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Patchwork (Spiel und App)

Verlag: Lookout Spiele (Spiel) bzw. Digidiced (App)
Autor: Uwe Rosenberg
Spieleranzahl: 2
Alter: ab 8 Jahre
Spieldauer: ca. 15-20 Minuten (mit der App auch schneller)
Die App wurde auf einem iPad 2 gespielt.

Eines der absoluten Pflichtspiele letztes Jahr war Patchwork. Jeder Vielspieler oder Rezensent oder vielspielender Rezensent musste das Spiel einfach ausprobieren. Ein Zweier von Rosenberg, der durch Einfachheit besticht! Ein Spiel, das wie eine Erinnerung scheint, an die Prä-Agricola-Zeiten, als Rosenberg noch für einfache Spiele wie Bohnanza oder Wir sind schwanger stand. Und überhaupt: Ein kleines Zweipersonenspiel, dass auch in der berühmten Kosmos-Zweierreihe hätte erscheinen können, wenn es die noch gäbe. Wen interessiert das nicht?

Nun. Ähm. Tja. Mich?
Das liegt aber ganz einfach daran, dass ich kaum Zweipersonenspiele spiele. Und damit blende ich die auf meinem Radar einfach aus. Erst mit der digitalen Version kam das Interesse und auch die Möglichkeit auf, Patchwork zu spielen. Tja, und das habe ich dann auch getan. Ja, so war das damals, vorvorvorletzte Woche oder so!

Primär geht es beim Spiel darum sein Quadratraster möglichst lückenlos auszufüllen. Dazu stehen von Tetris inspirierte Bauteile zur Verfügung und zwar immer genau drei. Die Größe und Form sind dabei höchst unterschiedlich, aber was das Einpassen nicht-trivial werden lässt sind die beiden Währungen im Spiel: Knöpfe und Zeit. Praktisch jedes Bauteil kostet beides. Knöpfe bekomme ich regelmäßig für Knöpfe, die auf bereits verbauten Teilen zu sehen sind (pro Teil 0-3, meistens 0 oder 1) und zusätzlich – gerade am Anfang – für das Passen. Wer nicht genügend Knöpfe besitzt, um eines der drei Teile zu nutzen, muss passen und das ist meistens ärgerlich (außer es war eingeplant). Für die Zeitkosten geht man auf einer Zeitleiste vor und wie seit Jenseits von Theben üblich, ist immer der hinten liegende Spieler an der Reihe. Der kann also auch mehrfach dran sein, wenn er sich mit Bauteilen begnügt, die wenig Zeit kosten. Außerdem treiben zeitaufwendige Bauteile das Spielende voran, denn ist das Ende der Zeitleiste erreicht, wird abgerechnet – Löcher zählen doppeltes Minus, Knöpfe Plus. Es gibt noch ein paar Feinheiten, aber davon ist nur eine für die Rezension wichtig: Es liegen immer drei Bauteile zur Auswahl, aber in einer festen Reihenfolge. Wählt man da ein hinten liegendes, werden die anderen aus dem Spiel geräumt. So kann man auch ganz gezielt Teile rausschmeißen, die man dem Gegner nicht gönnt.
Tatsächlich spielt sich das Spiel flott, ist aber deutlich eher taktisch als strategisch. Der Pfiff des Spieles ist einzuschätzen, welche Teile ihren Preis in der jetzigen Situation wert sind. Es geht nicht nur darum, dass die auf den Flickenteppich passen! Viel wichtiger ist oft, die Knopfgeldkasse und der Rhythmus: Teil A passt besser, würde aber erlauben, dass der andere gleich 2 oder 3 gute Teile bekommt. Teil B hinterlässt dem anderen Bauteile, die er sich nicht leisten kann, würde mich aber ruinieren. Oder soll ich Teil C nehmen, dass unglaublich viel Zeit verschlingt, mir aber gleich drei Knöpfe beschwert? Dieses Abwägen macht Spaß, ist aber natürlich ein rein abstraktes Vergnügen. Das sollte aber nicht stören – Patchwork ist gerade für eine Partie zwischendurch genau richtig. Es gefällt sogar meiner siebenjährigen Tochter, auch wenn ihr noch die taktischen Feinheiten fehlen und sie sich daher auf den Puzzleaspekt konzentriert. Und damit verliert man nun einmal eigentlich immer – gerade die Zeit muss beachtet werden, sonst hat man zwar ein schön passendes Konstrukt, aber bei Spielende nur eine halbfertige Decke.

