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My City

Verlag: Kosmos
Autoren: Reiner Knizia
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 10 Jahren
Dauer: 30 Minuten

Eine gute Geschichte verdient sich ihr Lob vor allem durch ein gelungenes Ende. Man vergleiche etwa das Finale von Star Trek – Das Nächste Jahrhundert mit dem Ende von Game of Thrones. Eine dieser Serien hat noch immer eine leidenschaftliche Anhängerschaft, während die andere nach einem mehr als nur ernüchternden Ende kaum noch namentlich genannt wird. Für Spiele galt der gleiche Ansatz lange Zeit nicht. Der Ausgang eines guten Spiels ändert nichts an seiner hohen Qualität. Es war schließlich der Weg und nicht das Ziel, das in Erinnerung blieb. Mit der Einkehr des Legacy-Konzepts und seinen langfristigen Veränderungen an Spielablauf und -materials wird diese bequeme Trennung zwischen guten Geschichten und guten Spielen aufgeweicht. Das wird nirgends so deutlich wie in My City von Reiner Knizia, erschienen bei Kosmos. Ein gutes Spiel welches durch seinen Abschluss leider nur in mittelmäßiger Erinnerung bleibt.

Den richtigen Ort für ein Gebäude zu finden ist überraschend unterhaltsam

Die Stärken des Spiels jedoch zuerst. Wie von Knizia gewohnt hat man es hier mit einem sehr eingängigen Spielmechanismus zu tun. Zufällig bestimmte Plättchen werden auf die Landschaft des eigenen Spielbretts gelegt. Am Ende des Spiels möchte man möglichst viel davon bedeckt haben und so Minuspunkte vermeiden. Dabei müssen Plättchen angrenzend an bereits Platzierte gelegt werden. Ausgewählte Merkmale der Landschaft dürfen nicht überdeckt werden, andere bringen Bonuspunkte wenn sie am Ende frei liegen. Das ist sowohl durch die Regeln, wie auch durch die grafische Aufmachung klar kommuniziert. So knobelt man von Beginn an munter vor sich hin, dreht seine Plättchen mal so und mal anders und erfreut sich daran wenn man ganz geschickt wieder Minuspunkte verdeckt hat. Das spielt sich so schnell und flüssig, wie man es nur von den altbekannten Roll‘n‘Writes kennt. Nur das hier weder geschrieben, gekritzelt oder am Ende ein Zettel weggeworfen werden muss.

Aber in der Schachtel befinden sich neben den Spielbrettern, Plättchen und Karten noch acht Umschläge, welche von Kapiteln sprechen. So als verstecke sich hinter diesem netten, eingängigen Spiel noch eine Geschichte, die es zu erkunden gilt. Das ist das Legacy-Element mit dem die Schachtel lockt, wenn sie von Einzigartigkeit spricht und es ist leider auch der Grund weshalb das Spiel am Ende so ein unbefriedigendes Gefühl zurücklässt.

Dabei beginnt alles so vielversprechend und mit der Sorgfalt, die man von einem Knizia-Spiel gewohnt ist. Nach jeder Partie der Kampagne werden die Spielregeln ganz kleinschrittig erweitert. Ein Aufkleber hier, eine veränderte Punktewertung dort. Obwohl die Regeldichte mit der Zeit zunimmt, verliert das Spiel nie seinen klaren Fokus. Zumindest in der ersten Hälfte der Kampagne. Mit dem fünften Umschlag beginnt die anfängliche Klarheit der ersten Runden einer Vielzahl abweichender Punkteanreize zu weichen. Doch an Stelle eines höheren Anspruchs oder ungewöhnlicher Spielansätze, häuft My City lediglich Zielsetzungen an. Dadurch wird die stimmige Präzision des anfänglichen Spiels verwässert und kann in manchen Momenten in desorientierende Beliebigkeit umschlagen. My Citys Legacy-Kampagne verliert zum Ende schlicht an Schwung. Da kann auch die Freude über immer mehr und größere Aufkleber nicht viel richten. Schlimmer noch, das Ende entzaubert viel von der Spielfreude, die einen anfangs noch mitzureißen wusste.

Wie bei vielen TV-Serien sollte man eher mittendrin aufhören, statt alles sehen zu wollen

Seitdem die Kampagne bei uns abgeschlossen wurde, steht das Spiel unberührt und auch unbeachtet im Schrank. Der anfängliche Enthusiasmus ist verflogen und auch die Aussicht mit der Rückseite des Spielbretts weiter zu spielen lockt niemanden an den Tisch. Dort befindet sich das vollmundig umschriebene „ewige Spiel“, welches von den Legacy-Effekten gänzlich unberührt bleibt. Eine Handvoll der Regelergänzungen aus der ersten Hälfte der Kampagne sind hier bereits in das Spiel integriert. Etwas entlarvend ist jedoch, dass sich keine Regel aus der zweiten Hälfte hier finden lässt.

My City funktioniert am Besten, wenn man es als nahen Verwandten des Roll‘n‘Write (oder auch Flip‘n‘Write, Mix‘n‘Match, Scratch‘n‘Sniff oder was für bedepperte Begriffe hier noch erfunden werden) versteht. Es ist eine eingängige und unterhaltsame Knobelei, die sich flüssig runterspielt ohne dabei zu langweilen. Gerade auch durch die selbst gesetzten Aufkleber gewinnt jedes Spielbrett bald einen subtil anderen Charakter. Das ist charmant und es ist auch sehr reizvoll. Aber es war vielleicht ein Fehler diese feinen Unterschiede als Einzigartigkeit auf der Spieleschachtel anzupreisen. So werden Erwartungen geweckt, die das Spiel kaum leisten kann. Vielleicht war es auch ein Fehler die im Spiel entwickelten Veränderungen unbedingt auf 24 Partien auszubauen. So mündet das wunderbar spielbare Tutorial der ersten 12 Partien bald in eine eher belanglose Ansammlung austauschbarer Ideen.

In einem Spiel ist es natürlich der Weg und nicht das Ziel, der nachwirkt und uns das Gefühl gibt ein gutes Spiel gespielt zu haben. Aber leider verirrt sich My City auf dem Weg zu seinem Ziel und lässt einen mit einem teilnahmslosen Schulterzucken zurück.

Georgios Panagiotidis
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