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Corrupt Parlament

Autor: Allen Wang

Verlag: Mizo Games

Für 4-6 Spielende ab 15 Jahren

Spieldauer: 60-120 Minuten (stark abhängig wie viel und wie wild verhandelt wird)

In amerikanischen Medien ist das Bild der politischen Elite eher ein positives. Selbst in an sich kritischen Polit-Comedies wie Dave oder Natürlich Blond 2 stehen hinter den Bösewichtern immer eine Reihe von guten Menschen, die nur darauf warten, „die richtige“ Politik machen zu können. Zudem wird eher „Machterhaltung“ als Motiv von „bösen“ Politikern ausgemacht und nicht Korruption.

Nun bin ich weit davon entfernt ein Experte für Ostasiatische Filme und Serien zu sein, aber in denen, die ich kenne, sind Politiker ausnahmslos korrupt und egoistisch. Das transportierte Bild ist hier sehr viel negativer als in den USA. Entsprechend ist auch das transportierte Bild von Corrupt Parliament ein anderes als das in westlichen Politsatiren. Zwar wird auch in Spielen wie Kyoto oder Tiefe Taschen das Thema „Korruption in der Politik“ mehr oder minder satirisch aufgegriffen, es beschränkt sich aber weitestgehend auf die Aussage „Wir sind korrupte Politiker:innen und -haha! – lassen uns schmieren“.

Dass Corrupt Parlament sehr viel tiefer geht, zeigt schon das dystopische Cover, dass ich für eines der besten Spielecover der Geschichte halte; In Bild und Spiel wird deutlich: Hier sind nicht nur einzelne „Bad Apples“ unterwegs, hier ist das ganze Parlament, das ganze System ausgehöhlt! Die Korruption pervertierte die demokratischen Werte selbst; Im Spiel wird nicht nur fleißig bestochen, die Verflechtungen gehen deutlich tiefer: Alle Spielenden haben Anteile in diversen Industrien – geht es diesen gut, so profitiert auch, wer dessen Anteile hält. Und der Kurswert einer Industrie wird durch die Gesetze gesteuert, die beschlossen werden. Manche Gesetze sind sogar in der überzeichneten Welt des korrupten Parlamentes so furchtbar („Legalisierung des Verkaufes von Blut, um Schulden zu bezahlen“), dass sie in der Bevölkerung schlecht ankommen. Aber keine Sorge – das lässt sich durch Broker (vielleicht so etwas wie die Wahlmänner in den USA – bin nicht so über das Taiwanesische Wahlsystem bewandert, aber die Tatsache, dass man die Broker kauft, ist natürlich eine kleine Message nebenbei) kompensieren, nur sollten die dafür nötigen Spesen besser durch die zu erwartenden Kursgewinne kompensiert werden. Außerdem ist das oberste Ziel schlicht „Geld“ – die reichste Person gewinnt am Ende. Alles andere ist letztlich sekundär und nur Mittel zum Zweck. Wer eine Wahl gewinnt, bekommt lediglich einen kleinen Bonus. Entscheidend ist vielmehr, wer die Wahl verliert – eine Person am Tisch bekommt keinen Platz im Parlament (wobei das auch der stets mitspielende Neutrale Dummy sein kann). Das ist schlecht fürs Geschäft, denn wer dort nicht vertreten ist, kann keine Gesetze einbringen und auch nicht für diese abstimmen. Bestechen darf man dennoch und auch Anteile erwirbt man unabhängig vom Parlament (im 6-Personenspiel darf man als „Macht hinter dem Thron“ Unentschieden entscheiden und Gesetze verschwinden lassen). Dennoch fühlt man sich außen vor, vielleicht mehr, als man es tatsächlich ist. Dieses Gefühl, ausgeschlossen zu werden, lässt die regelmäßige Wahl zu einem emotionalem Höhepunkt werden. Wer mit dem letzten gezogenen Chip doch noch ins Parlament einziehen darf, macht vor Freude einen Luftsprung! Juchu! Es gibt ein weiteres Jahr an dem ich direkten Zugriff auf die Fleischtöpfe habe! In ihrer Mechanik ist die Wahl so ein ungemein effizienter Mechanismus um Thema uns Emotion zu transportieren. Und auch hier ist das Spiel subtil in seiner Aussage, dass selbst abgewählte Politiktreibende noch per „Lobbyarbeit“ direkten Einfluss auf die gesetzgebende Macht ausüben.

Mindestens eines dieser Gesetze wäre auch was für die FDP

Wenn ich einen Teil von Corrupt Parlament kritisieren müsste, dann dass die Verflechtungen der Wirtschaft über eine Art Aktiensystem zu konventionell umgesetzt wurden. Trotz zahlreicher Zufallselemente sind die möglichen Gewinne einigermaßen abschätzbar. Dadurch werden die Bestechungsgelder (die übrigens in kleinen braunen Umschlägen mit dem Aufdruck „unsichtbarer geldwerter Vorteil“ gereicht werden) bei mitrechnenden Zeitgenossen vorsichtiger vergeben, als vielleicht wünschenswert gewesen wäre. Diese Bedachtheit will nicht ganz zum überbordenen schwarzen Humor des restlichen Spieles passen.

Man muss aber dennoch festhalten: Wo andere Spiele „satirisch überspitzt“ sind (und sich dafür auf die Schulter klopfen), ist Corrupt Parlament bisweilen schlicht zynisch. Manch einem ist der schwarze Humor des Spieles zu dicht an der Realität, um sich wohl zu fühlen. Derselbe Verlag zeigte mit Raid on Taihoku ein Antikriegsspiel, dass in seiner emotionalen Dramatik ebenso für manchen zu „heavy“ war. So weit ist Corrupt Parlament nicht, auch weil es hier deutlich leichter fällt, mittels (oft tiefschwarzen) Humor emotional zwischen Bild und Abbild zu unterscheiden. Corrupt Parlament trifft dennoch zielsicherer und tiefer  als etwa Kyoto und ist dabei auch deswegen witziger.

Mit Kontakten in die „Entertainment“-Industrie kann man per Sextape jemanden zwingen so zu stimmen, wie es einem gefällt.

Kontakte mit Kredihaien helfen beim Aquirieren von Cash.

In Deutschland wäre das Spiel wohl im Mafia-Milieau angesiedelt.

 

 

 

Peer Sylvester
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