Die App setzt das Spiel visuell gut um. Das ist nicht einfach, denn immerhin wollen zwei Decken, die Zeitleiste, das Bargeld (also die Knöpfe) und alle aktuellen und zukünftigen Bauteile angezeigt werden. Nur bei letzterem fehlt eine Anzeige der Bauteile auf dem Bildschirm, an dem man konkret die Bauteile anbaut. Manchmal hätte ich schon gern gewusst, ob es überhaupt noch ein Bauteil gibt, dass ich in eine entstehende Lücke hätte setzen können. Die Bedienung ist absolut in Ordnung und auch das Tutorial gelungen – ich habe das Spiel damit gelernt, ohne eine Regel zu benötigen. So soll es ja auch sein. (Update: OK, ich habe die Option übersehen, sich die Teile ansehen zu können – die gibt es also doch. Um so besser)
Neben dem Match per Internet oder gegen einen Gegner am selben Gerät gibt es auch eine dreistufige KI. Tja und hier ist jetzt Zeit für meine Matchbilanz: Ich habe meine erste Partie gegen die dümmste KI verloren (weil ich mich auf passende Teile konzentriert habe und nicht auf den Preis und die Zeit geachtet habe) und dann die folgende Revanche haushoch gewonnen. Es folgten zwei Siege gegen die mittlere KI und ein Matchverhältnis von 12:1 gegen die stärkste. Zugegeben, da sind ein paar sehr knappe Partien dabei. Und zugegeben ich bin das German Wunderkind des Patchworks. Aber dennoch ist da noch einiges an Luft nach oben, was den Schwierigkeitsgrad betrifft.
Meiner Meinung nach ist der Hauptunterschied zwischen den verschiedenen KI-Stufen das Einpuzzlen der Teile. Ich weiß es nicht, aber ich habe den Verdacht, dass die KI nicht in die Zukunft schaut. Die Reihenfolge, in der die Teile an der Reihe sind ist bekannt – man weiß halt nur nicht, welche Teile der Gegner nimmt. Theoretisch lassen sich aber eine Menge Überlegungen anstellen, denn zumindest in den nächsten 2-4 Zügen lässt sich gut abschätzen, welche Bauteile der Gegner überhaupt kaufen kann – die anderen scheiden aus, weil er nicht genügend Knöpfe hat oder weil so viel Zeit verbraucht wird, dass man selbst den Rest abräumen kann. Für jedes Bauteil ließe sich die zukünftige Position auf der Zeitleiste bestimmen und entsprechend kann man so eine optimale Reihenfolge ausrechnen – mit beliebiger Zugtiefe. Ein Mensch kann das kaum, da der Baum bald zu verästelt wird und weil Vischy Anand sicherlich in naher Zukunbft kein Patchwork spielen wird. Außerdem ist Patchwork ein kleines Spiel, da habe ich auch keine Lust mit diesen Überlegungen anzufangen – ich will es schnell mal so runterspielen. Eine KI könnte dies aber tun und wäre sehr viel stärker als jeder Mensch. Nun würde es mir nun auch kein Vergnügen bereiten, ständig nur zu verlieren, aber hier wurde m.E. schon ein bisschen Potential verschenkt, den Schwierigkeitsgrad anzupassen.
Doch auch so ist Patchwork ein netter Zeitvertreib. Ob als App oder als reales Brettspiel – der ihm anhaftende Ruf ist wohlverdient!

Peer Sylvester
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