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Barrel Dice

Autor: Andreas Schmidt

Verlag Playte

Für 3-6 Spielende ab 8 Jahren

Spieldauer: 20 Minuten. Oder Mehr, wenn zu viel riskiert wird und alle immer nur Miese machen

Playte suchen sich eher lockere, ja sogar glücksabhängige Spiele aus der deutschsprachigen Spielehistorie raus und bringen sie als kleine Ausgaben auf den koreanischen Markt. Dabei kann man auch attestieren, dass sie sich nicht unbedingt die großen Klassiker raussuchen, sondern eher so Spiele, die am Wegesrand liegen und hier zu Lande zum Teil vergessen sind. Das ist nicht despektierlich gemeint – nicht alles was vergessen ist, ist vergessenswert, nicht alles was von der Szene übersehen wurde, ist schlecht. Schon gar nicht, wenn es sich um Zockspiele handelt, die Scheu vor leichten Würfeleien hat die Szene ja erst vor kurzem abgelegt. Wenn überhaupt.

Ich nutze Playte jedenfalls im Moment gerne um Spiele kennenzulernen, die an mir früher vorbeigegangen sind; nicht zuletzt um zu sehen, ob ich was verpasst habe. FOMO wirkt scheinbar auch in die Vergangenheit zurück.

Barrel Dice, die neue Ausgabe von Polterfass (ehemals Zoch) ist ein Kneipenspiel im doppelten Sinne: Es spielt in einer Kneipe und man spielt es am besten in einer Kneipe.

Es ist ein Zockspiel, eines der Sorte, bei der alle hoch pokern und hoch verlieren oder vorsichtig spielen und deswegen nicht gewinnen.

Eine Person würfelt. Wie der englische Name des Spieles dezent andeutet, tut man dies mit Fässern, die nur zwei Seiten haben und ansonsten blöde rumliegen und somit nicht zählen. Nach dem Initiativwurf dürfen alle „Gäste“ bestellen. Dann kann der Würfel weiterwürfeln oder auch nicht. Und das kann er fast beliebig lange wiederholen oder auch nicht. Der Gag ist nämlich der: Die Gäste bekommen ihre Bestellung in Punkten dann ausgezahlt, wenn die erwürfelte Augensumme quasi für alle reicht. Die Barkeeperin bekommt den etwaigen Rest – das kann hoch sein, wenn die Gäste sich sehr zurückgehalten haben, in der Regel sind es aber eher Brosamen. Reicht die Augensumme aber nicht, bekommt sie der Barkeeper, und die Gäste gehen nicht nur leer aus, sie bekommen Minuspunkte in der Höhe der Bestellung. Gier wird bestraft. Das gilt auch für den Barkeeper: wenn ein Wurf misslingt und keine stehenden Fässer hervorbringt, geht er leer aus und alle Gäste bekommen ihre Bestellung gutgeschrieben.

Das bedeutet, die Barkeeperin möchte möglichst unter dem Gebot der Gäste bleiben. Oder alternativ, wenn er denkt, dass sich die Gäste zurückgehalten haben, ist nur der Sky das Limit. Und leider auch die Fähigkeit, gültige Würfe zu produzieren.

Verschiede Fässer liegen, nur zwei stehen: Eine 6 und eine 7

Should I stay or should I go?

Der entscheidende Impuls, den das Spiel gibt, ist dass sich die Gäste nach dem ersten Wurf des Barkeepers für ihre Bestellung entscheiden müssen. Ist der erste Wurf niedrig hält man sich lieber zurück, falls die Barkeeperin einfach nicht weiterwürfelt. Oder? Wenn sie nicht weiterwürfelt, dann bekommt sie auch nur ihre mickrige Augensumme gutgeschrieben. Ob sie sich damit zufrieden gibt? Wir sind doch alle gierig und bekommen den Hals nicht voll!

Ist der Wurf hoch, können alle aus den Vollen schöpfen Oder? Was ist wenn alle so denken und man doch zu viel bestellt? Andererseits: Vielleicht will der Barkeeper auf Nummer sicher gehen und auf hohe Würfe setzen, damit für ihn eine ordentliche Marge übrig bleibt. Das Spiel belohnt hohe Würfe des Barkeepers und so hat er eigentlich immer ein Interesse noch höher zu würfeln… Wenn da nicht die steigende Gefahr wäre, gar nichts zählbares zu produzieren (Stehende Fässer werden niemals erneut gewürfelt). Außerdem wäre da noch die Kleinigkeit, dass man mit einem hohen Ergebniss potentiell allen anderen viele, viele Punkte schenkt. Und das will ja auch niemand! Also, außer die anderen.

Die Stimmung am Tisch ist ein entsprechendes Konzert aus Hurrah!-Rufen und Zähneknirschen. So wies es sich für ein Zockspiel gehört!

Allerdings haben Fässer  nun einmal nur zwei gültige Seiten. Die Situationen innerhalb einer Partie wiederholen sich daher schnell, wenn auch ggf mit unterschiedlichen Protagonistinnen. Wenn eine Gruppe ständig Minuspunkte kassiert oder nur sehr vorsichtig agiert, dann dauert es eine Weile auf die offiziell nötigen 75 Punkte zu kommen, um das Spiel zu beenden. Auch deswegen ist das Spiel eher was für die Kneipe als für die aus Optimierern bestehende Runde zu Hause. Empfehlenswert ist in diesem Zusammenhang aber die als „Mini-Erweiterung“ deklarierte Variante bei BGG, die noch bestimmte Wetten erlaubt und die keinerlei Extramaterial benötigt.

FOMO muss niemand wegen Barrel Dice haben. Auch deswegen passt es gut ins Playte-Sortiment, es ist eher ein Ergänzungsspiel, eher der Sidekick als der Star. Klein und fein ist es aber allemal. Und Würfeln macht Spaß. Auch in oder mit einer Kneipe.

 

 

 

 

Im Text habe ich zufällig zwischen der männlichen und weiblichen Form abgewechselt, wenn eine Geschlechtsneutrale Formulierung nicht ohne weiteres möglich war.

 

#Spiel23

 

Peer Sylvester
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