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Red Outpost

Verlag: Lifestyle Boardgames
Autor: Raman Hryhoryk
Spieleranzahl: 2-4 (auch solo in manchen Versionen)
Alter: ab 10 Jahren
Spieldauer: 30-60 Minuten

Red Outpost ist kein Spiel, das Spaß macht. Das soll nicht heißen, dass man mit Red Outpost keinen Spaß haben kann. Aber die Emotionen, die der Spielverlauf vorwiegend auslöst sind Missgunst, Neid und Gehässigkeit. Wer zum Typ Mensch gehört, der Schadenfreude als die schönste Freude empfindet, der wird hier ein Spiel finden, in dem man durch geschicktes Taktieren sich genau dieser Glückseligkeit hingeben kann.

Dabei ist diese Eigenschaft von Red Outpost kein zufälliges Ergebnis des Designs. Ein Großteil der Spielentscheidungen ist stark davon geprägt wem man schaden kann und bei wem man sich für einen vorherigen Spielzug revanchieren will. Diese Anreize machen sich schnell bemerkbar, so dass man schon nach wenigen Zügen die Spielsituation danach analysiert, wie man auf Kosten anderer Gewinn schlagen kann.

Vor dem Hintergrund einer sowjetisch anmutenden Weltraum-Kolonie schickt man Facharbeiter*innen an unterschiedliche Orte auf dem Spielplan, um so die dazugehörigen Aktionen auszuführen. Dieser Aktionswahl-Mechanismus (im Fachjargon „worker placement“ genannt) wird dahingehend verfeinert, dass auch Siegpunkte daran gekoppelt werden. Nach der Hälfte der Spieldauer und zu Spielende wird geprüft wer welche Fachkraft am häufigsten in Anspruch genommen hat und erhält oder verliert die mit ihr verbundenen Siegpunkte.

Dieser Wert verändert sich je nachdem in welchem Bereich die Figur eingesetzt wurde und kann dabei zwischen +4 und -2 schwanken. Je nachdem ob die Fachkraft an den richtigen Orten eingesetzt oder zu den „falschen“ Orten bewegt wurde.

Durch den engmaschigen Spielablauf kommt es aber häufig vor, dass sowohl die Figur, die man bewegen möchte als auch die Orte, die man nutzen möchte, nicht verfügbar sind. Dann muss man sich entscheiden, ob man eine Figur nutzen will, die Punktabzüge verspricht oder eventuell einen Ort nutzt, der jemand anderem Punktvorteile verschafft. Man kann sich schaden oder anderen zu Punkten verhelfen.

Drei glückliche Arbeiter und ein verärgerter Fischer

Sobald man diese Standardsituation des Spiels erkannt hat, beginnt man anders zu spielen. Man plant solche Situationen entweder voraus, um sich an der Zwickmühle anderer zur erfreuen; oder spielt darauf hin die Errungenschaften anderer möglichst gering zu halten, indem man Figuren auf Aktionen zieht, die Abzüge bringen.

Dieses ist die erste, negative Feedback-Schlaufe, die sich durch das Spiel zieht. Da die Angst vor Punkteverlust immer präsent ist, wählt man Figuren nicht allein nach ihrer Nützlichkeit, sondern auch danach, ob man sich womöglich für spätere Punkteverluste angreifbar macht.

Die zweite Feedback-Schleife des Spiels arbeitet ebenfalls mit negativen Emotionen. Hier geht es darum Ressourcen-Würfel zu produzieren, welche in einen allgemeinen Pool kommen. Hat die Zahl der Würfel dort eine bestimmte Summe erreicht oder überschritten, werden sie entfernt und Siegpunkte vergeben. Diese gehen jedoch nur an die Person, die dafür gesorgt hat die richtige Anzahl an Ressourcen zu überschreiten, alle anderen gehen leer aus.

Sobald man auch diese Standardsituation verstanden hat, versucht man andere die Vorarbeit machen zu lassen, damit man als Zünglein an der Waage die Siegpunkte kassieren kann. Das negative Feedback verspüren jene, die zwar Ressourcen produziert haben, aber am Gewinn nicht teilhaben dürfen. So wie die Fabrikarbeiter, die andere Wirtschaftsspiele bewusst ausblenden und deren Rolle Spielende in Red Outpost einnehmen dürfen.

