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Fiction

Autor: Peter C Hayward

Verlag: Allplay

Für 2-8 Personen (eher: 2-3) ab 10 Jahren (Sehr gute Englischkenntnisse vorausgesetzt)

Spieldauer: Maximal 20 Minuten

Die Philosophen von Bad Religion postulierten bereits 1994 „Sometimes truth is stranger than fiction“. Damit könnten sie sich auch auf das gleichnamige Spiel von Allplay bezogen haben‑

Die Corona-Jahre waren definitiv bizarre Jahre. So seltsam, dass die meisten von uns die weitestgehend verdrängt haben und vermutlich weniger Erinnerungen an sie pflegen als an dem Durchschnittsjahr. Eines der Dinge, die aus der fast verdrängten Zeit stammt, war Wordle, ein kleines Internetwortspiel, dass auch dank Lockdowns zu einem globalem Phänomen wurde, einem Phänomen, welches u.a. Wordle-Rätselbücher und ein Wordle- Brettspiel hervorbrachte.

Doch eine 1:1-Umsetzung von Wordle ist kaum ein Spiel: Man stellt sich gegenseitig eine Aufgabe, die auch vom Computer stammen könnte, und löst diese dann. Kreative Arbeit ist jedenfalls nicht in das entsprechende Produkt geflossen. Beliebt ist es wohl auch nicht gewesen, denn wenn man rätseln will, kann man ja gemeinsam Wordle-Aufgabe aus dem Internet lösen. Oder Kreuzworträtsel.

Fiction – dessen Wordle-Wurzeln auch in der Anleitung anerkannt werden – ist dagegen stranger als Wordle. Dabei gibt es genau genommen nur eine große Änderung: Die Person, die das Wort kennt und die Rateversuche der anderen verwaltet, lügt: Beim Feedback jedes Wortes wird genau einen falscher Hinweis gegeben. Es kann sein, dass ein falscher Buchstabe als richtig markiert wird oder umgekehrt oder ein nicht vorhandener Buchstabe als an falscher Stelle stehend oder ein an richtiger Stelle stehender als an falscher Stelle stehender oder so ähnlich anders. Das ist eine kleine Änderung, aber eine mit großer Wirkung:

Die wichtigste Wirkung ist, dass die Person, die das Wort kennt jetzt eben nicht mehr nur verwaltet, sondern aktiv mitspielt und Entscheidungen treffen darf. Insbesondere sollte sie dazu ihr eigenes Rätsel analysieren: Mit welcher Information stifte ich die meiste Verwirrung? Wiederspreche ich mir gerade deutlich? Kann ich die anderen vielleicht ausbluffen? Diese neuen Möglichkeiten schaffen „Agency“ und damit auch Spannung und Emotionen.

Die anderen haben neben ihren Wordle-Fähigkeiten allerdings noch eine weitere Waffe: Sie können je nach Schwierigkeitsgrad bis zu dreimal einen Tipp überprüfen lassen: Strange Real oder Fiction? Der richtige Einsatz dieser Möglichkeit gibt oft den entscheidenden Durchbruch, bis dahin ist viel möglich. Daher ist es sinnvoll diese Option ‑ wie im Regelheft vorgeschlagen ‑ zu limitieren, wenn man einigermaßen gut kombinieren kann, sonst hat die „Lie-Brarian“ keine Chance.

Der Weg, den Fiction von der Rätselvorlage zum Spieltisch genommen hat, ist nicht weit. Die Änderungen sind aber entscheidend. Wenn man ein Zimmer neu streicht oder ein Kinderzimmer modernisiert, sind die Änderungen auch wahrnehmbar, genau wie die Reste des alten Zimmers immer an das erinnern, was war. Doch das „neue“ Zimmer fühlt sich neu, hip und gleichzeitig vertraut an. Eine ähnliche Emotion vermag Fiction zu wecken. Zumindest, wenn man gerne gewordelt hat.

 

Peer Sylvester
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