Autor: Julius Guan
Verlag: Ming-Yi Design
Für 3-5 Personen ab 8 Jahren
Spieldauer: 20-45 Minuten (eher 20-30 Minuten)
Ich gebe zu: Dies war ein Rezensionsexemplar, dass ich letztes Jahr in Essen bekommen habe. Und ich habe es bekommen, weil ich den Titel falsch gelesen hatte („Trick“ statt „Cheat“) und vom cover her ein Rennspiel erwartete. Oder vom Titel her ein Stichspiel. Ich weiß nicht mehr, was ich erwartet habe. Auch egal, was ich erwartet habe, war es sowieso nicht. Was es stattdessen war, sollte mir einige Zeit verschlossen bleiben, denn aus unerfindlichen Gründen tat ich mich mit der Regel recht schwer: War es das unruhige, wilde Layout ohne klare Struktur? War es, dass ein mechanischer Überblick fiel, so dass mich die thematischen Begriffe wie Triage eher ablenkten. Oder ich war zu doof. Keine Ahnung.
Dabei hilft das Thema eigentlich beim Verständnis: Man möchte seine Patienten möglichst in die gut ausgestatteten Krankenhäuser unterbekommen, denn dort gibt es mehr Punkte. Allerdings sind die Krankenhäuser (nicht ganz unrealistisch) ziemlich ausgebucht und da ist Schlange stehen angesagt (ebenfalls nicht ganz unrealistisch)! Theoretisch ist das alles recht logisch: Schwerere Fälle kommen nach vorne in die Schlange und verdrängen leichtere nach hinten. Wird die Schlange zu lang, rutschen Patienten in die nächstschwächere Klinik ab. Nur beim Hausarzt dürfen beliebig viele Leute anstehen. Auch das kennt man. Kommt es nun zur Wertung (eben jene „Triage“), werden die vordersten Patienten reingelassen (und punkten). Der Hausarzt behandelt die schwereren Fälle aber nicht selbst, sondern verschiebt diese, ausgestattet mit einem kleinen Punkte-Trostpflaster wieder nach oben. Da die Schlangen schnell voll werden, lohnt sich das Hausarztprinzip also oft. Fast so als wäre Karl Lauterbach für das Spiel verantwortlich
gewesen.
Bis zu diesem Punkt Treat or Cheat wohlgeordnet und logisch. Es gäbe aber wenig Trickserei jenseits von „Hausarzt“ und „gleich in die richtige Schlange stellen“. Daher gibt es noch zwei Kniffe: Zum einen gibt es recht viele „Angehörige“ im Deck. Die sind nicht krank. Öffnet Onkel Doktor die Türe, dann kommen die mit Patienten desselben Spielenden ins Krankenhaus und bringen so Bonuspunkte. Ansonsten stehen die mit in der Schlange und verlängern sie do.
Außerdem kann man noch viermal Personen verdeckt in die Schlange stellen und sich so vordrängeln. Das bringt aber nur unmittelbar etwas, wenn nämlich die Schlange zu lang wird und so Karten ins nächste Gebäude runtergestuft werden. Bei der Sprechstunde selbst ist der Vorteil dann ausgebraucht – der Doktor runzelt ab solchem Verhaltens väterlich die Stirn und stellt alle dort in die Schlange, wo sie hingehören.
Diese beiden Regeln scheinen klar (deshalb habe ich sie auch so ausführlich beschrieben), sind aber in der Praxis seltsam hakelig. Insbesondere was Timingfragen betrifft: Werden Patienten-Verwandten-Paare wieder getrennt? Wann wird nochmal sortiert? Und wann nicht? Bisweilen fühlt es sich an, als hätte Cole Wehrle Karl Lauterbach bei der Entwicklung geholfen.
Treat or Cheat ist ein Spiel, bei dem man Karten in eine Reihe spielt, damit man selbst in der Reihe möglichst weit vorne steht, wenn es zu einer Wertung kommt. Da werden Erinnerungen an Guillotine, Beasty Bar oder Saashis In Front of Elevators wach. Allerdings sind jene Spiele alle sehr viel klarer in ihrer Struktur: Es ist nun einmal eine Schlange, die Karten sind geordnet, das umordnen ist ein aggressiver Akt gegenüber den anderen und in ihrer Wirkung unmittelbar sichtbar. Treat or Cheat fehlt dieses Element; das Einordnen in die Schlange ist nur ein erster Schritt. Was nach mehreren Umordnungswertungen passiert, ist kaum abzuschätzen. Dadurch ist das Spiel aber in erster Linie harmloser als die vorgenannten: Wenn eine verschobene Karte am Ende doch punktet, vielleivht nicht einmal weniger, ist der emotionale Impact eher gering. Wo sonst eine Wertung verschwindet, eine tolle Karte weg ist, gibt es hier eine leichte Wertminderung. Vielleicht. Das Salz was in der Suppe fehlt, kann man auch nicht in die Wunde legen oder so, denn die Handlungsmöglichkeiten sind beschränkt. Das sind sie zwar auch bei den oben genannten, vergleichbaren Spielen, aber dort sorgen Ärger- und Chaosfaktor für den nötigen Verve. Weder Taktische noch Ärgermöglichkeiten sind bestechend.
Bleibt das Thema. Die Problematik der Triage und der Personalmangel in Krankenhäusern ist es durchaus wert verspielt zu werden. Ob Treat or Cheat eine politische Aussage machen wollte? Ich denke nicht, am Ende kommen die meisten Patienten schon irgendwie unter – das Fehlen einer Chefarztbehandlung oder von Heerscharen der Mischpoke im Behandlungszimmer ist das, was punktetechnisch die Partie entscheidet und das ist für eine scharfe Satire etwas wenig. Auch hier wünscht man sich eine Infusion mit guter, alter Natriumchloridlösung.
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