstruktiv ist – selbst bei Misserfolg bekommt man einen schicken Trostpreis und die Misserfolgsrate ist dank aufrüstbarer Mördertruppe gering. Und vor allem sorgt die gelungene Einbindung des Themas im Zusammenspiel mit dem ebenso gelungenem Material (Die Symnoliken sind etwas klein, aber dafür absolut vorbildlich in Sache Intuitivität) für ein Spielgefühl, dass sich größer anfühlt als die tatsächlichen Rädchen (bzw. Würfel) die sich hier drehen. Medieval sieht komplexer aus als es ist, aber ausnahmsweise ist das kein Nachteil, es fühlt sich tatsächlich nach mehr an, als man tatsächlich tut. Dass der größte Kritikpunkt ist, dass die Aufträge, die man erwürfelt, noch etwas mehr individuellen Flavour hätten haben können, zeigt, dass Medieval tatsächlich mehr ist, als die Summe seiner Würfelaugen.
Bei einer Filmumsetzung kann es durchaus spannend sein vom Spiel auf dem Film zu schließen. Ich bezweifle aber, dass der Film so harmlos daherkommt, wie das Spiel. Verletzt oder Getötet wird hier niemand, wenn man auch nicht weiß, was genau hinter den Würfelproben eigentlich steckt. Das ist zwar ungewöhnlich für ein Spiel das einen Personennamen im Titel trägt, die für ihr Geschick auf dem Schlachtfeld bekannt war. Aber stören tut es nicht: man bekommt ein schönes Eckchen Lokalkolorit geboten – und während der Film auf IMDB u.a. als „langweilig“ und „wirr“ bezeichnet wird, sind das Attribute, die auf das Spiel keine Anwendung finden. Die Autoren konnten mit dem Drehbuch offenkundig deutlich mehr anfangen.
Das Spiel erscheint erst ca. im Dezember 2023 in den regulären Handel, in Essen gab es nur eine kleine Stückzahl.
#Spiel23
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