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Mission ISS – Manage the Station

Verlag: Schmidt Spiele
Autor: Michael Luu
Spielerzahl: 1 – 4
Alter: ab 12 Jahren
Dauer: 90 Minuten

Das deutsche Brettspiel hat ein schwieriges Verhältnis zum sogenannten „Spielthema“. Als sich das German board game Mitte der 90er Jahre international einen Namen machte, hatte das Thema im Spiel eine klar definierte Rolle. Hintergrund und Setting des Spiels war als ästhetische Geste oder als verkaufsfördernde Verkleidung des Regelwerks zu verstehen. Das Thema engte das Spiel höchstens in der Wahl der Spielsteinfarben ein. Gelegentlich diente es der Illustratorin als Inspirationsquelle für stimmungsvolle Zeichnungen. Die Eurogames, die später daraus erwuchsen, litten noch lange am Ruf im Kern ähnlich seelenlose Würfelschieber zu sein. Immer noch wird die alte Kamelle ausgegraben, dass einem uninspirierten Spiel sein Thema lieblos aufgesetzt wurde. Dabei zeigt dieser Vorwurf vor allem, dass es noch immer ein grundlegendes Missverständnis gibt worum es in einem Spiel geht.

In Mission ISS geht es um den Bau der Internationalen Raumstation. Dieses Thema wird durch das Spielmaterial wie auch durch die Regeln klar umrissen. Mechanisch handelt es sich um ein kooperatives Spielerlebnis in dem Spielerinnen ihre begrenzten Aktionsmöglichkeiten nutzen, um ihr Ziel – den erwähnten Bau der Internationalen Raumstation – zu erreichen. Dabei überzeugen die Mechanismen vor allem dadurch, dass ihre Auswirkungen schnell erfasst sind. Zwischenziele sind klar durch Karten angegeben. Hat man diese erreicht, wird das Spielbrett vergrößert und ermöglicht es nun weitere Zwischenziele zu erreichen. Es gibt wiederkehrende Hürden, die es beim Ausbau der Raumstation zu überwinden gilt. Anfangs lassen sich diese aufschieben. Später verhindern sie, dass die Spielerinnen die Station weiter ausbauen können. Nebenbei muss man aber auch einplanen die Spielwerte der verschiedenen Figuren zu verbessern, um die späteren, schwierigeren Aufgaben gut erfüllen zu können.

Wer zu lange zögert, hat es umso schwerer

Das alles ist handwerklich sauber gemacht. Bemerkenswert hingegen ist die Eleganz mit der die unterschiedlichen Elemente in einander greifen. Das hat zur Folge, dass jede einzelne Entscheidung zwar einfach zu fällen ist, aber in ihrer Summe zu einem schlüssigen und nachvollziehbaren Ergebnis führt. Jeder Spielzug hat Konsequenzen, die sich durch das restliche Spiel ziehen. Wird die Raumstation vergrößert, müssen Spielfiguren weiter reisen, um dort hin zu gelangen wo sie gebraucht werden. Das kostet Aktionen, die man später vielleicht dringend vermissen wird.

Die Identität der Figuren führt dabei zu einem vielleicht nicht beabsichtigten, aber mit Sicherheit bewusst in Kauf genommenen Effekt am Spieltisch. Die Nationalitäten der Astronautinnen lassen sich an Hand der Flaggen auf ihren Anzügen schnell erkennen. Doch schon nach kurzer Zeit fällt dieses Erkennungsmerkmal unter den Tisch. Allein die Kompetenzen, d.h. Spielwerte, der Figur werden besprochen. Kann die Astronautin an dieser Aufgabe sinnvoll helfen oder nicht? So setzt das Spiel den Geist der internationalen Zusammenarbeit derart organisch und unauffällig um, dass man es glatt übersehen könnte. Der erlernte Reflex Themen beim Spielen auszublenden und in den Hintergrund zu schieben wird hier für einen guten Zweck instrumentalisiert.

Um das Spiel erfolgreich abzuschließen, muss die gesamte Station erbaut werden – d.h. auf dem Spieltisch ausgebreitet, bevor der Rundenmarker das Ende der Zeitleiste erreicht hat. Sorgfältige Planung und Überlegungen sind dafür unabdingbar. Fällt man im Laufe der Runde jedoch suboptimale Entscheidungen, straft Mission ISS die Spielgruppe nicht mit der Schmach das große internationale Projekt katastrophal verbockt zu haben. Es detonieren keine Weltraumkapseln. Es verunglücken keine Astronautinnen. Nicht ein Mal der Kaffee wird kalt. Man hat einfach nur die Deadline verpasst. Die Raumstation würde dann halt ein paar Runden später erst fertig.

