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Dark Story, Crime Story: Vienna, Micromacro

Rätselspiele sind nach wie vor voll im Trend. Hier ein kleiner willkürlicher Überblick über gleich drei neue, die zumindest vom Namen her gut zusammenpassen:

Dark Story
Verlag: Lifestyle Boardgames (Vermutlich macht Huch! die deutsche Ausgabe)
Autor: Alexander Peshkov/ Ekaterina Pluzhnikova
Alter: ab 12 Jahren
Dauer: 60-90 Minuten

Dark Story ist die Fortsetzung zu Psychiatrie des Schreckens, einem Escape-Spiel das irgendwie an mir vorüber gegangen ist (vermutlich wegen des Themas). Es war aber dennoch kein Problem, der Geschichte zu folgen: Im Wesentlichen spielt man hier den Bösewicht aus dem Vorgänger wie er versucht, aus dem Gefängnis zu fliehen. Zumindest im englischen ist die Geschichte dabei durchaus stimmungsvoll geschrieben, etwas weniger schwer als bei Awakening, was ich als positiv empfinde – auch wenn man zu jedem Zeitpunkt doch merkt, dass dies die Geschichte eines Spieles ist und kein Krimi aus dem Buchhandel.

Gelungen ist meiner Meinung nach auch die Präsentation: Mit jedem Rätsel wird eine neue Seite in dem Rätselbuch aufgeschlagen und die Rätsel sind thematisch angepasst: Erst aus der Zelle fliehen und dann geht es einigermaßen sachlogisch weiter. Thematisch machen die meisten Rätsel mehr sinn als bei Awakenig oder Exit, aber ein Computeradventure sollte man nun nicht erwarten.

Vor allem sind es nur sieben Rätsel, die man hier löst und die Qualität der Rätsel variiert dabei auch noch enorm. Und nicht nur die: Auch die Art der Rätsel reicht vom Exitmässigem Materialrätsel bis zur Logik- und Rechenaufgabe. Ich will ja nicht spoilern, dennoch: Ja, ein Rätsel war im wesentlichen eine Rechenaufgabe, die ich genauso im Unterricht stellen könnte. Die Lösung eines weiteren Rätsels wirkte komplett beliebig. Zwei Rätsel versuchen tatsächlich etwas neues, in dem sie Material auf eine Art und Weise versuchten einzubringen, wie ich es bislang in keinem Escape-Room-Spiel gesehen habe – aber die dazugehörigen Rätsel waren weniger gelungen. Aus der Grundidee wurde doch zu wenig gemacht. Also etwas „Hit und Miss“ wie man so sagt – Einerseits eine interessante Sammlung aus allen möglichen Stilen aller möglicher Konkurrenzprodukte, andererseits muss jedes Rätsel sitzen, wenn es schon insgesamt gerade einmal 7 Stück sind, die man nacheinander „abarbeitet“.

Ein ganz großes Minus stelle ich dem Hilfesystem aus: Nicht nur wird man für das Inanspruchnehmen der Hilfe bestraft, uns hat die Hilfe kein Stück weitergeholfen. Es gibt nur einen einzigen Hinweis und der ist kaum hilfreicher als „Löse das Rätsel, in dem du auf den Text achtest!“ Da hilft nur die Lösung nachzugucken – oder zu raten. Da das Kontrollsystem defacto per Multiple Choice stattfindet, bekommt man mit etwas wenig Glück fürs Raten sogar weniger Abzüge als für das Nachschlagen der Lösung (die auch nicht erklärt wird).

 Dark Story lebt von einer netten Story und hat ein paar Rätsel mit Potential – aber es wirkt, als wären sieben Rätsel schon zu viele gewesen, um eine interessante Sammlung zu bieten. Um im überlaufenden Segment der Rätselspiele zu bestehen, ist das leider zu wenig.

