spielbar.com

Dodo

Verlag: Kosmos
Autoren: Frank Bebenroth, Marco Teubner
Spielerzahl: 2-4
Alter: ab 6 Jahren
Dauer: ca. 10 Minuten (plus Aufbauzeit)

 

In den 80er Jahren gab es einen Trend zum Gimmick-Spiel. Ich selbst hatte ein Spiel namens Plitsch-Platsch, dass mit einem riesigen Aufbau einer wassergesteuerten (!) Was-passiert-Dann-Maschine aufwarten konnte. Das Spiel selbst war „Mensch ärgere Dich nicht aber mit nur einer Figur“ und entsprechend „spannend“. Das Spiel kennt heute keiner mehr, nicht einmal Luding. Bekannter waren Mousetrap/Mäusefalle, das dreidimensionale Schiffe Versenken U-Boot-Jagd und natürlich Spukschloss. Spukschloss war gewissermaßen „Popupbuch- Das Spiel“: Ein dreidimensionales Schloss, in dem allerlei Effekte ausgelöst werden konnten, wenn der Zufall das so wollte.  Sah cool aus, spielerisch sollten insgesamt drei Zufallsmechanismen darüber hinwegtäuschen, dass die Spieler sich ohne jedwede Entscheidungsgewalt durch das Schloss würfelten.

Das Problem mit diesen Gimmickspielen: Die anfängliche Begeisterung durch das Gimmick wird nicht durch spielerisch ansprechende Mechanismen kanalisiert und verpufft so schon während einer Partie. Der Reiz des neuen hält nicht über die gesamte Spieldauer – Zwangsläufig fragen sich die Spieler, ob eine Verwendung des Materials als Spielzeug nicht interessanter gewesen wäre, als eine als Spiel. Das liegt auch daran, dass die Mechanismen völlig losgelöst vom Gimmick sind – das Gimmick ist nicht wirklich in den Spielverlauf eingebunden, sondern es wird halt ab und an mal durch ein Zufallsereignis aktiviert. Das Spiel läuft nebenher und so warten die Spieler im Prinzip nur darauf, dass sie das Gimmick auslösen dürfen. Wenn das Gimmick aber der Teil des Spieles ist, der Spaß macht, dann sollten die Spieler aber auch die Kontrolle darüber haben, sonst stört das Spiel nur.

Dass sich die Spielewelt nun in den letzten 40 Jahren weiterentwickelt hat, kann man auch daran erkennen, dass die Autoren von Dodo ihr Gimmick in den Spielverlauf integriert und mit soliden Mechanismen unterfüttert haben.

Das Gimmick bei Dodo ist eine riesige, dreidimensionale Pappklippe (die man am besten wie das Spukschloss damals aufgebaut in den Schrank stellt), von der ein „Wackel-Ei“ herunterzufallen droht. Dieses Ei ist im wesentlich eine Kugel, die ganz langsam die Schräge herunterrollt, statt mit normaler Geschwindigkeit. Das Ziel der Spieler ist nun quasi die Rampen der Eiermurmelbahn aufzubauen, auf dass jenes Ei nicht einfach herunterfällt, sondern bequem von der Klippe herunter gleitet. Eine normale Murmel wäre viel zu schnell und so hat dieses Ei nicht nur absolut seine Berechtigung, sondern ist essentiell für das Spiel.

Am Spielziel kann man nun erahnen: Dodo ist zum einen kooperativ und zum anderen ein Echtzeit-Spiel – beides gute Entscheidungen für ein Gimmickspiel. Das Ei fungiert quasi als Timer – wenn der abläuft, bevor die Rampe fertig ist, endet das Spiel. Aber natürlich wäre ein normaler Timer langweilig. Gimmicks sind ja schon eine schicke Sache und das Ei kann definitiv für Panik sorgen, wenn es sich langsam und auch etwas unberechenbar dem Abgrund nähert.

Um die Planken zu bauen, müssen die Spieler Plättchen finden, deren Symbol mit dem aktuellen Würfelwurf übereinstimmt. Einen ähnlichen Mechanismus gab es auch in Stone Age Junior und ich bin ehrlich: Memoryelemente werden zwar gerne in Kinderspielen eingebaut, so richtig begeistert ist aber bei uns niemand von ihnen. Letztlich ist Memory immer Memory und das Plättchen suchen in dem einen Spiel ist selten spannender als das Plättchen suchen in einem anderen Spiel .

Aber hier als Motor eines kooperativen Spieles wirkt dieser Mechanismus plötzlich sehr viel frischer, denn jetzt dürfen sich ja alle gemeinsam merken, wo welches Symbol lag. Da das Spiel zudem in Echtzeit stattfindet, artet dies nicht in ellenlangen Diskussionen aus – Der Mechanismus passt also tatsächlich sehr gut zu diesem Spiel. Außerdem lässt er sich gut skalieren, was bei einem kooperativen Kinderspiel wichtig ist – das „normale Spiel“ war uns deutlich zu leicht. Auch wenn Kinder ungern verlieren – ohne Spannung verfehlt ein kooperatives Spiel sein Ziel und bei einer Spieldauer von lediglich 10 Minuten kann man auch erwarten, dass man mindestens die Hälfte der Spielzeit im Panikmodus ist. Aber kein Problem: Der Schwierigkeitsgrad kann hochgestellt werden, in dem mehr Plättchen gezogen werden müssen, um bauen zu dürfen und/oder in dem einige Jokerplättchen aus dem Spiel genommen werden. Ich kenne kaum ein kooperatives Spiel das so einfach den Bedürfnissen der Spieler angepasst werden kann.

Und es findet sich in einem Spiel, in dem ein Ei einem Pappberg herunterrollt.

Meine Tochter zählt Dodo übrigens zu ihren Lieblingsspielen des Jahres 2020 – ein Zeichen, dass die Integration des Gimmicks in das Spiel hier deutlich gelungener ist, als bei Spukschloss.

Peer Sylvester
Letzte Artikel von Peer Sylvester (Alle anzeigen)