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Fog of Love

Fog of Love

Verlag: Hush Hush Projects
Autor: Jacob Jaskov
Spieleranzahl: 2
Alter: ab 17 Jahre (rein mechanisch sicherlich zu hoch, doch um das Spiel zu verstehen, bedarf es schon einer gewissen Lebenserfahrung. Eigentlich würde ich es sogar erst empfehlen, wenn man aus der Schule raus ist)
Spieldauer: 60-120 Minuten (je nach gewähltem Szenario)

Um gleich mit der Tür ins Haus zu fallen: Fog of Love ist zweifellos eines der originellsten Spiele des Jahres. In meiner ersten Partie musste ich mich entscheiden ob ich meinen Partner beim Streit gegen meine Eltern unterstütze oder meinen Eltern gegenüber loyal bin. Als Politiker habe ich das einzig richtige getan: Den Abwasch.

Man sieht: Man trifft andere Entscheidungen als beim Euro seines Vertrauens. Man baut nicht einmal Warenlager! Ist sowas überhaupt erlaubt?

Der Unterschied ist, dass man keine undefinierte göttliche Kraft spielt, die Arbeiter und Gebäude bewegt und Städte konstruiert, sondern eine konkrete Person, die versucht eine Beziehung mit dem Charakters des Mitspielers zu konstruieren. Doch trotz einiger festen Eigenschaften, einem Beruf, einem Namen und einem frei wählbares Geschlecht (wobei auch schon klar ist, dass homosexuelle Partnerschaften heterosexuellen spielerisch absolut gleichgestellt sind) ist Fog of Love kein Rollenspiel. Eher eine Art thematischer Psychotest mit Siegbedingungen.

Wie bei den Psychotests aus Zeitschriften wie Eltern – oder auch dem alten Spiel Astro-Time – besteht das Spiel in erster Linie aus dem beantworten von Multiple-Choice-Fragen. Natürlich beziehen diese sich immer auf die Beziehung, aber je nachdem welche Stufe die Partnerschaft bereits erreicht hat, können diese Drama oder Sprengstoff enthalten, oder sich auch nur darum drehen wo man den Abend verbringen möchte oder wie man sich zu einem Foto aufstellt. Ein Spiel wird draus, weil man (anders als bei Astro-Time etwa) sich bei der Entscheidung nicht an eigenen Präferenzen orientieren sollte, sondern an den (geheimen) Eigenschaften des verkörperten Charakters. Die Eigenschaften geben dabei nicht direkt die Antwort vor, sondern sind mehr so etwas wie Auftragskarten – sie geben vor, wo man bei sechs anderen, öffentlichen Eigenschaften stehen möchte: Eher Ehrlich oder eher unehrlich? Sensibel oder Robust? Teilweise sind dies private Aufträge, zum Teil müssen sie aber auch von beiden Partnern in Summe erreicht werden. Die Antworten auf die Multiple-Choice-Fragen geben vor allem Punkte in diesen öffentlichen Eigenschaften vor – hoffentlich dort, wo man sie braucht. Damit Entscheidungen kniffliger werden gibt es zudem Punkte oder Punktabzüge (!) auf der „Zufriedenheitsskala“, die ganz allgemeinen den Beziehungsstatus angibt.

Der Gag bei Fog of Love ist jetzt, dass man die „Auftragskarten“ des Mitspielers nicht kennt. Da man aber ja zusammenspielt, muss man – wie bei einer echten Beziehung – die Wünsche des Partners erst ermitteln. Dazu spielt man eben die erwähnten Fragekarten. Man selbst kann sich mit einer Karte in der Regel nicht beschenken, ist also darauf angewiesen, dass der Mitspieler einem die richtigen Vorlagen gibt.

Und dann gibt es noch die Ziele. Auch die sind geheim und auch die kann man während einer Partie wechseln. Es ist durchaus möglich, dass beide am Ende einer Partie ohne böses Wort auseinandergehen, aber auch die große Liebe ist drin – wichtig ist eben nur, dass beide Partner ihre Vorstellungen (ergo ihr Ziel) erfüllen können. Das ist nicht nur thematisch, das ist auch spannend!

Zugegeben: Ohne das Thema, reduziert auf das spielerische Grundgerüst des Fragen beantworten, um Steine setzen zu können (mit gelegentlichen Ausreißern, wenn man mal was anderes tun darf), wäre Fog of Love sicherlich kein Spiel, dass man sich in Schrank stellen müsste. Aber das gilt auch für 90% aller historischen Spiele oder für TIME Stories und für D&D sowieso. Eine Betrachtung des nackten Mechanismus macht hier gar keinen Sinn! Fog of Love ist ein Gesamtkunstwerk: Nicht nur ist die Ausstattung wirklich superb (das sehr textlastige Spiel aber komplett auf Englisch), auch das Tutorial funktioniert wirklich gut und macht bereits Spaß. Vor allem aber wird eine Geschichte erzählt, eine Geschichte die jedes Mal anders ist und deren Schwerpunkt und Tonalität man dank Szenarien mit unterschiedlichen Zielkarten selbst bestimmt. Paartherapie ist Fog of Love aber nicht – man sollte einen gewissen Abstand zu seinem Charakter haben, damit die Geschichte tatsächlich lustig ist und nicht etwa ungemütlich persönlich. In den Regeln wird extra darauf hingewiesen, dass der eigene Charakter nicht man selbst ist. Das ist bei anderen Spielen unnötig, hier macht der Hinweis Sinn.

Aufmerksame Beobachter werden bemerkt haben, dass ich Fog of Love nicht in meine Betrachtungen beim Sylvester mit eingebracht habe. Das stimmt, der Grund: Ich halte es für ein sehr gutes Spiel, aber nicht für eines meiner Lieblingsspiele. Der Hauptgrund ist schlicht persönliche Präferenz. Der Nebengrund ist, dass ich Fog of Love nicht immer spielen könnte. Es ist ein Spiel für eine ganz bestimmte Stimmung. Es ist auch ein Spiel, dass Erweiterungen braucht, um auf lange Sicht frisch zu bleiben – Zwar sind viele Karten enthalten und jede Partie durch die geheimen Elemente anders, aber wenn man erst einmal den Großteil der Fragen gesehen hat, verliert das Spiel ein bisschen sein Überraschungsmoment. Dass ich aber nicht abgeneigt bin, mir diese Erweiterungen auch zuzulegen, spricht für das Spiel.

Peer Sylvester
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