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Koreanische Geschicklichkeitsspiele: Coconuts und Pile-up Rush

Spiel: Coconuts (bei Pegasusspiele als „Crazy Coconuts“ erschienen)
Verlag: Korea Boardgames
Autor: Walter Schneider
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 6 Jahren
Spieldauer: 5-10 Minuten

 

Spiel: Pile-Up Rush
Verlag: Korea Boardgames
Autoren: Pierre Compain, Frédéric Guattari
Spieleranzahl: 2 Teams (optimal 2-4 Spieler, aber größere Teams theoretisch möglich) Alter: ab 7 Jahren
Spieldauer: 20 Minuten

 

Korea Boardgames haben ein neues „großes“ Spiel herausgebracht und bevor ich das bespreche wollte ich zwei ältere Spiele besprechen, die mir ebenfalls großzügigerweise zur Verfügung gestellt wurden. Dies zeigt dann auch den Unterschied zwischen dem bisherigen Programm und der Neuerscheinung Four Gardens…


Geschicklichkeitsspiele fallen zum Großteil in eines von zwei Lagern: „Schnippsspiele“ (wie Carabande/Pitch Car) und „Stapelspiele“ (wie Jenga). Coconuts gehört zu den wenigen Spiele, die in keines der beiden Gruppen gehören. Vielmehr werden hier mit Katapulten nussige Kugeln in Becher katapultiert. Oder zumindest versucht man das.

Die Idee ist nicht völlig neu – meine Eltern hatten bereits vor 40 Jahren eine Spielesammlung, bei der es auch ein kleines Plastikkatapult gab, mit dem man versuchen konnte, Fang-den-Hut-Kegel in ein vorgestanztes Loch einer Zielscheibe zu katapultieren (die Formulierung ist mit Bedacht gewählt).

Obwohl das Prinzip dasselbe ist, könnten die Spiele kaum unterschiedlicher sein: Während das alte völlig dröge daherkommt ‑ irgendwo zwischen Flohchips und einem dieser unmöglich zu gewinnenden Jahrmarktspiele halt ‑ wirkt Coconuts schon alleine durch die großen Katapulte (in Affenform) und die „echten“ Becher ansprechender und vor allem auch deutlich schaffbarer. Es wirkt auf Anhieb lustig und jeder der das aufgestellte Spiel sieht, weiß sofort was zumindest prinzipiell zu tun ist. Die Details kommen beim spielen: Getroffene Becher kommen auf die eigene Seite. Das Treffen eines der wenigen roten Bechers erlaubt einen Freischuss. Wer einen gegnerischen Becher trifft, darf diesen klauen. Und wer will, kann noch Aktionskarten verwenden, die harmlose Sondereffekte haben, die nicht vom eigentlichen Spiel ablenken. Mehr muss man über dieses Spiel eigentlich nicht wissen – es versteckt keine geheimnisvollen Tiefen im Spielsystem, sondern spielt mit offenen Karten, bzw. Bechern.

Für das Spielgefühl ist hier der passende Vergleich tatsächlich nicht das alte Katapultzielschießen, sondern… Looping Louie. Hüben wie drüben ist das Spiel simpel, schnell gespielt und direkt – dort schießt man sich Hühner vom Dach, hier klaut man sich gegenseitig die Becher. Nichts ist entschieden bis zum Spielende. Eine Partie ist runtergespielt, Revanche wird schnell gefordert und schnell gewährt. Der spielerische Gehalt entspricht dem von Popcorn: Nicht belastend, durchaus süchtig machend, aber nichts was ich zum Mittagessen verspeisen würde. Kinder und Erwachsene treffen sich hier auf demselben Level – Weder taktisch (Treffe die verdammten Becher!) noch geschicklichkeitsmäßig haben letztere hier einen Vorteil. Man muss sich nur mehr zurücknehmen, mit dem Aufsammeln der Querschläger bis nach Spielende zu warten – das fehlt unserer Altersgruppe etwas schwerer als Kindern. Dadurch sind wir abgelenkter – jedenfalls ist das meine Ausrede, falls ich mal wieder verloren habe.


Auf den ersten Blick ist Pile-Up Rush ähnlich klar gestrickt: Ein teambasiertes Stapelspiel auf Zeit eben. Doch anders als bei Coconuts verbirgt sich hinter dem vermeintlich Offensichtlichem eine geradezu geniale Subtilität in den Regeln:

Es scheint alles eindeutig zu sein: Beide Teams/Spieler bekommen einen Satz Holzteile zum Stapeln. Ein Team beginnt und stapelt (als Startspieler maximal 3 Teile, sonst so viel wie man will) und dreht irgendwann die Sanduhr um. Dann stapelt das andere so viel es will (min. jedoch ein Teil) und dreht dann die Sanduhr erneut um. Und so weiter. Irgendwann bricht alles zusammen oder die Sanduhr läuft ab oder eine Seite hat tatsächlich alles verbaut. Wer jetzt denkt „ja, mei, ist halt Jenga auf Zeit“ verkennt die tatsächlich existierenden taktischen Möglichkeiten: Es sind prinzipiell zwei Extremstrategien denkbar: Einerseits könnte man versuchen, den Gegner zum Fehler zu zwingen: Immer nur ein Bauteil schnell bauen und dann die Sanduhr sofort umdrehen, so dass die Zeit für den anderen knapp ist – wenn die Sanduhr abgelaufen ist, ist die Runde ja verloren. Und unter Stress baut es sich schlecht und es fällt mal was runter – was ebenfalls in einer Niederlage mündet. Das gilt aber auch für die Seite, die versucht die andere unter Druck zu setzen. Hier gilt es also eher die einfachen Teile einfach zu bauen.

Umgekehrt könnte man auch versuchen, alle Teile zu verbauen. Das ist lukrativ, denn ein solcher Sieg zählt doppelt. Und er wird im Laufe des Spieles erreichbarer, denn wer verliert muss Bauteile abgeben – hat also tatsächlich weniger Krams, den es für einen Sieg zu verbauen gilt. Dies ist ein sehr cooler Catch-up-Mechanismus, der jede Partie knapp hält (das Spiel ist zu Ende, wenn eine Seite vier Bauteile abgeben musste). Hier wird man die Bauteile weniger gemein aufbauen, – aber das hilft auch dem Gegner.

Tatsächlich lernt man bei mehrfachen Spielen von Pile-Up-Rush das Grün zu lesen: Eröffnet der andere mit Bauteilen, die es mir schwer machen überhaupt was zu bauen? Dann versuche ich ihn unter Druck zu setzen. Versucht er Bauteile loszuwerden um das Spiel durch „Fertig bauen“ zu gewinnen? Dann baue ich meine Teile lieber wackelig ein – und riskiere mir selbst eine Grube zu graben. Ich habe schon sehr viele Stapelspiele gespielt, aber diese Form der direkten Aktion-Reaktion fühlt sich neu an. Hier wird mehr getan, als nur gestapelt, bis was runterfällt – hier spielt man wirklich direkt Gegeneinander, statt nur gemeinsam an einem Turm. Hier ist weniger die eigene Ungeschicklichkeit der Gegner, sondern tatsächlich der andere Spieler/ das andere Team. Das ein so unterschiedliches Spielgefühl in einem solchen klar abgegrenzten Genre wie den Stapelspielen mit wenigen Regeln gewinnt, ist eine designtechnische Leistung der Autoren, vor denen ich nur den Hut ziehen kann!

Peer Sylvester
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