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Top Ten

Verlag: Cocktail Games
Autor: Aurélien Picolet
Für 4-9 Spielende ab 12 Jahren
Dauer: 30 Minuten

Popmusik hat oft den Ruf seichte, belanglose Massenware zu sein. Das hat zugegeben auch damit zu tun, dass viel Popmusik recht einfallsloses Abkupfern anderer, beliebterer Stücke ist. Aber auch im Überangebot der Popmusik gibt es immer wieder sorgfältige Kompositionen, die durch Einfallsreichtum überzeugen und in ihrer Eingängigkeit viel Handwerk verstecken. Partyspiele lassen sich darum auch gut mit Popmusik vergleichen. Auch ihnen haftet der Ruf an seichte Massenware zu sein, die ihre Anspruchslosigkeit mit bunten Farben und „lustigen“ Sprüchen kaschieren. Aber auch unter den Partyspielen gibt es vereinzelt gute Handwerkskunst. Designs in denen vertraute Konzepte und Ideen auf interessante Weise verwoben werden und so zu überraschen und zu unterhalten wissen.

Top Ten, von Aurélien Picolet, basiert auf einer einfachen Idee. Der “Käpten” muss lediglich die Antworten der Mitspieler*innen in aufsteigender Reihenfolge sortieren. Es wird eine oft recht amüsant klingende Frage vorgelesen und dann reihum eine Antwort dazu gegeben. Die vorgelesene Frage gibt umgehend eine Bandbreite vor in der sich die Antworten bewegen müssen. Zum Beispiel kann es darum gehen eine Bratwurstsoße zu benennen. Irgendwo zwischen ungenießbar und deliziös. Eine zufällig zugeteilte Karte weist einem einen Zahlenwert zu, der zeigen soll wo auf dieser Skala sich die eigene Antwort befinden sollte.

Die erste kluge Designentscheidung in Top Ten lautet, dass es ein kooperatives Spiel ist. Damit wird der Rahmen zwischen den Spielenden anders gezogen und umgeht die Gefahr spitzfindige Antworten oder besonders kreative Regeldehnungen zu entlocken. Ein Punkt, der auch so manche Codenames-Schachtel in die dunkelste Ecke des Spielschranks verbannt hat, bis Codenames Duett diesen Knick ausbügeln konnte.

Das Geschehen auf dem Tisch ist kein Vergleich zu dem in den Köpfen der Spielgruppe

Der viel wirksamere Designkniff hingegen findet sich in einer besonders unauffälligen Regel. Man kennt lediglich den eigenen Rang und kann damit nur über die eigene Antwort mit Sicherheit sagen, wo sie einzuordnen ist. Das hat zur Folge, dass nicht nur der Käpten eine interessante Aufgabe zu lösen hat, wenn es darum geht die Antworten zu sortieren.. Stattdessen sind alle am Tisch beteiligt, wenn es darum geht die eigene Antwort ins Verhältnis zu den bisherigen Antworten zu setzen. Muss ich die Antwort ‚französischer Dijon-Senf‘ mit meiner “7” nun überbieten oder unterbieten? Und wie sähe das überhaupt aus?

Top Ten wird auf der Spielschachtel als Partyspiel bezeichnet. Das ist nicht zuletzt deshalb zutreffend, da die Beteiligung aller eingefordert wird und nicht Runde für Runde nur einer oder eine im Mittelpunkt steht. Es ist kein Spiel für Menschen, die im Brettspiel einen Rückzugsort vor der Aufmerksamkeit anderer suchen.

Es ist eine Gemeinschaftserfahrung in der man schon mal auf Kommando eine Antwort aus dem Hut zaubern muss. Ein gewisses Mindestmaß an Einfallsreichtum, Schlagfertigkeit oder Kreativität macht das Spiel flüssig und unterhaltsam. Gleichermaßen kann es sich schnell zäh und behäbig spielen, wenn man es zu verkopft angeht. Von der hohen Wahrscheinlichkeit, dass dieses mentale Über-das-Ziel-hinausschießen oft nach hinten losgeht, ganz zu schweigen. Ob diese Hürde des einen-Haarbreit-aus-sich-herausgehen nun schwerer oder leichter wiegt als etwa die Notwendigkeit in anderen Spielen Wahrscheinlichkeiten abzuwägen, Entscheidungen anderer zu antizipieren oder verschiedene Handlungsketten zu optimieren, muss man wohl für sich selbst beantworten.

Top Ten überzeugt durch seine einfache Zugänglichkeit, seine unterhaltsame Schreibe auf den Fragekarten und der Gelegenheit die eigene Spielrunde mit ungewollt witzigen Ideen zum Prusten zu bringen. Wem das alles nicht reicht, um ein Spiel zu loben oder zu empfehlen. der mag vermutlich einfach keine gut gemachte Popmusik.

Georgios Panagiotidis
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