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Sock Monsters

Verlag: Lifestyle Boardgames (deutsche, veränderte Version bei Asmodee als Sockenmonster)
Autor: Liesbeth Bos und Anja Dreier-Bruckner
Grafik: Irina Pechenkina, Anastasia Durova
Spielerzahl: 2-4
Alter: ab 6 Jahren
Dauer: 15-20 Minuten

Nachtrag (19.04.2021) In der für den deutschen Markt lokalisierten Fassung des Spiels wurden wohl einige Elemente des Spiels entfernt. Darunter auch das schrittweise Einführen neuer Regeln und Komponenten. Leider geht dem Spielreiz so viel verloren. Diese Kritik bezieht sich auf die von Lifestyle Boardgames zur Verfügung gestellte Version des Spiels.

Wenn man lange genug Filme gesehen hat, fallen einem großartigen Filme nicht deshalb auf, weil sie so schön sind; sondern weil sie so gut gemacht sind. Es ist das Handwerkliche selbst, weshalb ein Film so gut funktioniert. Sock Monsters ist ein Kinderspiel von Liesbeth Bos und Anja Dreier-Bruckner, mit Illustrationen von Irina Pechenkina.

Darin spielt man eifrige Hauselfen bzw. Heinzelwesen, die durch das Haus einer unbescholtenen und ungesehenen Familie streifen, um dort Sockenpaare einzusammeln. Die titelgebenden Sockenmonster schnappen sich gelegentlich unsortierte Socken von Spielenden, um diese unter dem Bett zu verstecken. Wie diese Beschreibung schon vermuten lässt, zielt das Spiel vor allem auf Kinder und ihre Familien. Die Aufmachung ist farbenfroh und trotz der wichtigen Rolle, die die Monster unter dem Bett einnehmen, ist alles sehr freundlich, lustig und einladend aufgemacht.

Ulkige Grafiken sind in solchen Spielen oft schon die halbe Miete. Die Kinder sind amüsiert und können mit dem Material herumspielen. Ich kann bestätigen, dass nach den ersten Partien auch bei uns wilde Geschichten über die Figuren, ihre Erlebnisse und ihr Aufeinandertreffen mit den Sockenmonstern erzählt und nachgestellt wurden. Das liegt jedoch weniger an Grafik und Präsentation des Spiels, sondern am makellosen Design, welches ihnen zu Grunde liegt.

Jede Runde erforschen die Spielenden das Spielbrett in dem sie die Plättchen aufdecken, auf denen sie ihren Zug beenden. Landen sie auf den richtigen, dürfen sie Socken aus dem Beutel ziehen. Dabei kann man im Vorfeld die Monster nutzen, um u.a. Informationen über einzelne, verdeckte Plättchen zu sammeln. Man kann die Monster aber auch einsetzen, um noch unsortierte Socken von Mitspielenden zu stibitzen. Kinder werden damit mit einer der wichtigsten Entscheidungen in Spielen konfrontiert: ärgere ich andere, um einen Vorteil zu gewinnen – auch wenn Schwester, Bruder oder Papa dann weinen – oder hole ich mir geheime Informationen und wahre die gute Laune am Tisch? Eine Frage, die immer dringender wird, je näher das Spielende rückt.

Viele Elemente von Sock Monsters sind mit einem starken Glückselement angereichert. So werden die Bodenplättchen zum Spielbeginn zufällig verteilt. Man zieht Socken aus einem Beutel in der Hoffnung irgendwann ein Paar zusammenstellen zu können. Auch die Aktionen der Monster hängen vom Würfel darunter ab. Wie ein umgedrehter Würfelbecher schiebt man sie über die Spielfläche. Sobald man eine Abgrenzung überschreitet wird, dreht sich der Würfel darin auf eine andere Seite. Es ist eine Kleinigkeit, ein Gimmick fast, aber symptomatisch dafür wie durchdacht und wohlüberlegt das gesamte Spiel ist.

Socken sammeln gibt den Spielenden eine klare Aufgabe vor. Der Rundenablauf umreißt dabei die nötigen Schritte, um die Aufgabe zu erfüllen. Durch das Spielen sammelt man das nötige Wissen, um kluge und vernünftige Entscheidungen zu fällen. Alles das ist zugänglich präsentiert und in etwa 20 Minuten zu Ende. Nicht zu lang um die Aufmerksamkeitsspanne der Kinder zu überfordern, oder die Geduld der Eltern zu strapazieren.

Die größte Überraschung mit der Sock Monsters aufwartet, beeindruckt vielleicht nur Vielspielende, die mit Pandemic Legacy oder My City genau einen Mechanismus verbinden. In der unscheinbaren Schachtel steckt eine Umsetzung des Legacy-Konzepts, welche so praktikabel, pragmatisch und verspielt ist, wie kaum ein anderes.

In der Spielverpackung, welches ein Ein-Familien-Haus darstellt, befinden sich weitere Schachteln, die einzelne Zimmer repräsentieren. Nach einigen Partien darf man sie nacheinander betreten und – ohne Spoiler – neues Spielmaterial und neue Spielregeln nutzen. Dabei sind diese Änderungen an das Spiel in diesem Raum gebunden. Das heißt, hat man sich daran satt gespielt, kann man den Raum und seine neuen Regeln hinter sich lassen und zu den Grundregeln zurückkehren.

So bleibt Sock Monsters auch in seiner 14. Partie noch angenehm schlank und einfach spielbar. Es verbraucht sich auch nicht, sondern hält am Ende des Regelhefts sogar Vorschläge bereit, wie man die unterschiedlichen Regelkomponenten kombinieren kann, wenn man das möchte. Es wirkt als wären sämtliche Entscheidungen bei der Spielentwicklung mit Hinblick darauf getroffen worden, wie das Spiel tatsächlich gespielt und genutzt wird.

Monsterpolonaise im Hausflur

Statt einer disjunkten Erzählung, die in Stößen und Schüben vorgelesen wird, ist die Geschichte des Spiels das was man spielt und erlebt. Es sind Hauselfen, die Socken sammeln und versuchen Monstern aus dem Weg zu gehen. Mehr ist es nicht und mehr braucht es nicht. Dafür wird im Laufe der Partien viel ausprobiert und geklebt. Diese unterhaltsame Spielerfahrung reicht meist aus, um die Vorstellungskraft anzukurbeln. Schon bald erzählt man am Tisch von den Abenteuern und Hobbies der Hauselfen und ihrer Suche nach Sockenpaaren.

Die handwerkliche Leistung in Sock Monsters ist ein Genuss, der sich nicht vor vermeintlich großen Namen verstecken braucht. Viele hängen der Überzeugung an, dass ein großartiges Spiel originell und innovativ sein muss. Aber das ist ein Irrtum. Ein großartiges Spiel lädt zum Spielen ein, weil sich jemand die Mühe gemacht hat, sich um die tatsächlichen Bedürfnisse und Erlebnisse der Spielenden zu kümmern.

Sock Monsters ist ein großartiges Spiel.

Georgios Panagiotidis
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