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Landmarks

Autoren: Danilo Valente, Rodrigo Rega
Illustrator: Aeron Ng
Verlag: Floodgate Games / Pegasus
für 2-10 Spieler*innen
ab 10 Jahren
Dauer: 20 Minuten

Wortassoziationsspiele sind eine eher abstrakte Angelegenheit. Sie erwarten von ihren Spieler*innen, dass sie in groben Kategorien und vagen Zusammenhängen denken. Oft besteht der besondere Kniff dieser Spiele darin, die etymologischen Eigenarten einer Sprache zu nutzen um einen Begriff von einem Kontext mühelos in einen völlig anderen Kontext zu übertragen. Es sind genau diese semantischen Sprünge, die solchen Spielen ihre Würze geben.

Eindeutige Zuordnung oder riskantes Spiel?

Eben noch dachte man man bei „Schale“ an Hülsenfrüchte wie Walnüsse oder Erdnüsse, und plötzlich springt man über zu Essensgeschirr oder gleich zu Gipsverbänden. Dieser „Aha“-Moment wird als Erfolg empfunden, der den möglichen Spielsieg manchmal vorweg nimmt. Vor allem aber, bleiben diese Erlebnisse sehr viel stärker in Erinnerung als der Spielausgang selbst.

Entsprechend sind die bekanntesten Vertreter dieses Genres thematisch oft sehr oberflächlich gehalten. Spiele wie Codenames oder So Kleever bieten wenig thematische Einkleidung. Das Spielerlebnis kreist um abstrakte Gedankengänge, Es wird nicht durch Fiktion angereichert.

Landmarks macht vergleichsweise viele Versuche ein zusammenhängendes Thema zu bieten. Ein bis vier Spieler*innen (oder auch 10 in der Teamvariante) sind auf einer Insel gestrandet. Sie suchen Schätze und versuchen, Fallen zu vermeiden, ohne dabei zu wissen, wo diese Dinge sich verstecken. Eine Person hat eine kleine Landkarte vor sich, darf aber nur einzelne Worte auf Plättchen schreiben, welche die Gestrandeten auf dem Spielplan – angrenzend an bereits ausliegende Begriffe – platzieren. So sollen die Gestrandeten an den Gefahren vorbei zu den Schätzen gelotst werden. Jedoch dürfen dafür keine Richtungsangaben wie Nord, Südwest oder Ähnliches genutzt werden. Denn sonst wäre es ja kein Spiel.

Die kooperative Variante von Landmarks stellt dabei – wie auch schon bei Precognition – die fortgeschrittene Version des Spiels dar. Für Einsteiger empfiehlt sich die deutlich simplere, kompetitive Regelversion in der zwei Teams mit eigenen Hinweisgeber*innen gegeneinander antreten. Man teilt sich dabei den Spielplan. Beide Gruppen legen ihre Begriffe aus und so entstehen Anknüpfungspunkte und mit jedem Plättchen auch neue Assoziationsmöglichkeiten.

Alte Rivalitäten im Wettlauf um (archäologische) Schätze

Hilft man dem eigenen Team oder bietet man dem anderen dadurch eine Vorlage? Das erinnert an Decrypto. Der Regelablauf ist bei Landmarks jedoch um ein Vielfaches eingängiger. Entsprechend ist das Spielgefühl auch näher an Codenames. Jedes Legen eines Plättchens wirft die Frage auf, ob man dem eigenen Team geholfen hat, das gegnerische Team unterstützt hat, oder ob man seinem eigenen Team schadet. Dieses Spielkonzept ist vertraut. Es funktioniert gut und flüssig. Die zusätzliche topologische Komponente ist die Art von feinkörnigem Kniff, mit dem man sich einreden kann, dass sowohl Codenames als auch Landmarks einen Platz im eigenen Schrank verdient haben.

Die kooperative Variante des Spiels ist spielerisch interessanter, aber auch anspruchsvoller. Denn statt gegen ein anderes Team zu wetteifern, muss man hier spürbar einen Gang höher schalten, um ans Ziel zu gelangen. Der zusätzliche Regelmechanismus – es gibt hier nur eine begrenzte Anzahl an Hinweisplättchen, die regelmäßig aufgefüllt werden müssen – macht es unverzichtbar, dass man das Spiel mit klaren strategischen Zielen verfolgt. Statt nur bis zum nächsten Begriff zu denken, muss bereits ein ganzer Pfad überlegt sein, bevor man den ersten Begriff anlegt. Wer Hinweise gibt, muss vorausschauen, wie ein Begriff gedeutet und gelegt wird. Das Team muss antizipieren, welches Zwischenziel als nächstes auf dem Plan steht. Rein logische Deduktion an Hand der Begriffe ist hier bestenfalls die halbe Miete. Ohne den Nervenkitzel der gelegentlichen Bauchentscheidung geht es nicht.

Die kooperative Variante des Spiels leidet jedoch darunter, dass sehr viel auf den Schultern der Person lastet, welche die Tipps gibt. Sie muss an Hand der Landkarte einen Plan für den gesamten Spielverlauf entwickeln und diesen Plan durchgehend an die Entscheidungen der Mitspieler*innen anpassen. Wer es als eher unangenehm empfindet, wenn Erfolg und Misserfolg einer Partie allein an den eigenen Entscheidungen hängt, wird sich in dieser Rolle nicht wohl fühlen. Das Team hat es im Vergleich dazu einfacher. Es muss lediglich an Hand von feinsten sprachlichen Nuancen und Interpretationen entscheiden an welche von zwei vermeintlich gleichwertigen Seiten eines bereits ausliegenden Begriffs ein das Wort gelegt wird. “Rot” muss an “Kirsche” angelegt werden, na klar. Aber auch angrenzend an “Lava” oder eher an “Soße”?

Gefahren, Flüche und Schätze liegen dicht an dicht

In diesen Momenten entpuppt sich die eigentlich, tiefe Herausforderung, die Landmarks stellt. Denn die Hinweis-gebende Person muss eben solche Entscheidungen in ihre strategische Planung einfließen lassen. Landmarks ist kein reines Wortassoziations-Spiel, sondern ein Kommunikationsspiel mit Wortassoziations-Mechanismus, welcher dem eigentlichen Ziel: das Team sicher über die Insel zu führen, zu Grunde liegt.

Die thematische Einkleidung ist darum weniger optional und belanglos, sondern existiert, um greifbar zu machen, was von der Spielgruppe verlangt wird. Eine Person wählt einen Strecke für die anderen aus, und führt sie mit Ein-Wort-Hinweisen dort entlang. Wir stellen uns vor an einem kaputten Funkgerät nur die einzelnen Begriffe der Übertragung zu empfangen, sie zu entschlüsseln und so hoffentlich mit ein paar Schätzen irgendwann diese lebensgefährliche Insel zu verlassen. Es geht hier nicht um Immersion in ein fiktives Szenario, sondern um die Verbildlichung der Spielaufgabe.

Wortassoziationsspiele sind abstrakt, weil ihre Mechanismen rein abstrakt sind. Landmarks ist kein Spiel, welches eine Situation abbildet oder ein Szenario simuliert. Es bietet den Spieler*innen eine knifflige Aufgabe, die von ihnen einfordert mitzudenken, sich in die andere Seite hineinzuversetzen und gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Das ist zugegeben nicht einzigartig, aber es ist hier gelungen inszeniert.

Georgios Panagiotidis