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Oh Captain

Oh Captain!

Verlag: Ludonaute/Asmodee
Autor: Florian Sirieix
Spieleranzahl: 3-6
Alter: ab 8 Jahre
Spieldauer: 20 Minuten

Oh Captain! ist ein Konzeptspiel. Insofern werde ich jetzt in erster Linie über das dahinterliegende Konzept sprechen. Aber man erfährt durchaus noch was über das Spiel – keine Angst!

Das Konzept hinter Oh Captain! ist die Idee, eine Geschichte über eine Reihe von Spielen zu erzählen. Oh Captain! ist dabei der erste von geplanten sechs Bänden, der zweite (Nomaden) erscheint dann in Essen. Bei Oh Captain! sind die Protagonisten (die von den Spielern gespielt werden) auf einer Insel gestrandet, im nächsten Band machen sie sich auf, das Land zu überqueren.

Das Konzept finde ich erst einmal witzig, zumal die Idee vorsieht, am Ende eine schöne Spielesammlung mit sehr unterschiedlichen Spielen zu haben. Dies ist kein „Legacy“, die Spiele haben (soweit abzusehen) nur die Charaktere und den groben „roten Faden“ sowie die tolle Grafik gemein.

Natürlich ist es etwas schwierig eine derartige Geschichte zu erzählen, ohne im Spiel wirklich narrative Moment zu haben und das merkt man auch bei Oh Captain! – Es gibt eine Hintergrundgeschichte (6 DIN A6-Seiten), aber wer liest die schon, um ein an Coup-angelehntes Bluffspiel zu spielen? Bleibt das Setting. Aber das ist ok, denke ich, denn die Geschichte ist eher ein Gag und rein optional.

Es ist auch nicht das erste Mal, dass so etwas versucht wird – Get Bit (auch ein Bluffspiel im weitesten Sinne, allerdings mechanisch eher an Hols der Geier angelehnt), bekam diverse Sequels und Prequels, welche die Geschichte weiterspinnen, mechanisch aber meines Wissens weitestgehend identisch waren. Da ist mir die „Spielesammlung-Idee“ deutlich lieber. Immerhin ist dies auch eine Möglichkeit, Wenigspieler in das Hobby hineinzuziehen.

Damit das klappt wurde das Spiel herrlich überproduziert: Mit wirklich edlen Karten, einer Flaschenpost für den Captain, sehr edlen Karten und einer ziemlich übergroßen Schachtel (das liegt aber wohl daran, dass alle Spiele hinterher dasselbe Format haben sollen und spätere Spiele vermutlich mehr Material brauchen).

Was auch stimmen muss, ist das Spiel selbst und da hat man ein bisschen das Gefühl, die Spielidee ist etwas zu klein für die Schachtel, für das Material, für das ganze Konzept.

Zur Klarstellung: Ich habe gar nichts dagegen auch kleine Spiele mal zu überproduzieren. Aber hier habe ich das Gefühl, die Idee der Serie ist besser als die Spielidee selbst. Oh Captain! ist ein Bluffspiel, bei dem die Spieler eine Karte ziehen und versuchen diese dem Captain zu verkaufen. Ähnlich wie bei Coup behaupten sie dazu irgendetwas, was die Karte machen würde. Will der Captain die Karte nicht selber nutzen (und er nutzt, was die Karte wirklich ist, nicht was gesagt wurde), darf der Zugspieler die Karte nutzen – als dass was er gesagt hat, was die Karte wäre (was gelogen sein kann). Da immer jemand anderes das Ziel der Karte ist, kann dieser wieder Einspruch erheben und erst dann wird geguckt und natürlich gibt es eine Belohnung/Strafe für richtiges/falsches Anzweifeln. Bis auf die Sonderrolle des Captains (der keine Karten zieht und die man übernehmen kann, wenn man reicher ist als der Captain) hat man das schon häufiger gesehen. Es funktioniert so ganz ordentlich, macht auch so ganz ordentlich Spaß, aber ist sicherlich weder das originellste Spiel dieses Genres, noch sticht es irgendwie aus der Gruppe der Bluffspiele hervor. Insbesondere ist das recht ähnliche Coup deutlich gradliniger (die mehreren Ebenen sorgen auch mal für Verwirrung) und Oh Captain! wirkt gerne etwas beliebig. Viel Einfluss auf das Geschehen hat man jedenfalls nicht – aber gut, dass ist bei vielen Bluffspielen so.

Man kann darüber streiten, ob man einem kleinen, lockeren Zwischendurchspiel einen Gefallen tut, wenn man es überproduziert für 30€ verkauft, statt etwa als kleines Kartenspiel für einen Zehner. Für beide Ansätze gibt es Argumente. In diesem Fall aber erschlägt das Konzept das Spiel vielleicht schon fast. Wäre dies der dritte oder vierte Band der Serie gewesen, könnte man sagen „OK, passt schon irgendwie“. Aber als Einstieg macht Oh Captain! nicht genügend Lust auf mehr. Oh Captain! gibt mir das Gefühl, das Konzept der Serie war zuerst da und die Autoren haben etwas verzweifelt versucht ein passendes Spiel auf die Beine zu stellen. Das wäre schlecht, denn eine Reihe ganz netter Spiele mit etwas Rahmenhandlung braucht kein Mensch. Und das wiedrum wäre schade – ich mag das Konzept. Ich werde mir den zweiten Band daher auch genau ansehen. Ist der besser und origineller und passen da Verpackung und Inhalt besser zueinander, werde ich auch Oh Captain! positiver gegenüberstehen. Das Gesamtkunstwerk kann auch überzeugen, wenn einige Teile besser sind als andere. Aber die Teile sollten für sich genommen eben auch mehr bieten als eine gute Idee.

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Peer Sylvester
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