Verlag: Blue Orange / Asmodee
Autoren: Corentin Lebrat und Ludovic Maublanc
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 6 Jahren
Spieldauer: 15-20 Minuten
Sind Spiele mehr als ihr Regelwerk? Natürlich! Selbst wenn man die Spielgruppe als solches aus der Gleichung nimmt (ob das Sinn macht sei dahingestellt), so bleibt zumindest das Spielmaterial, was ganz klar den Spielspaß beeinflussen kann. Das Regelwerk ist aber auch mehr als das bloße Abbilden der Spielmechanismen. Und das sieht man bei kaum einen Spiel so schön wie bei Burg Kritzelstein!
Auf die reinen Mechanismen herunter gebrochen ist diese Burg ein einfaches Anfänger-Roll and Write: Der Zugspieler würfelt mit zwei Würfeln und nutz beide, während alle anderen lediglich einen nutzen dürfen. Die Würfel geben entweder Leute (und je mehr Leute desto mehr Siegpunkte) oder einen Rohstoff, den man auf seinem Tableau markieren darf. Eine fertige Reihe oder Spalte von Rohstoffen und man bekommt irgendetwas mit Siegpunkten. Im Profispiel dürfen dann noch Gäste angeworben werden, die Sonderfähigkeiten besitzen (im Grundspiel kommen nur verkleidete Siegpunkte zu Besuch). Das ist ein einfaches System, dass in diversen Abwandlungen in fast allen Spielen dieses Genres vorkommt – dann aber meistens mit zusätzlichen Kniffen. Hier unterscheiden sich zwar die Siegpunktquellen ebenfalls ein wenig – Wände z.B. bringen keine Siegpunkte, aber ermöglichen Punkte über Wappen, die wiederrum braucht man (anders als Wände) nicht, um die Bonuspunkte für schnelles Errichten der Burg einstreichen zu können – aber die Unterschiede sind nicht wirklich dramatisch.
Ja, rein mechanisch gesehen ist Burg Kritzelstein etwas sehr simpel (insbesondere im Grundspiel) und allenfalls für Anfänger des Genres interessant. Geradezu genial aber die Einkleidung: Alle Siegpunktelemente sind Burgteile und die Spieler dürfen diese frei zeichnen. Ja, das hat spielerisch im Kern keine Auswirkungen. Aber es sorgt für eine ungeheure Spielfreude! Insbesondere Kinder (die Haupt-Zielgruppe), aber auch Erwachsene können sich dem kaum entziehen und malen Zinnen und Fenster und kleine Strichmännchen und überhaupt dudeln in ihrer und an ihrer Burg herum, dass es eine wahre Freude ist. Burg Kritzelsteins Stärke ist dass es zwischen „Spiel“ und „freiem Spiel“ keine feste Grenze zieht und so einen hohen Aufforderungscharakter hat und für ein Grinsen auf den Gesichtern sorgt. Auf der Meta-Ebene zeigt das Spiel deutlich, dass man auch aus einfachen Ideen noch etwas neues herausholen kann. Natürlich ist die Entwicklung des Motors eines Spieles extrem wichtig, die Karosserie des Spieles bietet aber eben auch Möglichkeiten ein Spiel aus der Masse herauszuheben – eine Möglichkeit die viel zu selten genutzt wird! Spieleautoren können unabhängig von der Qualität Burg Kritzelsteins hier etwas lernen!
Sicherlich: Der zynische Vielspieler, der ich bin, würde das Spiel jetzt nicht unbedingt in reinen Erwachsenenrunden auf den Tisch bringen – da gibt es auch im Roll and Write-Bereich einfach zu viel bessere Konkurrenz, die interessantere und kniffligere Entscheidungen bietet. Aber um den Nachwuchs an diese Konkurrenz heranzuführen, dafür ist Burg Kritzelstein allemal geeignet!
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