Verlag: Days of Wonder
Autor: Bruno Cathala und Ludovic Maublanc
Spieleranzahl: 3-5
Alter: ab 10 Jahre
Spieldauer: ca. 60 Minuten
Schwer ist dat Ding. Etwa 1,8 Kilo (ja, ich habe es gewogen). Der Grund sind die vielen 3D-Plastikteile, die beim simulierten Tempelbau für die nötige Atmosphäre sorgen sollen. Diese Figuren (Sphinxen, Obelisken, Türrahmen, ein Thron nebst Sockel und mehrere Säulenwände) waren auch der Grund für einen kurzen Hype-Sturm beim Erscheinen des Spieles. Nachdem KMW auf der Spielboxseite die ersten Fotos online gestellt hat, flippte das Forum vollständig aus – es ging nur noch darum möglichst schnell dieses neue Super-Spiel, dieses neue Puerto Rico, diese spielerische Offenbarung zu bekommen.
Dass sich da eine Enttäuschung breit machte, die nur durch den Fall Tempus übertroffen werden sollte, ist klar.
Doch was ist jetzt wirklich dran am Spiel?
Zunächst einmal ist es eigentlich ein Kartenspiel. Die 3-5 Baumeister werden den größten Teil des Spieles damit verbringen Karten zu sammeln. Dazu nehmen sie einfach alle Karten, die in einer (von insgesamt drei) Reihen liegen. Dabei gibt’s einen ganz witzigen Mechanismus: Offene und verdeckte Karten sind zusammengemischt, so dass man eventuell ein paar Karten kennt, aber nicht alle.
Die Karten zeigen nun entweder einen Rohstoff oder eine Spezialfähigkeit. Mit den Rohstoffen wird an Tempeln gebaut und dafür gibt es Siegpunkte und dafür werden die erwähnten Plastikteile verwendet: Der Tempel entsteht wirklich! Da die einzelnen Teile wechselwirken und jedes Bauteil nicht nur eine andere Rohstoffanzahl benötigt, sondern auch anders Siegpunkte ausschüttet benötigt der ganze Prozess mehr Regeln, als dem Spiel eigentlich gut tut – zum Glück gibt’s Übersichtskarten!
Die Spezialkarten erlauben besondere Aktionen, doch dafür gibt es Korruptionschips. Die gibt es auch für Überschreiten des Handlimits. Wer also wirklich vorankommen will, muss ab und an Korruption ansammeln. Was ist schon schlimm daran? Nichts, außer dass der Spieler mit den meisten Korruptionschips bei Spielende von Krokodilen gefressen wird und somit ausscheidet. Das sorgt für eine interessante Dynamik: Wer zu vorsichtig spielt, gewinnt kaum Siegpunkte. Wer zu aggressiv spielt, wird gefressen. So einfach ist das. Allerdings können keine Karten abgeworfen werden und so wird jeder zwischendurch Korruptionsmarker bekommen – ob er will oder nicht. Ausgleichend kann Korruption durch geschicktes Bauen von Mosaiken (eines der Palastelemente) abgebaut werden. Das Setzen von Steinen reinigt den Geist oder so.
Um die Korruptionsgeschichte noch unübersichtlicher zu machen, kommt es ab und an zu einem Opfer. Dann müssen alle Spieler geheim Siegpunkte bieten und die geizigen sammeln Korruptionschips. Nur der spendabelste kann welche abgeben.
Das Opfer ist ein wichtiges Element, verhindert es doch eine zu vorsichtige Spielweise. Gerade zu dritt kann zu gut gerechnet werden, wer wie viele Chips hat und das killt das Spiel – wenn zwei vorsichtig spielen, so muss auch der Dritte vorsichtig agieren. Und dann geht’s darum NICHT die Spezialkarten zu ziehen (was sich kaum verhindern lässt). Das wiederum macht aus dem Spiel ein reines Kartensammeln – langweilig! Gut also, dass es das Opfer gibt? Theoretisch ja, aber leider ist die Chance, dass es tatsächlich zu einem Opfer kommt (das wird ausgewürfelt, wobei die Chance während des Spieles steigt) so gering, dass im Schnitt in jedem zweiten Spiel gar nicht geopfert wird! Und damit ist da ein Element, dass wieder ein paar Regeln braucht, aber viel zu selten tatsächlich zum Tragen kommt. Ich empfehle hier zumindest einige der Würfel mit einem zusätzlichen Würfelpunkt auszustatten, um die Häufigkeit des Opfers zu erhöhen.
Überhaupt die Regeln. Kleopatra und die Baumeister wäre ein schönes, einfaches Familienspiel und tatsächlich spielt es sich auch wie eines. Doch die pure Anzahl der Regeln stellt erst einmal eine gewisse Hürde dar. Viele Sonderregeln, viel „Chrom“, wie der Amerikaner sagen würde, verlängern die Erklärungsphase. Und im Falle des Opfers sogar unnötig – das hätte man entweder ganz weg lassen sollen oder so gestalten, dass es in jeder Partie garantiert einmal vorkommt. Im Prinzip richtet sich Kleopatra also an Familienspieler, die einen Erklärbären in Rufweite haben.
So, wir haben also ein paar Macken festgestellt: Das Opfer, das nicht zu tragen kommt, die – für den Spielverlauf – zu vielen Regeln und die Anfälligkeit im Spiel zu dritt gegenüber einer übervorsichtigen Spielweise (zu viert und zu fünft taucht das Problem nicht so auf). Und es kommt noch eines dazu: So wie es bei den Siedlern von Catan zu schiefen Partien kommen kann, in denen ein Spieler einfach seine Rohstoffe trotz guter Zahlen nicht bekommt, so kann es bei Kleopatra zu schiefen Partien kommen, bei denen ein Spieler einfach keine Baumeisterkarten zieht (die werden für alle Bauaktionen benötigt). Das frustriert, ist aber die Ausnahme und nicht die Regel.
Ist man sich dieser Kinderkrankheiten bewusst, so mag Kleopatra aber durchaus gefallen – mit mindestens 4 Spielern. Gewiss, es ist ein unglaublich aufgebohrtes Kartenspiel, doch gerade das macht den Reiz aus. Als reines Kartenspiel (wäre mit wenigen Kompromissen sicherlich möglich gewesen) würde es nur halb so viel Spaß machen, denn die Bausteine sorgen schon für ein haptisches Erlebnis. Zumal sie auch gut genutzt werden (Geschicktes Bauen der Mosaike zum Abbauen von Korruption).
Zurück zum eingangs erweckten Hype: Kleopatra und die Baumeister konnte die Erwartungen nicht erfüllen, denn es hat ein paar Macken (darunter die erwähnten schiefen Partien, die schon bei Siedler für Unbill sorgten) und es ist beileibe kein Vielspielerspiel. Wer aber einfach ein gutes Familienspiel erwartet, dass auch Vielspielern Spaß macht, der findet ein schönes Spiel in der Schachtel – und nicht nur überwältigendes Material.
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