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3000 Halunken

Autor: Corey Konieczka

Verlag Unexpected Games/Asmodee

Für 2-4 Spielende ab 12 Jahren

Spieldauer: 60-90 Minuten

Unexpected Games wollen neuartige Spiele machen, was ich als Ansatz sehr großartig finde. Eine mögliche Quelle für neue Ideen können da z.B. Fernsehserien oder Filme sein. Das erste Spiel von Unexpected, The Initiative, scheint irgendwo zwischen Akte X und Stranger Things zu laufen, das zweite, Voices in my head, könnte von einer Gerichtsserie inspiriert sein. Das dritte Spiel, 3000 Halunken, ist auch das erste, dass auf Deutsch lokalisiert wurde. Auch dieses Spiel weckt bei mir starke Erinnerungen an einen Film. Leider ist dieser Film Wild Wild West mit Will Smith und Kevin Kline.

Die offensichtlichste Parallele ist das Setting des Spieles: Wie auch der Film ist das Geschehen nominell im „Wilden Westen“ angesiedelt, was sich auch in den Spielhandlungen niederschlägt: So ist das Spielziel möglichst wertvolle Safes zu stehlen und die Spielhandlungen werden mittels Pokerblatt gesteuert, wobei auch geblufft (und angezweifelt) werden darf. Doch es ist nicht einfach irgendein wilder Westen, oh Nein! Der Film hat eine starke Steam-Punk-Komponente und im Spiel hat ein mysteriöser Zeitreisender moderne Technologien hinterlassen. In beiden Fällen beeinflusst diese (eigentlich recht coole) Komponente den Plot leider in keinster Weise; Während die verrückten Erfindungen im Film zumindest für eine ikonische Ästhetik sorgten, gibt die Zeitreisenden-Backstory den 3000 Halunken so rein gar nichts. Siegpunkte sind halt Tech statt Gold und ein paar der Halunken sind radioaktiv und das war es dann auch. Ich habe den Eindruck, der Zeitreise-Aspekt ist während der Spielentwicklung immer mehr unterm Tisch verschwunden und ist jetzt nur noch in der Hintergrundgeschichte zu finden.

Wäre das Setting die einzige Parallele, würde mich das nicht stören. Aber Wild Wild West ist ein Film, bei dem aus einigen guten Ansätzen ein viel zu langer und weitestgehend unlustiger Film gemacht wurde, auch weil die Ansätze nebeneinander stehen, ohne sich irgendwie zu ergänzen. Dasselbe lässt sich über die beiden Hauptdarsteller sagen.

Die drei Ansätze in 3000 Halunken sind 1) das bereits erwähnt System der Auswahl der Aktion per Pokerkarte, 2) das ebenso erwähnte Stehlen der Safes und 3) das noch gar nicht erwähnte System der Halunken: Eine Hülle und eine Karte werden zu einer Person (und manchmal einem Tier) kombiniert, die zusätzliche Aktionen freischalten. Ein Hauch von Vinci/Small World weht da durch die Westernstadt! Jede Runde kann eine dieser Personen angeworben werden und die z.T. lustigen Kombinationen wie „Brutale Schlosserin“ oder „Liebenswürdiger Bürgermeister“ sorgen für Grinsen am Tisch. Kombinationen aus verschiedenen Karten, die sich gegenseitig verstärken können, auszuknobeln ist immer wieder reizvoll. Originell sicher nicht, aber solide. Die Werbekampagne für das Spiel stellt nicht umsonst diesen Teil heraus: Es ist der Teil, mit der am meisten Zeit verbracht wird und der Teil, der den größten Teil des Spielreizes ausmacht und wo auch gleich klar wird, worin dieser Reiz begründet ist.

Um so merkwürdiger, dass dieser Teil so wenig mit dem Teil verbunden ist, bei dem die Siegpunkte geholt werden: Den Tresoren.

Eigentlich müsste man einen Großteil des Spiel damit verbringen, die Tresore auszuwählen und zu stehlen. Die Spannbreite an Siegpunkten schwankt pro Tresor von potentiell 7 bis 2, das heißt gutes Scouting zahlt sich aus! Sollte man meinen – wer gleich vom Start weg aus die Punkteträchtigen Tresore erwischt, hat das Spiel bereits entschieden Gegen einen 5-Punkte-Vorspung durch bessere Tresore ist kaum ein Anstinken möglich. Mit den Tesoren befassen sich aber bemerkenswert wenig Halunken, insbesondere nicht die, die am Anfang zur Auswahl stehen. So beschäftigt man sich die ganze Zeit mit einer Karten-Engine, deren Zahnräder sich aber in der Luft drehen, statt den Rest des Spieles zu steuern. Noch schlimmer: In den letzten Zügen ist oft kaum noch etwas sinnvolles zu tun, da die lukrativen Tresore bereits vergeben sind. Wer bereits das Optimum gestohlennhat, hat keinen Grund mehr, suboptimale Tresore zu fischen, zumal die Anzahl der Tresore, die man haben darf, streng limitiert ist.  Also beschränkt man sich darauf, Halunken anzuheuern, die einen einzelnen Siegpunkt beisteuern, egal, ob man die braucht oder nicht. Wie der Film ist auch das Spiel länger als die Handlung zu tragen vermag.

Im Film spielt übrigens auch Salma Hayek mit, aber leider in der undankbaren Rolle der „Frau, die auch oft zu sehen ist“. Die Macher des Filmes wussten diese großartige Schauspielerin nicht wirklich in die Handlung des Filmes zu integrieren.

Die Salma Hayek des Spieles ist die Bluffmechanik: Wer eine Aktion durchführen will, spielt eine Karte verdeckt auf den entsprechenden Platz. Die Plätze sind mit Nummer versehen und wer eine Karte mit falscher Nummer auf einem Platz spielt, kann Ruhm verlieren, wenn angezweifelt wird. Ruhm bringt am Ende natürlich Siegpunkte. Das funktioniert, weil man bestimmte Aktionen einfach häufiger durchführen möchte, als man Karten dafür hat. Ich sehe Salma Hayek gerne in jedem Film, aber ich hätte sie schon lieber in einer sinnvolleren Rolle gesehen. Genauso macht dieser Teilmechanismus schon Spaß, hätte ihn nur gerne besser in das restliche Spiel integriert gesehen – denn auch der Ruhm macht den Kohl am Ende nicht Fett, zumal wir in der Regel am Ende immer ziemlich eng beieinander standen; Glückliches Ziehen der Tresore überdeckt auch hier jegliche Bluffgewinne. Zudem bedingt der Mechanismus eigentlich, dass man besser aufpasst, welche Aktionen die anderen so durchführen. Durch die Kombibedingten Kettenzüge und der stetige Strom an Halunken hat man aber mit der restlichen Übersicht genug zu tun.

Ich habe keine Ahnung wie Wild Wild West oder 3000 Halunken entwickelt wurden, aber in meiner Phantasie entsprang der Film der Idee den Ansatz „Smith und Kline-Buddy-Comedy“ mit „Neuauflage einer erfolgreichen und originellen Westernserie“ zu koppeln. Die Kombination funktionierte aber nicht automatisch und weitere Impulse fehlten. Bei 3000 Halunken scheint mir der Safe und Poker-Mechanismus mit den Halunken zu fremdeln. Ob diese beiden Teile getrennt entwickelt und dann kombiniert wurden, weil der eine Teil zu wenig für ein Spiel war, kann ich nur spekulieren. Eine Handvoll Halunken mehr sorgten hier leider nicht für ein El Dorado.

Peer Sylvester
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