Crime Story: Vienna
Autor: Peter Prinz
Alter: ab 12 Jahren
Dauer: 60-90 Minuten

Wie der Titel schon sagt, ist dies kein Escaperoom, sondern ein Krimispiel – ähnlich Sherlock müssen die Spieler hier kooperativ einen Kriminalfall lösen. Drei Boxen gibt es, gespielt habe ich nur Vienna und das auch leider wegen des Lockdowns nur alleine. Das kann durchaus mein Urteil beeinflusst haben.

Die Grundidee ist hier, dass der Fall auf Karten präsentiert wird, die Aktionsmöglichkeiten anbieten – z.B. das nähere Befragen eines Zeugen, das Untersuchen einer Wohnung, das Anrufen eines Spezialisten usw. Alle diese Aktionen kosten Zeit und die ist begrenzt: Ist das letzte Feld der Zeitleiste erreicht, sollte man besser alle Fragen zum Fall beantworten können… Ich konnte es nicht.

Am Fall selbst lag es nicht: Der ist durchaus nett geschrieben und hat einen schönen Schwierigkeitsgrad. Der Mechanismus ist gelungen – als Autor von Jenseits von Theben, kennt sich Prinz ja mit Zeitleisten aus. Allerdings: ich konnte den Fall deswegen nicht lösen, weil ich schlicht den falschen Hinweisen nachgegangen bin. Dadurch fehlten mir vitale Informationen, ohne die der Fall nicht gelöst werden konnte.

Um das Spiel einmal mit Sherlock zu vergleichen: Auch bei Sherlock müssen die Spieler entscheiden, welchen Spuren sie folgen wollen, auch dort verschwinden wichtige Karten im Karton. Allerdings entscheidet immer ein Spieler aktiv, ob eine Karte wertvoll ist oder nicht. Er kann dabei richtig liegen oder nicht, aber zumindest basiert man diese Einschätzung auf irgendetwas.  Hier hatte ich nach meinem Dafürhalten oft keine wirkliche Möglichkeit vor dem Wählen meiner Aktion abzuschätzen, ob die Aktion mir weiterhelfen würde. Da es wenig Querverweise zwischen den Hinweisen gibt, kann man an der Lösung quasi vorbeilaufen.

Aber wie gesagt: Das gilt unter dem Vorbehalt, dass ich das Ding alleine gespielt habe. Vielleicht hatte ich auch Tomaten auf den Augen. Allerdings habe ich schon die Karten anschließend durchgelesen und es gibt ganz klar hilfreiche und weniger hilfreiche Ermittlungsaktionen. Das ist ja auch durchaus so gewollt. Welche Informationen man aber tatsächlich erwischt ist so zumindest zu einem gewissen Teil Glückssache – wobei man die Hinweise i.A. auch deuten können muss, denn es ist ja auch immer noch ein Krimifall. Eine Hilfefunktion wäre hier auch nett. Der Fall lässt mich etwas ratlos zurück, auch wegen der Soloeinschränkung. Aber mir geht es da im Moment wie bei Deckscape: Die sind auch nett, aber ich habe kein Verlangen die jetzt unbedingt spielen zu müssen, denn dazu ist das Feld der Krimi – und Escapespiele doch zu überlaufen.

Micromacro: Crime City
Verlag: Edition Spielwiese/Pegasus
Autor: Johannes Sich
Spielerzahl: 1 (bis 3 realistischerweise)
Alter: ab 8 Jahren
Dauer: 15-35 Minuten pro Fall

Ich schreibe diese Zeilen im Dezember 2020. Bis zum Spiel des Jahres ist es ein halbes Jahr hin. Wenn ich Rezensionen der wichtigen Leute richtig deute ist Paleo im Moment Favorit auf den Titel (wobei es ja noch ein langer Weg ist) – und Micromacro knapp dahinter. Und das kommt nicht von ungefähr.

Micromacro ist im Prinzip ein riesiges Wimmelbild. Wimmelbildspiele gab es schon, mit durchweg eher mäßigem Erfolg. Das neuartige ist jetzt aber, dass nicht einfach versteckte Figuren gefunden werden müssen, nein, es sollen Krimifälle gelöst werden! Und ja: Plural. Micromacro ist das einzige der hier vorgestellten drei Spiele, das tatsächlich nicht nur einen Fall hat, sondern mehrere. Der Zeitbedarf pro Fall ist aber deutlich kleiner, auch weil wenig kombiniert und viel geschaut werden muss.

