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Seedrachen

Autoren: Yaniv Kahana, Simone Luciani, Pini Shekhter

Verlag: Wonderbow Games

Für 2-5 Spielende ab 8 Jahren (zu fünft dominiert die Endwertung zu stark)

Spieldauer: 30-45 Minuten

Manche Kurzzusammenfassungen sind einfach zu schön, um sie nicht zu machen: Seedrachen ist Blokus mit Siegpunkten.

Das Dumme ist nur: So passend dieses Bild auch auf den ersten Blick sein mag, es ist leider absoluter Blödsinn.

Dass die Kurzzusammenfassung erstnal naheliegt, liegt an den oberflächlichen Gemeinsamkeiten: Man legt (Drachen-) Pentominos in eine gemeinsame Auslage, darf dabei aber nicht an sich selbst angrenzen und versucht doch irgendwie noch möglichst große Teile auszulegen. Und ja, es gibt Siegpunkte – sowohl am Ende als auch während des Spieles (letztere in Form von Geld, das man auch für bestimmte Dinge einsetzen kann).

Dass die Kurzzusammenfassung in die Irre führt, liegt nun an allem anderen. Blokus ist ein Spiel ohne Zufallsfaktor, bei denen lediglich die Spielweise der anderen am Tisch, das eigene Durchplanen verhindern. Es ist zudem ein recht aggressives Spiel, denn passiv gewinnt man bei Blokus keinen Blumentopf.

Bei Seedrachen geht es gemächlicher zu, schon alleine, weil ein Abklemmen von Mitspielenden nicht möglich ist: Man darf prinzipiell an ALLE fremden Drachen anlegen (nur eben nicht an die eigenen). Natürlich wird der Platz irgendwann eng und die letzten Drachen wollen noch irgendwie reingewurschtelt werden, aber bis dahin sind alle eher mit Punkteoptimierung beschäftigt.

Zudem gibt es keinen festen Satz an Pentominos wie bei Blokus, den es loszuwerden gilt. Vielmehr spielt man eine Karte mit der Form, die man zu platzieren gedenkt. Die Karten werden partiell zufällig gezogen und so ist die Denktiefe gering.

Ohne die beiden definitiven Eigenschaften von Blokus ist das Spielgefühl überraschenderweise auch nicht das von Blokus. Wovon dann?

Seedrachen ist ein typischer Vertreter der Legespiele: Es gibt verschiedene, sich zum Teil wiedersprechende, Punktequellen zu balancieren. Man möchte Mehrheiten bilden, aber auch gleichzeitig vertreten sein. Man möchte flächig bauen, aber auch Leerstellen lassen. Man möchte bestimmte Felder abdecken, aber nicht benachbart zu anderen legen, weil diese dann ein paar Punkte bekommen. Dabei ist die Anzahl an Möglichkeiten pro Zug begrenzt: Begrenzt durch die Karten (und damit möglichen Formen) auf der Hand und begrenzt in den Orten, wo man legen darf (durch Sperrfelder, eigene Drachen und die „Nur benachbart zu jemand anderen“-Regel). Hätten alle ein eigenes Brett, statt einer gemeinsamen Auslage, wäre das Spielgefühl, dass eines Roll&Writes.

Der wichtigste Punkt bei der Betrachtung von Seedrachen ist aber: Es gibt Siegpunkte. Bei Blokus sieht man sofort wer gewonnen hat und der Überlebenskampf am Ende überdeckt alle anderen Überlegungen. Bei Seedrachen gibt es eine Endwertung, insbesondere werden in allen Quadranten Mehrheiten bestimmt. Da diese Wertung überdimensional stark ist, bestimmen Berechnungen die letzten Züge: Komme ich da noch rein? Will ich dort noch etwas riskieren? Da es die Möglichkeit gibt, dass jemand verdeckte Drachen gewonnen hat, kann man zwar nicht vor Ende bestimmen, wie man steht, aber man kann durchaus bestimmen, wo man überhaupt Chancen hat. Und muss das auch tun. Leider ist das nicht besonders interessant, denn wo man am Anfang große Drachen parken kann, die viele Wertungen auf einmal erschlagen, ist man am Ende froh, überhaupt noch etwas ohne größere Verluste einzwängen zu können. Dadurch fühlt sich der Spannungsbogen unrund an: Während das platzieren und knobeln am Anfang viel Freude bereitet, wird das Verhältnis zwischen Grübelaufwand und Ertrag immer schlechter. Anfangs holt man sich Punkte, am Ende ist gar manchmal passen die beste Option, will man den anderen nicht mehr Punkte schenken. Das Ende kommt daher später als wünschenswert wäre. Dabei müsste es doch eigentlich spannender gegen Ende werden! Bei mehr Personen am Tisch, ist dieser Effekt besonders groß, da naturgemäß mehr Lücken gefüllt werden, bis man an der Reihe ist.

Doch ähnliches gilt für die Optik: Eigentlich ist die super, es ist eines der schönsten Spiele der letzten Messe gewesen. Doch leider sind gerade die dreidimensionalen Spielfiguren sehr unruhig auf dem Spielplan und erschweren so die Übersicht mehr als dass sie helfen würden.

Bei jeder Partie Seedrachen, war ich in der ersten Hälfte der Partie immer sehr angetan, ja überrascht, dass ich das Spiel nicht besser in Erinnerung hatte. Das liegt daran, dass man hier viele Optionen vorfindet und damit viele Entscheidungen treffen und Knobelaufgaben lösen kann. Im Laufe der Partie nehmen die Optionen stetig ab. Am Ende gibt es kaum noch Optionen, die aber schwerer zu finden sind und weniger Punkte abwerfen und sich somit weniger toll anfühlen. Da wo Blokus spannend wird, verflacht Seedrachen leider zusehends. Noch so ein großer Unterschied.

Peer Sylvester
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