spielbar.com

Mezen

Autor: Nikita Sorokin

Verlag: Hobby World

Für 1-5 Spielende ab 8 Jahren (besser: 10)

Spieldauer 30 Minuten

Welches Spiel zu welchem Genre gehört, ist meistens eine Frage der Mechanismen: Wird gewürfelt, ist es ein Würfelspiel, wird gedeckbaut, ein Deckbauspiel, in Deduktionsspielen deduziert man und in Social Deduction – Spielen macht man, was immer man in social deduction Spielen macht.

Folgt man dieser rein sachlich-logischen Philosophie, handelt es sich bei Mezen um ein Legespiel, genauer gesagt, um ein „Auftragserfüllungsspiel“, denn man arrangiert Plättchen in der eigenen Auslage so, dass Aufträge möglichst punkteträchtig erfüllt werden.

Ich behaupte jetzt aber, dass diese Einteilung in die Irre führt, denn das Spielgefühl Mezens erinnert eher an  Roll & Writes denn an Legespiele. Abgesehen vielleicht davon, dass weder gewürfelt, noch aufgeschrieben, dafür aber gelegt wird.

Zugegeben, dass jeder bei Mezen an seiner eigenen Auslage herumknobelt, ist nun kein Alleinstellungsmerkmal von &Writes; Viele moderne Legespiele bieten mittlerweile eine eigene Auslage: Calico oder Cascadia seien einmal exemplarisch erwähnt. Wo Mezen abweicht ist, dass diese Auslage während der Partie nicht größer wird – man beendet das Spiel mit denselben 25 Plättchen, mit denen man begann. Was sich in dem Spiel ändert ist lediglich deren Anordnung im 5×5 – Raster: In einem Zug nimmt man eine Gruppe gleicher (benachbarter)Tiere aus der Auslage raus. Alle anderen Plättchen „fallen nach unten“, wie bei einem Computerspiel. Die entfernten Plättchen werden umgedreht (die Seiten unterscheiden sich in Farbe und  meistens auch Tier) und „oben“ wieder eingeworfen (Anmerkung: Die englische Regel hat einen kleinen Fehler: Man darf sich die Reihenfolge, in der die Plättchen oben eingeworfen werden, aussuchen, sie wird also anders als behauptet nicht zufällig bestimmt. Das ergibt sich aus den Beispielen und wurde mir auch so vom Verlag bestätigt). Anschließend darf gewertet werden, wobei immer nur die aktuelle und die nächste Wertung und deren Modalitäten (also welche Plättchen in welcher Anordnung Punkte zählen) bekannt ist. Insbesondere das Verschieben von Plättchen in horizontaler Richtung ist schwierig, denn das kann nur durch das Einwerfen zuvor entfernter Plättchen geschehen. Daher kann es gut sein, dass man die eine oder andere Wertung lieber überspringt, um die nächste Wertung vorzubereiten und wertvolle Amulette zu bekommen, die beim Puzzlen helfen können.

Diese Umstrukturierung ist ein Element, das in Legespielen normalerweise nicht vorkommt – zwar zielt man da auch auf potentiell hohe Wertungen, aber da eben liegen bleibt, was gelegt wurde, baut man quasi für die Ewigkeit einer Partie.

Wie bekomme ich die Fische in die Mitte, wo sie Punkte zählen?

Natürlich  gilt das auch irgendwie auch für &Writes. Schon weil bleibt, was schreibt (oder so) und wegradieren fummelig wäre, sind auch bei Schreibspielen in der Regel keine Änderungen möglich. Nein, die Verbindung Mezens mit diesem Genre liegt an anderer Stelle: Ich habe nämlich noch nicht gesagt, welche Plättchengruppe man rausnimmt.

Das wird zwar  nicht durch einen Würfelwurf entschieden, dafür aber ganz willkürlich reihum durch die  Person am Spieltisch, die an der Reihe ist, eine Tiersorte zu nennen. Alle wählen nun eine Gruppe Tiere dieser Sorte aus ihrer jeweiliegen Auslage aus.  Wenn es sich bei der Person  nicht gerade um einen Soziopathen handelt, der versucht alle 5×5- Raster in der Spielgruppe zu analysieren, werden die Mitspielenden sich bei ihrer Ansage von ihrer eigenen Auslage leiten lassen, also eine Tiergruppe wählen, die es ermöglicht das eigene Raster möglichst punkteträchtig umzugestalten. Da die Raster aber natürlich verschieden sind, bekommt man von den Mitspielenden Quasi-zufällige Tiere genannt und agiert entsprechend. Was bei Roll&Writes also der Würfel übernimmt, sind hier die anderen: Der Zufallsfaktor, den ich in meinen Überlegungen einbauen muss. Ich darf hoffen, eine bestimmte Gruppe bewegen zu dürfen, aber im allgemeinen muss ich improvisieren. Nur wenn ich selbst die entsprechende Gruppe benennen darf, kann ich machen was ich will – und das ist mit steigender Spieleranzahl seltener. Dies ist der einzige Teil des Spieles, wo sich die Anzahl der Leute am Tisch wirklich bemerkbar macht. Alle anderen Teile – Aussuchen der Gruppe, Manipulation der Auslage – Wertung – geschieht wie bei den Rollernundwritern simultan. Man puzzelt vor sich hin und wertet und hofft, dass die nächste Wertungskarte besser zur Auslage passt oder dass die anderen etwas sinnvollere Tiere ausrufen.

Dieses kurzfristige Solopuzzel, wo die Handlungsmöglichkeiten durch einen äußeren Faktor vorgegeben werden, kennt man tatsächlich von &Writes. Auch der Glücksfaktor, dem man zu einem gewissen Grade trotz aller Puzzelei am Ende doch ausgeliefert ist, erinnert an Würfelspiele. Allerdings ist Mezen durch die Manipulation von Plättchen haptischer. Es fügt durch die dynamische Auslage auch dem &Write-Genre eine neue Dimension hinzu, die bei einem echten &Write nun einmal nicht möglich wäre.

Man könnte auch sagen: Mezen verbindet die Genres Legespiel und &Writes endgültig miteinander. Bereits die erwähnten Cascadia oder Calico hatten ein Wertungssystem, dass mit dem &Write-System verwand war. Mezen geht den Schritt noch weiter und fügt das simultane agieren und den äußeren Faktor hinzu. Und sieht dabei auch noch verdammt gut aus.

Peer Sylvester
Letzte Artikel von Peer Sylvester (Alle anzeigen)