Autor: Daniel Greiner
Verlag: Ravensburger
Für 1-4 Spielende ab 9 Jahren
Spieldauer: 45 Minuten (eher 40-60)
Deckbau ist prinzipiell kein ganz einfach zu erfassender Mechanismus; Es ist doch etwas abstrakt sich Karten zu kaufen, mit denen man schneller andere Karten kaufen kann, mit denen man sich dann wieder andere Karten kaufen kann, die man zum Gewinnen benötigt. Dominion war daher eher ein Kenner- denn ein Familienspiel des Jahres.
Für die breitere Akzeptanz hilft es dabei ungemein, wenn das gebaute Deck kein reiner Selbstzweck ist, sondern Geschehnisse auf einem Brett steuert. Aber selbst dann ist es nicht trivial spätere Bedürfnisse zu antizipieren: Kauft man mehrere Karten vom Typ A, damit auch ja welche davon gezogen werden, wenn man sie braucht, besteht die Gefahr, dass man irgendwann zu viele davon zieht und die plötzlich wichtigeren Karten vom Typ B nicht mehr auf die Hand bekommt. Das Deck ist dann nicht ausbalanciert. Was für Vielspielende gerade den Reiz ausmacht ist für Wenigspielende oft weniger eindeutig und potentieller Frustfaktor. Selbst Knizias wirklich gelungenes El Dorado ist in dieser Hinsicht eine potentielle Hürde, gerade was „casual Play“ betrifft.
Mycelia will jetzt den Deckbau salonfähig machen. Dabei umgeht sie das Problem auf elegante Weise durch einige clevere Designentscheidungen. Die offensichtlichste: Neu gekaufte Karten kommen nicht mehr -wie sonst bei fast allen Deckbauspielen – auf den Ablagestapel, sondern direkt oben auf den Nachziehstapel. Intuitiv ist sofort jedem klar: Die gekauften Karten kann ich nächste Runde sofort nutzen! Dadurch wird die nötige Deckbaustrategie stark verkürzt – statt antizipieren zu müssen, wie mir Karten vielleicht irgendwann einmal helfen können, kann ich jetzt kaufen was ich jetzt brauche – und werde dann schon sehen, was ich später davon eventuell habe. Das funktioniert bereits in der ersten Partie.
Zusätzlich hilft, dass sich die Entscheidungen am Brett leicht erfassen lassen: Alle spielen auf ihrem eigenen Tableau und es geht nur darum Hustenpastillen – Verzeihung! – „Tautropfen“ zu entfernen. Entweder direkt per Karteneffekt oder durch das Bewegen zum Ausgang- Verzeihung! – zum „Schrein“ natürlich. Schrein. Was auch sonst. Viel Raum zur Strategie gibt es da nicht, man bewegt die halt dahin, wo sie gut abgeräumt werden können. Und auch absolute Deckbau-Anfänger wissen, dass wenn sie eine Karte im Deckbau haben, die das Abräumen von roten Feldern erlaubt, es nicht ganz dumm ist, Tropfen auf diese roten Felder zu schieben. Pädagogisch gesehen könnte man kaum ein besseres Spiel designen, um absoluten Deckbau-Neulingen das Deckbauen beizubringen! Die Effekte sind klar in ihrer Wirkung, die benötigte Planungstiefe flach. Auch war es eine gute Idee die interessanteren aber etwas komplizierteren „Erweiterungskarten“ erst einmal auszusortieren. Nach einer Partie mit den Basiskarten, weiß man nicht nur wie das Spiel (und das Spielprinzip) in der Praxis so funktioniert, sondern auch, warum die neuen Karten das Spiel interessanter machen werden. Das weckt Neugierde auf die zweite Partie und bringt auch Anfänger dazu sich die neuen Karten anzugucken und sich darüber auszutauscheb: „Oh cool, die kann das !“
Das Mycelia sich nicht an Vielspielende richtet wird auch am Thema erkennbar. Das kommt trotz des Pilzvokabulars als Fantasy daher, allerdings die „Mir sind die Buntstifte in die Zuckerwatte gefallen“-Art von Fantasy. Das ist vielleicht einen Ticken zu Kinderzimmer geraten für ein Spiel, dass ab neun Jahren gedacht ist und eher der Startpunkt einer Beschäftigung mit tieferen Deckbauspielen wie eben Dominion ermöglichen könnte. Die Gefahr besteht, dass spieleinteressierte an der Schachtel vorbeigehen, weil es auch wegen des (eigentlich überflüssigem) Gimmick-Schreines, doch etwas zu sehr nach Lotti Karotti und zu wenig nach Erwachsenenkompatiblem Spiel aussieht. Kindern unter Neun Jahren könnte die Angelegenheit aber zu abstrakt sein, die märchenhafte Pilzwelt lebt nur auf den Graphiken.
Auch ist es gerade aufgrund der intendierten Eingangsstufe unverständlich, warum nicht mehr Karten explizit in der regel erklärt werden. Die Ikonographie ist nicht immer ganz so eindeutig, wie die Regelredaktion meinte; gerade Regelunerfahrende werden nicht immer gleich erschließen können, was das Weglassen eines Pflichtsymbols impliziert.
Doch auch mit dieser kleinen Hürde ist Mycelia ein gelungener Türöffner für ein ganzes Genre. Ich würde sogar sagen, es ist das erste mir bekannte Deckbauspiel, dass sich offensichtlich den Schwierigkeiten des Genres für Wenigspielende bewusst ist und aktiv versucht diese Klippen zu umschiffen und dadurch ein schönes Familienspielerlebnis zu ermöglichen. Wenn sich dabei Vielspielende schnell unterfordert fühlen: Geschenkt.
#Spiel23
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