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Iberia

Verlag: Z-Man Games / Asmodee
Autor: Jesús Torres Castro & Matt Leacock
Spielerzahl: 2-5
Alter: ab 8 Jahren
Spieldauer: 45 Minuten

Die Filmindustrie hat das Profitpotential von „Franchises“ schon seit langem ins Herz geschlossen. Ein erfolgreicher Film zieht Fortsetzungen, Spin-Offs und vieles mehr nach sich. Auch in der Spielbranche wird immer wieder versucht ein erfolgreiches Spiel in eine lukrative Spielfamilie zu überführen. Über den Erfolg solcher Ansätze kann man geteilter Meinung sein. Das kooperative Brettspiel Pandemie hatte einen Ableger, dem ich nur wenig abgewinnen konnte. Allerdings wusste ich damals bereits, dass es auch Pandemie-Versionen gibt, die Geld, Zeit und auch Lobpreisungen wert sind. Iberia ist ein solches Spiel.

Das liegt vor allem daran, dass Iberia kein Aufguss des Originals ist, sondern es mit ein paar kleinen Kniffen auf interessante Art variiert. Gerade wer Pandemic bereits kennt, wird die Abweichungen vom Vorgänger sehr zu schätzen wissen. Die Kernaufgabe ist die selbe geblieben: es gilt vier Mal Karten der gleichen Farbe zu sammeln und in einem Schwung auszuspielen, um so das Spiel gemeinsam zu gewinnen bzw. die Seuchen zu erforschen, welche die namensgebende iberische Halbinsel plagen. Dafür muss man sich mit anderen absprechen um nach strengen Regeln Karten miteinander tauschen zu können und so ein Kartenset zu vervollständigen. Nebenher muss man aber versuchen die sich auf dem Spielbrett ausbreitenden Seuchen (Würfel) unter Kontrolle zu halten. Denn man kann das Spiel frühzeitig verlieren, wenn zu viele dieser Würfel ins Spiel kommen. Dass man die Seuchen im Spiel lediglich erforscht, statt ein Gegenmittel zu entwickeln, ist eine subtile, aber weitreichende Abweichung zum Original.

Infrastruktur wie auch Wasserversorgung wurden aufgebaut

Pandemie ließ die Spielgruppe ein Problem lösen, da ein Gegenmittel nicht nur den Sieg ermöglichte, sondern auch das Bekämpfen der Seuchen stark vereinfachte. Mit der richtigen Mischung aus Können und Glück konnte man die Seuchen sogar vollkommen ausrotten. In Iberia muss man sich damit zufrieden geben die Seuchen lediglich im Griff halten zu können. Es findet eine Eindämmung der Krankheiten statt, aber keine aktive Bekämpfung. Selbst wenn man eine Partie Iberia gewonnen hat, wird man die Krankheiten und Infektionen nicht aus der Welt geräumt haben. Damit kann man diese beiden Spiele übrigens schön als Veranschaulichung zu Rate ziehen, um zu erklären warum endemisch nicht das gleiche wie harmlos bedeutet.

Aber diese fehlende Wirkungsmacht auf Spieler*innen-Seite wird auf interessante Art durch andere Elemente wieder ausgeglichen. Auch in Iberia gibt es besondere Fähigkeiten, die man als Spieler*in einer Spielfigur nutzen kann. Im Original waren diese zwar nützlich, aber in ihrem Pragmatismus auch recht flach. Iberia führt neue Spielelemente wie „Eisenbahnschienen“, „Wasseraufbereitung“ und „Häfen“ ein. Diese beeinflussen die Fähigkeiten der Spielfarben und bieten der Gruppe damit neue Werkzeuge an, um den Spielverlauf zu beeinflussen.

Häfen verbinden sämtliche Küstenstädte miteinander und machen viele Orte auf dem Spielbrett einfach erreichbar. Eisenbahnschienen können von Spieler*innen auf dem Spielbrett platziert werden, um so die Abstände zwischen verbundenen Orten zu verkürzen. Jeder Ort auf einer Eisenbahnroute ist genau einen Aktionspunkt zu einander entfernt. Das verkürzt Reisen und erhöht im Umkehrschluss unsere Möglichkeiten schnell auf eine brenzlige Situation zu reagieren.

Die Wirksamkeit des Schienennetzes zahlt sich vor allem im späteren Spielverlauf aus. Es setzt ein Gefühl der Genugtuung ein, wenn man merkt wie sich die weitsichtigen Entscheidungen zum Spielbeginn als spürbarer Fortschritt manifestieren. Mehr noch, statt allein auf Seuchenausbrüche und Neuinfektionen zu reagieren, bereiten wir die wissenschaftlichen Durchbrüche und Erkenntnisse vor, mit denen wir das Spiel gewinnen wollen. Wir können uns schneller zusammenfinden, um Karten zu tauschen oder Orte zu erreichen, um dort Seuchenausbrüchen zuvorzukommen.

Auf dem halben Weg zum Sieg

In diese präventive und vorausschauende Perspektive fügt sich auch die Aktion „Wasseraufbereitung“ ein, die wie ein Puffer für eine kleine Gruppe Städte dient. Damit lässt sich die Ausbreitung der Seuche kurzfristig verhindern, aber effektiv nur verlangsamen. Selbst bei ereignisarmen Rundenverläufen hat man darum immer das Gefühl, dass die Uhr tickt. Das Spiel hält einen gewissen Druck aufrecht, ohne dabei belastend zu sein. Egal wie ernst die Lage im Spiel ist, sie wirkt niemals hoffnungslos.

Die Fähigkeiten, die diese neuen Elemente aufgreifen prägen das Spielgefühl von Iberia vielleicht am Stärksten. Trotz des weniger endgültigen Spielsiegs, empfindet man die einzelnen Entscheidungen als wirkungsvoll wie auch nachhaltig. Als Team können wir etwas spürbar verändern. Es ist nicht zuletzt dieser Raum für Optimismus, der Iberia zu so einem so lohnenswerten Erlebnis machen.

Iberia mag man auf den ersten Blick nur als sehr (!) viel hübscheren Aufguss von Pandemic abtun wollen. Aber in der Praxis haben wir es hier mit einer Veredelung, nicht zwingend Verbesserung, des Originals zu tun. Wer das Original kennt, wird die feinen Unterschiede genießen; aber auch wer zum ersten Mal mit Pandemic in Berührung kommt, findet hier ein Spiel welches die Tugenden des kooperativen Spiels gekonnt einfängt und akzentuiert.

Georgios Panagiotidis
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