Bei Mission ISS steht verhältnismäßig wenig auf dem Spiel. Das ist Segen und Fluch zugleich. Es hilft, da auch nur ein Teilerfolg bereits das schöne Gefühl hinterlässt gut zusammengearbeitet zu haben. Während im kompetitiven Spiel gerade der Wettstreit gegen andere Spielerinnen (oder auch das Spiel selbst) im Mittelpunkt steht, geht es in einem kooperativen Spiel primär um die Koordination aller Teilnehmerinnen. Das wird auch im Kernmechanismus deutlich, in der eine eigene Karte mit einer Karte einer Mitspielerin kombiniert werden muss, um zu handeln. Mission ISS spielt sich – im wahrsten Sinne des Wortes – nur miteinander.

Sandra B. (rechts) erklärt George C. (links) wie die Crew ihren Kaffee mag

Wer natürlich das Spiel primär als Wettkampf und Beweis der eigenen Fähigkeiten versteht, wird sich hier und da etwas unterfordert, wenn nicht sogar gegängelt fühlen. Man muss mit anderen gemeinsame Sache machen, statt sein Ding durch zu ziehen. Dem erfahrenen Spieler ist die beste Option oft schnell klar und dann geht es nur darum alle anderen zu überzeugen und in die richtige Richtung zu lenken. Es ist ein Phänomen, das in vielen kooperativen Spielen auftritt. Man kann zwar einen Esel zum Wasser führen, trinken muss er immer noch selbst.

Der Punkt an dem Mission ISS leider arg ins Stolpern gerät, hat hingegen viel mit dem Bedürfnis zu tun seinem Thema gerecht zu werden bzw. es nachhaltig an die Spielerinnen zu vermitteln. Wer sich also nach der Spielrunde für die Internationale Raumstation interessiert, findet im beiliegenden Übersichtsblatt eine kurze Chronologie ihrer Entstehung. Das ist löblich und ein Punkt, der auch zu Switch & Signal gut gepasst hätte.

Dieser Anspruch zur Wirklichkeitsnähe wird aber dem praktischen Spiel durch sein Spielbrett zum Verhängnis. Die authentische Abbildung der realen ISS, inklusive Namen der einzelnen Abschnitte, ist ein nettes grafisches Detail. Es unterstreicht den Eindruck, dass das Thema gerade nicht als Nebensächlichkeit verstanden werden soll. Leider geht diese Sorgfalt unter den breiten Standfüßen der Spielfiguren, den Karten und Würfeln schon bald verloren. Mehr noch, durch das Produktdesign wird oft spielrelevante Information verdeckt. Immer wieder muss man seine Überlegungen korrigieren, weil man eine fein gepunktete Linie auf dem Spielbrett übersehen hat.

Wie eine Mücke, die einen beim Einschlafen stört, ist das eine anfängliche Kleinigkeit, die sich schnell zu einem Ärgernis aufblähen kann. So direkt und transparent das Spieldesign auch gestrickt sein mag, so sehr schmerzt es wenn die Präsentation ihr Ziel um Haaresbreite verfehlt. Die tatsachengestützte Aufmachung führt gerade nicht dazu uns tiefer ins Thema zu ziehen. Sie hat ungewollt zur Folge, dass wir uns immer wieder mit der Handhabung des Spielmaterials statt dem Spielerlebnis selbst beschäftigen müssen.

Dennoch ist Mission ISS ein unerwartetes Juwel in der deutschen Spielelandschaft. Das Design ist nicht zu beanstanden, wenn auch das Gesamtpaket eine Spur zu nüchtern auftritt. Dabei räumt es seinem Thema genug Platz ein ohne in schlichte Mimesis und Simulation abzugleiten. Der Bau der internationalen Raumstation ist kein Adrenalin-treibendes Abenteuer mit einem Spannungsbogen in drei Akten. Es ist eine logistische Herausforderung, die man nur durch vorausplanende Zusammenarbeit erfüllen konnte. Genau das wird hier in einer Spielschachtel geboten.

Georgios Panagiotidis
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