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Dungeons, Dice & Danger

Verlag: alea
Autor: Richard Garfield
Spielerzahl: 1-4
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: 45-60 Minuten

Roll’n’Writes sind nicht dafür bekannt ein Spielgenre zu sein, welches mit großer Substanz oder Beständigkeit auftrumpft. Sie sind vor allem eine unterhaltsame Zerstreuung, die mal mehr und mal weniger komplexe Strategien benötigen, um einen zufriedenstellenden Spielfluß zu entwickeln. Es sind Spiele, die so sympathisch sind, weil sie in mundgerechten Häppchen serviert werden. Das ist sowohl ihre große Stärke, als auch der Grund weshalb sich manche nur gelegentlich mit ihnen beschäftigen.

Ich habe keinen Beleg dafür, dass Richard Garfield das Roll’n’Write-Genre ähnlich sieht, aber in „Dungeons, Dice & Danger“ sind die Designentscheidungen augenscheinlich so gefällt worden, dass genau diese Punkte nicht eintreten. Dungeons, Dice & Danger ist weder ein Spielhäppchen, noch ein Spiel welches der Zerstreuung dient oder Spieler*innen mit seiner leichtfüßigen Vergänglichkeit umgarnt.

Stattdessen formt sich durch die Kombination aus Genre und Thema (ein an Dungeons & Dragons angelehntes Erobern eines unterirdischen Baus) ein Erlebnis, welches spielerischen Nervenkitzel und Herausforderung zu kombinieren weiß. In Dungeons, Dice & Danger gibt es nicht nur die Möglichkeit einer Niederlage. Ein solches Scheitern fühlt sich auch deutlich erdrückender an als bei Spielen in denen man lediglich die eigene Höchstpunktzahl nicht schlagen konnte.

Anders gesagt: in Dungeons, Dice & Danger kann man „sterben“. Das bedeutet konkret, man kann im Laufe des Spiels ausscheiden und dabei zusehen wie die Mitstreiter*innen das Spiel zu Ende spielen. In diesen Momenten hat man nicht nur weniger Punkte als die anderen am Tisch gesammelt, sondern man hat wortwörtlich verloren.

Das Designkonzept des „aus dem Spiel ausscheiden“ ist in den letzten Jahren sehr aus der Mode geraten. In vielen Fällen wurde es geradezu verteufelt, weil der Frust und das hilflose Zusehen wie andere am Tisch weiter Spielspaß hatten, als untragbar bewertet wurde. In Dungeons, Dice & Danger ist es aber genau dieses kleine thematische Detail, welches das Salz in der Suppe ist, und weshalb sich das Spiel deutlich substantieller als seine Konkurrenten anfühlt. Hier steht etwas auf dem Spiel. Entscheidungen, die im Laufe des Spiels gefällt wurden, können kurze Zeit später mit ein paar unglücklich fallenden Würfel ein Todesurteil sein.

Dieser Umstand unterscheidet Dungeons, Dice & Danger spürbar von vielen anderen Vertretern des Roll’n’Write-Genres. Eine Tatsache, die durch die Spielpräsentation leider nicht deutlich genug kommuniziert wird. Wer hier ein ähnliches Spielgefühl wie bei einem „Ganz schön clever“, „Welcome to..“ oder auch „Railroad Ink“ erwartet oder es auch daran messen will, wird wenig Freude haben. Zu gering scheint die Freiheit, die Dungeons, Dice & Danger bietet und zu wenig wird die Experimentierfreudigkeit der Spieler*innen belohnt.

Stattdessen ist Dungeons, Dice and Dragons fordernd, wo andere Entspannung versprechen und es ist streng, wo andere flexible Angebote machen. Damit gelingt es dem Spiel durchaus an den Geist der frühen „Dungeons & Dragons“-Abenteuer anzuknüpfen, die mit einer vergleichbaren Endgültigkeit und einem einfachen Würfelwurf Mitspieler*innen in Überlebende und Gescheiterte unterteilte.

Der Dungeon ist dunkel und voller Schrecken

Dass diese spielerische „Härte“ beabsichtigt ist, zeigt sich am Deutlichsten in den Regeln für das Solo-Spiel bei dem das Design von Dungeons, Dice & Danger womöglich etwas zu weit geht. Hier ist das Scheitern praktisch vorprogrammiert und es geht allein darum so weit wie möglich vorzudringen, bevor man „das Zeitliche segnet“. Ein etwas morbider, erzählerischer Rahmen für das Spielerlebnis aber durchaus passend zum Spielethos der Mehrspieler-Version.

Abseits vom Spielgefühl selbst, weigert sich Dungeons, Dice & Danger auch auf andere Weise die Normen des Roll’n’Write-Genres einzuhalten. Das Spielblatt ist nicht darauf ausgelegt nach effektiven Kombinationen analysiert zu werden, sondern versteckt in seinen verwinkelten Verbindungen Gelegenheiten, die es im Auge zu behalten und im richtigen Moment zu nutzen gilt.

Ein aufmerksames Auge und ein gutes Gedächtnis für die Verteilung der abzustreichenden Würfelwerte sind hier viel nützlicher, als die Fähigkeit Aktionskombinationen und Punktewertungen im Voraus zu berechnen. Dungeons, Dice & Danger weiß hier die gleichen kognitiven Muskeln zu fordern, die auch bei einem Puzzle in Aktion treten. Man setzt sich mental Marker an welcher Stelle ein bestimmtes Würfelergebnis den ersehnten Vorstoß bringen würde, und achtet darauf wann sich genau dieses Ergebnis aus den Würfeln zusammenfügen lässt. Schrittweise erschließt man sich mehr und mehr des Spielfelds und muss mit den mageren Ressourcen und Hilfsmitteln, die man sich zum Teil erst erarbeiten muss, zu Rande kommen.

Der Spielakt selbst ist nicht so trivial, dass es mit einem Abstreichen einer Zahl oder Farbe getan ist. Man muss sich auf dem Spielblatt orientieren und die richtige Kombination an Würfeln wählen, um ohne Rückschläge voranzukommen. Gepaart mit der Gefahr aus dem Spiel zu fliegen, wenn man die Würfelwerte zu oft nicht einsetzen konnte, entwickelt sich ein reizvoller, spannender und nicht selten aufregender Spielsog. Ein Roll’n’Write, welches spürbare Risiken verlangt, hohe Aufmerksamkeit und Konzentration benötigt und gleichzeitig verspielt und augenzwinkernd daherkommt, sticht aus der Masse hervor.

Dungeons, Dice & Danger ist ein besonderes Spiel, weil es sich eben nicht in die Konformität seines Genres einfügt und darum nicht selten auf Ablehnung stoßen wird. Aber wer gewillt ist, sich auf einen Dungeoncrawler in Form eines Roll’n’Writes einzulassen, wird hier durchaus fündig.

Georgios Panagiotidis
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