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Vegetable Stock

Autor: Zong-Hua Yang
Verlag: Good Game Studio
für 2-6 Spieler*innen
ab 7 Jahren
Dauer: 15 Minuten

Als vor gut 10 Jahren Love Letter in der Spielszene für Aufsehen sorgte, entdeckten viele nicht nur Asien als potentielle Region für einfallsreiche und spannende Designs. Es machte sich auch die Erkenntnis breit, dass Minimalismus im Spieldesign eine lobenswerte Stärke sein kann. Nun ist Vegetable Stock kein japanisches Design, dennoch profitiert es sehr davon, dass man kleine Spiele aus dem asiatischen Raum nicht mehr gleich im Vorfeld als belanglos abtut. Denn Vegetable Stock ist ein kleines, geniales Kartenspiel, welches mit geringen Mitteln sehr viel Emotionen zu wecken weiß.

Vegetable Stock ist im Herzen ein Spiel über Aktienspekulationen. Das Wortspiel im Namen („stock“ sind Aktien, „vegetable stock“ ist Gemüsebrühe) deutet es bereits an. Das Beeindruckende am Design ist, dass es den Nervenkitzel der solchen Spekulationen innewohnt so gut einzufangen weiß. Dabei benötigt es keinen verschachtelten Überbau wie es ein Spiel wie Tulip Bubble etwa hat. Weder der Spielverlauf, noch die Entscheidungspunkte benötigen nennenswerte Komplexität, um das Wesen des instabilen Aktienmarkts einzufangen.

Mit Hilfe eines einzelnen Satz an 60 Karten, gelingt es die fluktuierenden Preise für die einzelnen Aktien (Gemüsesorten) abzubilden und diese Änderungen – und das ist der eigentliche Kniff – direkt an die Entscheidungen der Spieler*innen zu koppeln. Aus der Auslage wählen wir unser Aktienpaket und hinterlassen am Ende eine Karte, welche die Preise der abgebildeten Gemüsesorten verändert. Nach sechs kurzen Runden wird die Rendite ausgeschüttet. Je nach Gemüsepreis erhält man Punkte für jedes Stück Gemüse im eigenen Besitz.

Ob der Preis für Mais steigen wird, hängt davon ab, ob irgendjemand allein auf Karotten setzt.

Das alles ist schnell gespielt und dennoch kommt es zum Auf und Ab der Gefühle. Wenn die Gemüsesorte auf die man es angelegt hat, im Preis stabil bleibt, da andere ebenfalls danach gieren, ist die Empörung groß. Wenn die gleiche Gemüsesorte im Preis abstürzt, weil sie zu oft liegen gelassen wurde, ist das Entsetzen umso größer. Schnell fiebert man mit, welche Karte von anderen Spielern genommen oder übrig gelassen wird. Man kalkuliert und spekuliert, wie sich der Preis in der nächsten Runde für die eine oder andere Gemüsesorte entwickeln wird.

Das geschieht mit dem robusten und eingängigen Regelumfang, welches an Kartenspiel-Klassiker wie Kakerlaken Poker oder 6 nimmt! erinnert. Kleine Kartenspiele, die in die Hosentasche passen: schnell erklärt, schnell gespielt und viel dabei gelacht.

Wer über die farbenfrohe Aufmachung hinaus schauen kann, wird sich vielleicht auch darüber amüsieren, dass sich diese Aktiensimulation kaum vom Glücksspielcharakter des Originals in Börsen in Frankfurt, New York oder Tokio unterscheidet. Geld existiert nur am Ende und auch nur, um zu schauen wer gewonnen hat. Die Prognosen und Theorien welche Aktie nach oben und welche nach unten gehen wird, sind oft allein von Aberglaube, Chutzpe und realitätsfremden Theorien gestützt. Aber zumindest am Spieltisch bildet man sich nichts darauf ein mehr Geld gemacht zu haben als andere.

Vegetable Stock ist ein kleines, minimalistisches Design. Obwohl sämtliche Regeln auf eine Spielkarte passen, fehlt es weder an mehr Einflussnahme noch an ausgeklügelten Experten-Varianten. Vegetable Stock ist die Essenz eines Aktienspekulationsspiels und darum grandios.

Georgios Panagiotidis
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