Autoren: Matthew Dunstan, Dave Neale
Illustrator*innen: ann&seb, Vincent Dutrait, Looky, Julien Rico
Verlag: Space Cowboys
für 2 – 6 Spieler*innen
ab 12 Jahren
Dauer: 90-120 Minuten pro Fall
Krimispiele sind das Candy Crush unter den Brettspielen. Obwohl sie von einer großen Zahl an Spieler*innen oft und gerne gespielt werden, haben sie in der Szene eher den Status nebenher zu existieren. Niemand spricht Krimispielen ihren Status als Spiele ab. Aber wer fast nur Krimispiele und Deduktionsspiele ähnlicher Art spielt, zählt sich eher selten zur Gruppe der Brettspieler*innen. Dabei ist es gar nicht nötig Brass Birmingham, Dune Imperium oder ein Arche Nova zu kennen, um Brettspieler*in zu sein. Es reicht auch sich an Spielen wie Perspectives zu erfreuen.
Perspectives ist ein kooperatives Krimispiel, bei dem man mit Hilfe großer illustrierter Handkarten versucht einen Kriminalfall zu rekonstruieren und ihn so zu lösen. Diese Lösung wird dabei über Fragen am Ende einer Partie geprüft. Hat man die richtige Antwort parat, wenn man gefragt wird wo sich eine verloren geglaubte Handtasche befindet? Je mehr dieser Fragen man richtig beantworten kann, umso besser hat man den Fall gelöst. Wer sich hier an die kleine, clevere Kartenspiel-Reihe „Sherlock“ erinnert fühlt, liegt nicht ganz falsch.
Aber während die Fälle in Sherlock vor allem über Texte, Dialoge und nur gelegentlich über Bilder Hinweise boten, findet man in Perspectives fast alle spielrelevanten Informationen auf Bildern, die Spieler*innen auf der Hand halten. Man darf sich jederzeit über die Bilder austauschen, aber nur in bestimmten Ausnahmefällen, darf man eine Karte zeigen. Das Ergebnis ist ein oft sehr redseliges Spielerlebnis in dem wir uns Bilder beschreiben, nach Details auf den Karten anderer Spieler*innen fragen und gemeinsam Theorien entwickeln wie Dinge vielleicht zusammenhängen könnten.
Der Grund weshalb das gut funktioniert, und eben nicht in ein penibles Nacherzählen sämtlicher Kleinigkeiten auf den eigenen Karten abdriftet, hat nicht zuletzt damit zu tun, dass hier auf Zeichnungen gesetzt wird. Gutes Spieldesign fußt darauf, dass Spieler*innen immer Zugriff auf die Informationen haben, die sie für ihre Entscheidungen benötigen. In „richtigen“ Brettspielen liegt diese Information zum Teil auf dem Spielbrett aus, zum Teil in den Einschränkungen und Bedingungen, die durch die Regeln vorgegeben werden und zuletzt auch in den Möglichkeiten, die im Rahmen des Spiels, z.B. durch Aktionskarten, möglich sind.
Das gleiche Prinzip findet auch in Krimispielen Anwendung. Mehr noch, da solche Spiele davon leben, dass man Zusammenhänge erkennt und aus dem Wissen, welches man angesammelt hat, neue Schlußfolgerungen ziehen muss; steht und fällt das Spielerlebnis damit wie gut und eindeutig die Informationen sind.
Statt auf realistische Fotos setzt Perspectives auf Zeichnungen von Personen, Gegenständen und Situationen. Denn eine Zeichnung muss sich auf die markantesten Eigenschaften einer Person, die deutlichsten Merkmale eines Gegenstandes und auch die wichtigsten Aspekte einer Situation konzentrieren, um zu vermitteln was man auf dem Bild erkennen soll. Die talentierten Illustratorinnen in Perspectives leisten damit einen Teil der Designarbeit. Auf jeder Karte müssen spielrelevante Informationen erkennbar sein, aber auch genug falsche Fährten vorhanden sein, um die Lösung des Falls nicht zu einfach zu machen. Darauf wurde in Perspectives sichtlich geachtet und so fügt sich das Spielerlebnis nahtlos zu einer gemeinsamen Aufklärung von Kriminalfällen zusammen. Mit Hilfe der Fragen oder Äußerungen unserer Mitspieler*innen lenken die Illustrationen unseren Blick immer auf die wichtigen Details im Bild und damit auch die wichtigen Informationen für den Fall. Das ist klug, geschickt und schlicht gute Designarbeit.
Perspectives muss darum weder getrennt von „typischen Brettspielen“ betrachtet werden, noch als ungewöhnlicher Vertreter seines Genres gesehen werden. Es ist ein gut designetes Brettspiel. Knobelei wird hier mit Zusammenarbeit kombiniert und bietet drei Fälle lang abendfüllende Unterhaltung.
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