Der Spielplan/Wimmelbild zeigt eine Stadt mit vielen Verbrechen. Er zeigt aber keine Momentaufnahme, sondern deren viele: So kann z.B. ein Verdächtiger regelrecht verfolgt werden: Er steht vielleicht am Tatort und dann eine Straßenecke weiter sieht man ihn vom Tatort weglaufen, dann wieder ein paar Straßenecken weiter in einen Bus ein- und an anderer Stelle aussteigen. Auch Ermordete sieht man hier und da lebend durch die Stadt flanieren. Dieser Kniff sorgt dafür, dass man die Verbrechen tatsächlich aufklären kann: Wo war das Opfer vorher? Sieht man die Tat vielleicht sogar irgendwo? Wohin sind die Täter verschwunden? Das ist weniger Geknobel als bei den beliebten „Schwarze Hand“-Krimibücher (bei denen auch Verbrechen aufgrund von Suchbildern gelöst werden müssen), hat aber einige recht coole Moment, denn manchmal hat man eine Theorie und kann gezielt suchen und  auch das „Verfolgen“ macht durchaus Spaß.

Mir persönlich ist es aber etwas zu viel Gesuche und etwas zu wenig Gedenke. Da nicht wirklich elaborierte Fälle möglich sind, ähnelt sich vieles. Außerdem merke ich, dass mein Augenlicht nicht mehr ganz auf der Höhe ist. Nein, in meiner Stammspielerunde würde ich es nicht unbedingt auf den Tisch bringen.

Aber meine Kinder (8 und 12) lieben es und ich muss wirkliche Überzeugungsarbeit leisten, dass die nicht alle Fälle in einem Rutsch durchspielen, sondern zumindest noch ein paar Ferien für die Weihnachtsferien bleiben. Für diese Altersgruppe ist das System wirklich perfekt – Es gibt das Gefühl von Ermittlungsarbeit, aber es gibt eben gerade nicht so viel zu durchschauen, so dass kein Fall überfordert. Und das Suchen macht Spaß, insbesondere mit mir als Moderator/Spielleiter, der gerne ein bisschen mitsucht, aber im Notfall Tipps geben kann (ich schlage dann im Bedarffall die Lösung der aktuellen Teilfrage nach).  Ich mache das gerne, das ist sogar die Rolle, die ich hier am liebsten einnehme, weil ich mich auf die Aspekte des Falles konzentrieren kann, die mir Spaß machen.

Es gibt allerdings noch einen Grund für mich mitzuspielen: Nicht alle Fälle sind gleich gut für die Altersklasse geeignet. Es sind natürlich schon einmal viele Mordfälle dabei – eigentlich sind die Mehrzahl der Fälle Gewaltverbrechen. Da die Graphik kindlich-abstrakt genug ist, haben meine Kinder da keine großen Probleme mit. Auch dass es in einigen Fällen um, sagen wir mal spoilerfrei, „Anzügliches“ geht, lässt sich als Moderator ohne große Probleme wegreden. Zwei Fälle werde ich dennoch nicht spielen: Kopfsache und Lovestory. Ich empfehle Eltern hier vorher kurz reinzuschauen, um was es geht und die Fälle ggf. beiseite zu legen. Für ein Spiel, dass sich m.E klar an den Familienbereich wendet, wäre hier ein entsprechender Hinweis auf der Fallkarte sehr sinnvoll gewesen, sinnvoller als die Einschätzung des Schwierigkeitsgrades, der nach meinem Eindruck ziemlich proportional zur Länge des Falles (die ebenfalls angegeben ist) ist.  Es sind wohl weitere Boxen in Arbeit, ich hoffe, dass dort „Erwachsenenfälle“ markiert werden.

Ansonsten ist dies ein rundes und originelles intuitives System und so etwas mag die Jury.

Peer Sylvester
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