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Grüner Wohnen

Heute will ich mal was riskieren: Ich schreibe über ein Thema über das vermutlich noch niemand in der deutschsprachigen Spieleszene öffentlich nachgedacht hat. Und ich möchte hinzufügen: Ich bis vor kurzem auch nicht. Und ja, sicherlich gibt es Sachgebiete in denen ich mich besser auskenne.

Tatsächlich ist „Umweltschutz“ ja nun ein hoffähiges Thema in der öffentlichen Debatte geworden. Und auch wenn es immer noch eine Vielzahl von Leuten gibt, die das ganze Geschrei um Treibhausgase und CO2-Emissionen für übertrieben halten, so sehen doch selbst die härtesten Kritiker zumindest den Sinn einer solchen Debatte ein.

Nach diesem Eröffnungsabsatz runzeln die meisten Leser jetzt mit der Stirn: Umweltschutz und Spiele? Hä? Was haben die miteinander gemein? Nun, sicherlich spielen Spiele eine signifikant kleinere Rolle für den Klimahaushalt als die Automobilindustrie, doch das bedeutet ja nicht, dass sie gar keine Rolle spielen würden. Um das zu erläutern hole ich etwas aus:

Wird ein Spiel im Spielbox-Forum oder sonstwo besprochen geht es meistens um drei Dinge: Die Spielidee, die Materialqualität und das Preis-Leistungs-Verhältnis. Spieler sind anspruchsvoll geworden – Waren in den 80er Jahren Plastikpöppel als Spielmaterial akzeptabel muss es heute schon Holz sein. Oder, wenn Plastik, dann bitteschön in schicker Spritzfigurenform.  Die Materialqualität kommt aber zwangsläufig mit einer Verteuerung des Produktionsprozesses daher. Aber dennoch sollen Spiele möglichst preisgünstig sein. Wird 20€ für ein Packeis am Pol als zu teuer empfunden, bedeutet das nichts anderes, als dass Verlage sich bei der Spieleproduktion darauf konzentrieren müssen möglichst gute Qualität bei niedrigem Preis zu erreichen. Als drittes Kriterium gilt vielleicht noch Zuverlässigkeit bei der Lieferung aber dann wird es schon eng.  Gerade Spritzgußfiguren müssen oft aufwendig und teuer produziert werden und daher werden im Ergebnis Spiele oder Spielmaterialen oft in China hergestellt (amerikanische Verlage nutzen Ostasiatische Produktionstätten allerdings in deutlich größerem Maßstab als deutsche. So werden meines Wissens alle Materialen von amerikanischen Hasbro-Spielen in China gefertigt und in den USA nur noch konfektioniert). Und wenn eine Spieleschachtel um die halbe Welt reisen muss, hat sie natürlich eine ziemlich negative CO2-Bilanz.

Also: Verzicht auf tolle Teile und/oder niedrige Preis und dann Produktion in Deutschland? Ich glaube, mit einer ähnlichen Forderung würde man in der Spieleszene offene Türen einrennen (auch wenn das Einkaufsverhalten dem vermutlich entgegensteht), wenn auch aus anderen Gründen.

Doch damit ist das Thema nicht ausgestanden. Was ist mit dem eigentlichen Material? Wo kommt das eigentlich her? Als vor einigen Jahren einem Zochspiel vorgewurfen wurde die Farben sein bedenklich, denn beim Zerhäckseln und Auflösen der Holzblöcke wären irgendwelche Giftstoffe freigeworden, wurde zu Recht darauf hingewiesen, dass dieses Testergebnis wohl kaum eine Rolle beim „normalem Spielen“ spielen würde. Aber wie ist das mit der Umweltverträglichkeit dieser Farben? Was entsteht bei der Herstellung? Wollen wir das überhaupt wissen? Geht es überhaupt anders?

Das es anders geht, zeigt die amerikanische Firma Kvale Games. Die haben es tatsächlich geschafft ihre bisherigen Drucker und Liferanten durch umweltverträgliche Alternativen zu ersetzen. Jetzt bestehen ihre Spiele aus Recycling-Papier (bzw. Pappe), sie verwenden Farben auf rein pflanzlicher Basis, die Holzteile stammen aus Bäumen von zertifizierten Pflanzungen und werden mit umweltfreundlichen Bleichmittel gebleicht. Die neuen Spiele kommen zudem in Spezialboxen die keinen Tropfen Leim enthalten. Der Kopf von Kvale Games, Tony Kvale, meint „Die Umstellung war nicht einfach, aber wir haben dabei viel gelernt. Und nicht nur wir – auch die Vertreiber unserer Spiele sehen mittlerweile den Sinn in unserer Produktlinie.“ Die höheren Produktionskosten werden ein wenig dadurch ausgeglichen, dass sich Kvale Games genau diese Umweltschutzproblematik auf die Fahnen schreibt. Auch die Spiele selbst befassen sich mit wenigen Ausnamen mit Umweltschutz (Vor allem Quizspiele stehen im Verlagsprogramm) und werden hauptsächlich über Umweltläden und Zoosouvenierlöden verkauft (*).Herkömmliche Spieleverlage müssten bei einem ähnlichen Weg höhere Kosten bei etwas niedrigerer Materialqualität in Kauf nehmen, ohne die Vorteile der Zielgruppenfokussierung zu bekommen. Würde die Spieleszene das annehmen? Oder gäbe es einen Aufschrei man solle doch die grünen Spinnereien lassen und lieber wieder anständige Spiele zu produzieren? Wieviel wäre einem Kunden ein „Umweltfreundliches Spiel“ wert? Und hätten Kleinverlage überhaupt eine Chance den gerade erreichten Qualitätsstatus „umweltbewusst“ zu erhalten? Fragen über Fragen!

Ich verlange nicht dass alle Verlage dem Beispiel von Kvale Games folgen, noch glaube ich, dass eine solche Forderung realistisch wäre. Aber die Thematik einmal anzusprechen wird doch erlaubt sein, oder?

ciao

peer

(*) Kurzer Überblick über das Verlagsprogramm von Kvale. In Europa sind die meisten Spiele über die  französische Firma Bioviva erhältlich. Eventuell kann Kosmos auch weiterhelfen (zumindest meinte Tony Kvale das).

Head1Lines: Ein Bild wird gezeigt und alle schreiben eine geheime möglichst passende Bildunterschrift. Dann werden die Texte in zufälliger Reihenfolge vorgelesen und jeder vergibt einen Punkt für die Unterschrift, die er für die beste hält.

Bioviva: Ein Quizspiel rund um Ökologie. Nach Aussage des Verlages das erfolgreichste Spiel im Verlagsprogramm von Kvale Games.

Operation Survival: Es geht ums Überleben! Die Spieler müssen sich bestimmten Situationen stellen (z.B. Begegnung mit einem Löwen) und dann aus 3 Möglichkeiten die Verhaltensmöglichkeit wählen, bei der sie lebend davonkommen.

Mission-Reihe: Hier gibt es drei Szenarien, die sich vor allem in den Fragen unterscheiden. Die Spieler wählen sich geheim einen Ort aus, den sie erkunden wollen. Sind sie alleine dort müssen sie eine Frage beantworten, um die Punkte einzuheimsen. Sind mehrere Spieler am selben Ort, gibt es einen Wettkampf: Es wird gewürfelt und wer als erstes auf die Karte mit den passenden Symbolen klopft, gewinnt die Chance auf die Karte.

Hinzu kommen noch eine Reihe von Kinder-Lernspielen, die sich mit Natur und Tieren befassen.

Peer Sylvester
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