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Expedition Northwest Passage

Verlag: Matagot (Deutscher Vertrieb: Pegasus)
Autor: Yves Tourigny
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 14 Jahre
Spieldauer: ca. 60 Minuten

Grönland, 1850. Wir sind auf der Suche nach der verlorenen Expedition von Sir John Franklin. Unsere Aufgabe ist es Spuren zu finden, mehr über das Schicksal des großen britischen Polarforschers herauszufinden. Zumindest haben wir das behauptet. In erster Linie versuchen wir die Nordwestpassage zu finden, denn dann wird unser Name unsterblich. Allerdings wäre ich schon zufrieden, wenn wir heil wieder nach Hause kommen würden, denn es ist kalt. Unterwegs können wir genauso gut ein paar Inseln umrunden oder Steinhaufen abmalen und den Inuit „Guten Morgen“ sagen, dass gibt auch Ehre. Es schafft sowieso niemand den Weg durch das nicht ganz so ewige Eis.

Um das Eismeer zu navigieren dürfen wir unsere Crewmitglieder einsetzen, um Plättchen zu legen (die zeigen Meer und Land in verschiedenen Formen und alles muss passen), Plättchen zu betreten (Meeresfelder mit Schiffen, Festland mit Schlitten) oder Dinge auf Plättchen zu „entdecken“ (d.h. die Plättchen auf den Plättchen in den Vorrat zu nehmen und Siegpunkte zu kassieren, aber das klingt nicht so romantisch). Zwei Gags gibt es: Einmal dürfen wir eigentlich nur eine Aktion zur Zeit machen (dann sind alle anderen dran), aber wenn wir einen Extramann beauftragen, können wir mehrere Züge auf einmal durchführen. So kann man den anderen die Dinge vor der Nase wegschnappen, aber insgesamt können wir nicht so eine große Entfernung zurücklegen. Außerdem können wir unsere Crewmitglieder auf dem Schiff oder dem Schlitten einsetzen (zu Beginn sind alle auf dem Schiff), je nachdem wo wir sie brauchen (wobei Schiff und Schlitten logischerweise auf demselben Feld stehen müssen, um Crew zu tauschen). Da die Passage im Laufe der Partie zufriert und wieder auftaut, Schiffe nicht durchs Eis und Schlitten nicht über Wasser fahren können (aber umgekehrt) will die Logistik von zwei Fahrzeugen optimiert werden. Zumal alle wieder zu Hause ankommen müssen und der schnelle Vogel (=Spieler) den Wurm fängt (=mehr Siegpunkte abgreift).

Interessant ist die Dynamik einer solchen Expedition. Je nach Erfahrung und Veranlagung der Spieler können die Expeditionen komplett unterschiedlich laufen: Spielen alle mehr oder minder zusammen, dann wird’s ein Rennen zur Nordwestpassage, wo (fast) jeder Spieler punktet und dann versucht auf dem Heimweg möglichst viel mitzunehmen (Nur die Punkte aus Nordwestpassage und der schnellsten Heimreise reichen normalerweise nicht zum Sieg). Spielt jeder für sich oder blockieren sich die Spieler sogar aktiv, lohnt sich der Aufwand „Nordwestpassage“ überhaupt nicht (was komisch ist für ein Spiel mit diesem Titel). Versuchen alle Spieler bei den Mitspielern abzustauben, verkommt das Spiel gar zur „Steherparade“. Diese Flexibilität ist gut, wenn man in einer eher konstruktiven/thematisch orientierten Runde spielt, aber sie ist schlecht, wenn jede Expedition auf der Mitte des Brettes endet, weil sich größerer Aufwand nicht lohnt. Da hätte eine höhere Punkteausbeute für die Nordwestpassage für mehr Konsistenz sorgen können. Oder man hätte auf ein bisschen Siegpunkttüddelüt verzichtet. Sechs verschiedene Chips, mit verschiedenen Punkten, zum Teil gibt es eine Mehrheitsendwertung und dann noch Sonderpunkte für komplette Sets… Da wird ein thematisches Spiel über die Nordwestpassage zu einem Euro über Chips sammeln im Mittelalter. Das ist schade, reizt mich doch vor allem das Thema (übrigens unterstützt durch eine wirklich gelungene graphische Bearbeitung).

Egal wie es läuft, was immer bremst sind die Plättchen. Das passende Anlegen ist nämlich eine Wissenschaft für sich… Entsprechend lange dreht man seine Plättchen und versucht es hier und da und dann das aus der Auslage…passt da überhaupt eines? Langweilig!

Berlin, 2014. Auf den Spuren der Expedition, die auf den Spuren von Franklin ist, kann viel passieren. Und manches ist durchaus stimmig und spannend. Und manches nicht so. Ich wäre schon zufrieden gewesen, wenn hier ein zünftiges Rennspiel vorgelegen hätte. Stattdessen habe ich einen Euro gefunden, der zu viel wollte. Kein schlechtes Spiel, nein, fürwahr, das kann man nicht sagen. Aber in Sichtweise des Zieles musste das Spiel nach Hause segeln. Oder so.

Peer Sylvester
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