Autor: Kaspar Lapp
Verlag: Sit Down / Huch!
Für 1-4 Spielende ab 10 Jahren
Spieldauer: 15 Minuten (Tutorials etwas schneller)
Eine hohe Einstiegshürde ist kein positives Merkmal eines Spieles. Generell wollen Spielende möglichst schnell in ein Spiel „abtauchen“ , sie wollen das Gefühl haben, sie treffen fundierte Entscheidungen und kämpfen nicht ständig mit Regeln oder Konzepten, die ihnen den Blick auf das eigentliche Spiel verstellen. Doch lässt sich eine solche Einstiegshürde nicht immer vermeiden. Die Frage ist daher weniger, ob es eine Einstiegshürde gibt, sondern ob sie gerechtfertigt ist – Konkret: Hätte sie sich vermeiden lassen? Und wenn nein: Ist das Spielerlebnis, dass sich ergibt, wenn die Hürde einmal gemeistert wurde, es wert, die nötige Arbeit in das Spiel zu investieren?
Gardeners hat ganz zweifellos diese Einstiegshürde. Das wurde aber von den Verantwortlichen erkannt und daher ein Tutorial eingebaut, dass zumindest die generellen Konzepte näherbringt und die Hürde daher ein Stückweit absenkt. Dennoch kann nicht übersehen werden, dass sich einige Spielende vom Konzept des Spieles überfordert fühlen und einiges mehr an Übungszeit investieren müssen. Warum ist das so und lohnt es sich?
Bei Gardeners handelt es sich um ein kooperatives Spiel mit sehr eingeschränkter Kommunikation. Diese Spiele verlangen in der Regel, dass die Spielenden Wege finden, wie sie sich trotz die Kommunikationseinschränkungen des Spieles Informationen zukommen lassen können und wie sich auch aus aus fehlenden Informationen Züge ableiten lassen. Kaspar Lapp hat dieses Konzept bereits bei Magic Maze angewandt. Dort ist die Schwierigkeit vor allem die Überforderung, die sich aus dem Zeitdruck und der mangelenden Übersicht ergibt, die unweigerlich eintritt, wenn vier Figuren durch ein Labyrinth bewegt werden sollen und alle Beteiligten nur Teilbewegungen ausführen können, sich also nicht auf ihre normalen Impulse (also eine Figure einfach direkt nach links und dann nach oben zu bewegen) verlassen können.
Trotz deutlich moderaterem Zeitdruck hat Gardeners nun eine höhere Einstiegshürde, denn hier sind die Informationen, die weitergegeben werden müssen komplexer und gleichzeitig müssen sowohl die eingehenden Informationen verarbeitet und das eigene Rätsel gelöst werden: Es wird eine gemeinsame Auslage aufgebaut, die bis zu drei Regeln gehorchen muss (Etwa „Keine gleichfarbigen Bäume nebeneinander“ oder „Es gibt einen durchgehenden Weg aus mindestens 6 Feldern“). Die Beteiligten kennen höchstens eine der drei Regeln, von den anderen ist nur die Kategorie bekannt. Kommuniziert wird nur über das gemeinsame Bauen der Auslage: Alle können (und müssen) dort mitbauen, umgelegt werden darf aber nichts – lediglich abbauen kann man Plättchen, die gegen Regeln verstoßen und muss die dann jemand anderen geben.
So muss man einerseits überlegen, wie man möglichst effizient, die Auslage gestaltet, so dass die eigene Regel erfüllt wird, aber andererseits auch bauen, dass man den anderen nicht ständig dazwischenfunkt. Das ist schon ein gewisser Anspruch. Die Überforderung setzt dann ein, wenn man auch noch versucht, mit den Plättchen etwas zu kommunizieren, dass über „Die sind falsch, macht mal was richtig!“, hinausgeht. Gleichzeitig kann es Spielende frustrieren, wenn eine nach der eigenen Regel korekte Auslage komplett abgerissen wird, um z.B. Platz für einen Weg zu machen (das Puzzeln des Weges ist für sich genommen wohl die anspruchsvollste Aufgabe). Auch kann es frustrieren, wenn man immer diesleben drei Plättchen anbauen soll und ein Brett vor dem Kopf haben muss, weil immer alles abgelehnt wird, was man baut! Wie die Leute auf diese Probleme reagieren ist höchst unterschiedlich – es ist durchaus evident, dass einige Personen DEUTLICH mehr Probleme hatten mit Gardeners als andere. Die Personen brauchen dann auch deutlich mehr Übungspartien als andere.
Das Levelsystem bei Magic Maze ist so gestaltet, dass man sich im Prinzip so viele Herausforderungen geben kann, wie man mag. Mir persönlich reicht etwa sLevel 2 völlig für die gelegentliche Runde aus. Gardeners hat dagegen keine Level, sondern ledigleich ein Tutoriumssystem, bei dem in erster Linie die verschiedenen Auftragstypen egelernt werden sollen. Das eigentliche Problem – das Spannungsfeld aus „eigene Regel basteln“ und „verstehen was die anderen hinbekommen müssen“ muss aber aus eigenem Antrieb hinbekommen werden. Das ist ein bisschen wie The Crew mit Leuten zu spielen, die keine Stichspielerfahtung haben: Der Weg kann deutlich länger sein – doch um so befriedigender ist es, wenn es endlich klappt. Dann hat die Gruppe ihre eigene Kommunikation gefunden und das ist schon etwas besonderes – zumal Gardeners flexibel genug ist, dass unterschiedliche Gruppen unterschiedliche (und damit individuelle) Herrangehensweisen erlaubt.
Daher lässt sich die Einstiegshürde wohl nicht wirklich umgehen, aber sie ist dahingehend gerechtfertigt, dass Gardeners ein ziemlich einzigartiges Spielprinzip bietet. Es ist eines der wenigen Induktiven Spiele (also Spiele, bei denen durch Beobachtungen Regeln abgeleitet werden sollen), das sehr spielerisch daherkommt und sich nicht wie eine reine Logikaufgabe afühlt. Zudem ist es vermutlich das einzige kooperative Spiel dieses Sub-Genres. Das Erfolgserlebnis dass sich ergibt wenn es denn endlich funktioniert, ist durch die Kooperation sehr positiv und entschädigt mMn absolut für die davorgelegte Lernphase: Die Gruppe hat etwas gemeinsam geleistet, alle haben sich zwangsläufig in etwa gleich in die Lösing eingebracht. Der Grund für die gelegentliche Frustration und die längere Übungsphase ist eben, weil sich niemand zurücklehnen und die anderen machen lassen kann. Alle müssen mitarbeiten, aber alle dürfen das auch. Das Ergebnis ist ein Gruppenergebnis – Frustrierend wenn es nicht klappt, aber um so befreiender und befriedigender wenn es dann flutscht.
Spiele bieten die Möglichkeit neue Erfahrungen zu machen, Entscheidung und Überlegungen zu treffen, die man vorher nicht machen musste. Gardeners gelingt dies ohne jeden Zweifel. Ein ähnliches Spiel hatte ich vorher nicht in meinem Schrank.
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