Autor: Denis Saydashev
Verlag: Hobby World
Für 2-4 Spielende ab 8 Jahren
Spieldauer: 30 Minuten
„Oh Nein, nicht der Drache, bitte, bitte!“ – Ja, das kennt man aus Dungeonspielen. In diesem Fall aber war es eine Tochter, die nicht wollte, dass die andere Tochter ihr eine gezogene Drachenkarte in den Weg legt. Dann hätte sie nämlich einen anderen, sehr viel kürzeren Weg nehmen müssen, auf dem dann keine Schätze zu finden waren.
Tales of Tails hat zwar das Setting eines Dungeon Crawlers, doch das täuscht: Es ist ein Legespiel verknüpft mit einem Cant Stop– Mechanismus. Gelegt wird ein Dungeon. Nicht stoppen kann man, weil man hofft, mehr Schätze einsammeln zu können, wenn mehr Karten angelegt wurden. Und scheitern tut man, weil die anderen auch Wege anlegen und so unter Umständen die lukrativen Wege mit Drachen versperren.
Drei Durchgänge werden gespielt, jeweils wird ein Dungeon gebaut: Reihum immer eine Karte anlegen oder werten. Wer letzteres tut, muss einen Weg aus dem Dungeon finden, der nicht zu viele Schritte verbraucht, der nicht durch zu viele Monster führt, die man nicht besiegen kann und der dennoh an möglichst vielen Schätzen vorbeiführt. Besiegte Monster geben zudem einen Bonus für spätere Dungeons – viele gute Gründe, etwas zu warten, bis die die Sachlage feststeht. Nur: Jeder Weg kann nur einmal genommen werden. Ein Raum nur einmal betreten werden – egal von wem. Daher will man nicht zu spät kommen! Wie schon Gorbatchov sagte: Wer zu spät kommt, den frisst der Wurm!
Tales of Tails hat eine Menge Charme. Ich muss gestehen, kein Hundetyp zu sein, aber dass alle Helden Hunde sind, und Namen wie „Joan of Bark“ tragen ist schon witzig. Die Graphik ist niedlich, ohne kindlich zu sein. Die Hoffnung, noch einen dringend benötigten Schlüssel zu finden oder die Monstersorte zu ziehen, die einem Bonuspunkte beschert und der Ärger, wenn jemand anderen den Lieblingsweg mit einer nervigen Falle versperrt sorgen für Emotionen. Tales of Tails hat alles, was ein kleines, nettes Spiel mitbringen sollte!

Allerdings wirkt es auch an allen Stellen etwas zu kurz. Die Dungeonbesuche sind eher Stippvisiten und führen gerade in den ersten Runde häufiger ohne echten Zwischenstopp von Ein- zum Ausgang. Wer geht, schaltet einen Timer für die anderen an und wenn jemand die Dungeons blitzt, bleibt auch für die anderen nicht viel zu holen. Richtige Kettenzüge oder Kombos sind fehl am Platze. Das ist für ein Cant-Stop-Spiel völlig in Ordnung, aber das Scheitern, ist hier selten wirklich schlimm. Meistens holt man lediglich ein paar Punkte weniger. Epische Besuche sind Fehlanzeige. Zudem abstrahieren einige regeltechnische Feinheiten das Geschehen weiter – wann man aufgenommene Dinge nutzen kann, muss jedes Mal neu nachgeschlagen werden. Das würde mich in einem Eurogame nicht allzu sehr tangieren, in einem lustigen Zwischendurchspiel, wirkt es deplatziert.
Doch vor allem ist der Spannungsbogen nicht lang genug angelegt. Bully Herbig würde kritisieren, dass das Timing des Witzes nicht stimmt: Wenn man sich gegenseitig ärgern möchte oder wenn man sich auch nur selber eine Grube graben will, braucht es Zeit, um eine gewisse Fallhöhe aufzubauen; erst wenn man kommen sieht, was man bekommen könnte bzw. was man gehabt hätte, wäre man schneller/geduldiger gewesen, ärgert man sich. Erst dann ist die Spannung in den Zügen so hoch, dass man mitfiebert. Ohne lockende Karotte oder drohendem Stock ist das emotionale Investment deutlich geringer. Can´t Stop – Spiele leben davon, dass es keine richtige Entscheidung gibt: Entweder ist man zu gierig oder zu vorsichtig. Dazwischen muss ein sichtbarer Abstand sein, man muss wissen, dass man -mal wieder!- die falsche Entscheidung getroffen hat. Diese Momente sind in Tales of Tails leider zu selten, die Züge der einzelnen Spielenden sind zu ähnlich. Und wer aufhören muss, weil der Timer abgelaufen ist, hat halt auch keine fatale Entscheidung getroffen, sondern schlimmstenfalls nicht das optimale Plättchen vom Stapel gezogen. Das ist zufällig, aber leider nicht zuverlässig spannend.
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