Darum macht es weniger Spaß Red Outpost zu spielen, als sich am Unwohlsein der anderen zu erfreuen. Insbesondere wenn die eigenen Pläne zur Lage führten, über die sie sich ärgern. Um dieses Zusammenspiel zwischen den eigenen Entscheidungen und den Zwickmühlen der anderen zu ermöglichen, muss der Spielablauf streng reglementiert werden. Hier gerät Red Outpost ins Straucheln. Der Rundenablauf wie auch die Schritte, die es mit jeder Aktion auszuführen gilt, müssen exakt ausgeführt werden, um genau zu den Zwängen zu führen, unter denen Spielende zu unserer Unterhaltung leiden.

Die Übersichtlichkeit hält sich in Grenzen

Damit unterscheidet sich Red Outpost natürlich nur unwesentlich von anderen Spielen, die ebenfalls Regeln und Einschränkungen nutzen, um interessante Entscheidungen einzufordern. Hier jedoch spielen Design, Präsentation und Material nicht so gut zusammen, dass es einfach fällt sich an die Regeln zu erinnern und diese einzuhalten. Selbst kleine Fehler führen dazu, dass dem Spiel viel Druck verloren geht und damit auch die Spaßquellen deutlich schrumpfen.

Über dieser Kombination aus Schadenfreude und penibler Regeleinhaltung prangt der Anspruch auf satirische Art den Kommunismus zum Spiel zu machen. Das Wort Satire sollte man hier jedoch eher als vage Geste verstehen und nicht als zutreffende Beschreibung dessen was das Spiel tut. So wie The Big Bang Theory nicht als Satire auf Nerds und ihre Marotten verstanden werden sollte, sondern als gehässiges und nicht selten misogynes Zerrbild von Menschen, die einem bestimmten Männlichkeitsideal nicht entsprechen.

Glücklicherweise ist Red Outpost nicht ganz so stumpfsinnig. Zugegeben, die satirische Aufbereitung des Kommunismus bewegt sich auf dem Niveau eines Tom & Jerry Cartoons, aber auch dieser wusste mich zu gewissen Zeiten zu unterhalten. Selbst wenn ich nicht viel über Haustiere oder ihr Zusammenleben gelernt habe. Ähnlich verhält es sich mit Red Outpost. Über den Kommunismus, seine Fehler oder Probleme, kann Red Outpost herzlich wenig sagen. Bestenfalls gelingt es dem Spiel eben diese Facetten wirtschaftlichen Schaffens greifbar zu machen, die bei Brass Birmingham klugerweise ignoriert wurden. Unter anderem weil sie eben ausdrücklich keinen Spaß machen. Dumm nur, dass jenes Spiel vom anderen Wirtschaftssystem handelte, das mit „K“ anfängt.

So ist Red Outpost eine verwirrende Mischung. Das Spielerlebnis ist zu sehr in seinen negativen Feedback-Schleifen gefangen, um bei mir gerne auf den Tisch gebracht zu werden. Mechanisch stecken reizvolle Ideen und Konzepte im Spiel, die Lust darauf machen Pläne zu schmieden. Aber das Gegeneinander verschiebt das Spiel von einer interessanten, zu einer gewöhnlichen Grübelei. Da hilft es auch nicht, dass die vielen Ecken und Kanten des Designs einem flüssigen Knobelspaß im Weg stehen. Immer wieder muss man sich fragen, ob man alle Marker bewegt und alle Einschränkungen berücksichtigt hat, bevor man seinen Zug für abgeschlossen erklärt. Selbst der satirische Ton des Spiels trübt den Eindruck, statt ihn aufzuwerten, da er zu unpräzise bleibt, um die unterschiedlichen Facetten des Spiels zu einem homogenen Ganzen zusammenzubringen.

Theoretisch macht Red Outpost Spaß, wenn man der Typ dafür ist und bereit ist, die Hürden des gelegentlich sperrigen Regeldesigns in Kauf zu nehmen. Aber theoretisch dient der Kapitalismus auch der Allgemeinheit und nicht nur einer kleinen Elite, die von der Arbeit anderer lebt.

Georgios Panagiotidis
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