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Redwood

Autor: Christophe Raimbault

Verlag: Sit Down / Huch

Für 1-4 Personen ab 10 Jahren

Spieldauer: 45-60 Minuten (zu viert, wenn man nicht im Team spielt, eher 90 Minuten)

Im Jahre 2005 erschienen zufällig gleich zwei Rennspiele, in denen die Spielenden Pappstücke wählen mussten, welche die zurückgelegte Strecke symbolisierten: Zauber Stauber und Drachenreiter. Bei beiden galt es nach Augenmaß abzuschätzen, welche Kurve einem näher zum Ziel bringt, ohne irgendwo anzustoßen. Zumindest Zauber Stauber wurde sehr positiv aufgenommen – das Prinzip ist intuitiv, das Schätzen überraschend schwierig und das Ergebnis oft witzig.

Doch ein kleines Funfact zu der Sache: 2005 ist – man mag es kaum glauben – fast zwanzig Jahre her. Und beiden Spiele war nicht so der Dauererfolg vergönnt. Hatte das bei Drachenreiter wohl vor allem produktionstechnische Gründe, könnte das Problem bei Zauber Stauber darin gelegen haben, dass die Aufgabe etwas zu simpel war: Man wusste, wo man hinwollte und schaffte es entweder oder eben nicht. Selten verfuhr man sich so stark, dass es wirklich lustig wurde, der Comedyfaktor war nicht so hoch, wie es das Spiel versprach.

Das änderte sich vor allem mit X-Wing, bei dem der Mechanismus eben nur ein einzelner Mechanismus ist, der in ein größeres Ganzes – einem Star Wars Tabletop-Spiel – integriert ist. Plötzlich konnten ganz andere Dinge passieren, wenn man sich verschätzte, plötzlich war der Mechanismus kein Selbstzweck mehr.

Redwood benutzt nun ebenfalls diesen Mechanismus und hat aus der Spielgeschichte die richtigen Schlüsse gezogen: Auch wenn der Mechanismus zweifelsfrei eine zentrale Rolle spielt, ist die Wahl des richtigen Wege-Plättchens nicht die einzige Entscheidung im Spiel.

Wo die vorgenannten Rennspiele oder Tabletop waren, ist Redwood ein waschechtes Eurogame: Verschiedene Wertungsmöglichkeiten locken und verschiedene Mali wollen vermieden werden. Der Schablonen-Mechanismus dient dabei gleich an zwei Stellen als Motor: Zum einen wird die Figur damit über das Brett bewegt, zum anderen wird von der Position der Figur aus bestimmt, was gewertet wird: Alles, was die Schablone abdeckt, kommt „auf das Foto“, ergo in die Wertung. Die Blickrichtung gibt dabei noch vor, welche Karte als Wertungsgrundlage dient. Karten und Wertungen geben dabei durchaus einige mögliche taktische Optionen vor. Dabei bleiben die sinnvollen Optionen überschaubar – Kombos à la Mischwald, sind hier bestenfalls im geringen Maße möglich, Redwood ist ein Familienspiel. Was natürlich auch absolut in Ordnung ist.

Redwood setzt ganz unumwunden auf einen gewissen Spielzeugfaktor (Auswählen und Verwenden der Schablonen). Ähnlich wie bei Treasure Island will hier das Spiel auch explizit als Objekt genutzt werden. Das ist reizvoll. Allerdings ist Redwood doch im Handling mit deutlich mehr Admin und Fummelei verbunden als Treasure Island, zudem ist das Thema „Naturfotografie“ zwar schlüssig und erlaubt grafische Highlights, aber kommt aber eben auch weniger aufregend daher,  als die natürliche Narrative einer Schatzsuche. „Fotografieren“ bedeutet am Spieltisch eben im wesentlichen „Werten“, Redwood schafft es daher nicht diesen „Das ist möglich???“-Effekt eines Treasure Islands (oder auch eines Captain Sonars) zu erzeugen, sondern ist im Kern ein Siegpunktpuzzle mit originellem Kernmechanismus; Man merkt, dass es ein eher klassisches Spiel mit Wertungsblock und vielen Punktekategorien ist. Der Weg ist ungewöhnlich, das Ziel ist es nicht. Was aber auch absolut in Ordnung ist.

Allerdings: Wie bei vielen modernen Euros ist auch hier die Interaktion auf dem Spielbrett eher zufällig. Und weil eben die Wertungen im Vordergrund stehen, kann sich das Prüfen der tatsächlichen Optionen nach dem Wählen der Scheiben etwas dauern. Daher empfiehlt sogar die Spielregel zu viert nur im Team zu spielen, wo die Teampartner gleichzeitig ihre Schablonen wählen (wie das praktisch funktioniert, muss die Spielgruppe übrigens selbst ausklambüsern. Es gibt aber zugegebenermaßen schwierigere Aufgaben im Leben).

Ein  Nebeneffekt des Eurogame-fokusses: Durch das Wertungsoptimieren merkt man gar nicht, dass der Schablonenmechanismus hier gar nicht als Grundlage für Gelächter und Humor dient – er ist ein origineller Mechanismus zur Aktionsauswahl mit eingebautem Unsicherheitsfaktor. Was aber ebenfalls absolut in Ordnung ist.

Peer Sylvester
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