Eine befreundete Redakteurin hatte mir mal gesagt, dass das Problem mit Zeichenspielen ist, dass zwar viele Leute sie durchaus mögen, aber es eine verhältnismäßig große Gruppe gibt, die überhaupt nicht zeichnen wollen. Hauptgrund dürfte sein, dass sich viele Leute sehr bewusst sind, dass sie überhaupt nicht gut zeichnen können – und das ungern zur Schau stellen. Dieselbe angst sich zu blamieren gibt es auch bei Quizspielen und noch viel stärker beim Singen (wobei es da verhältnismäßig wenig Spiele gibt.). Beim zeichnen dürfte zudem das haptische eine Rolle spielen, das einerseits etwas kindliches hat (und viele Erwachsene das Spielen ja gerade vom Kinderspielimage lösen wollen) und andererseits eben auch etwas ist, was man physisch tun muss, was vielleicht auch nicht jedem Recht ist.
Die große Stärke von Zeichenspielen ist aber, dass kaum ein Genre so zuverlässig Gelächter auslösen kann. Die meisten Zeichenspiele basieren ihren Spielspaß gerade auf jedem Scheitern, dass der Grund für die Ablehnung für viele Zeichenspiel-Kritiker sein dürfte. Die wenigsten von uns sind es gewohnt Tiere oder Menschen zu skizzieren und das Scheitern an den eigenen Fähigkeiten kann ungemein belustigend sein – auch für einen selbst. Zeichenspiele müssen aber immer eine Sicherheit einbauen, so dass jene, die schlechter zeichnen können, nicht das Gefühl haben, sich denen gegenüber, die besser malen, Lächerlich zu machen. Natürlich ist es auch in der Selbstverantwortung der höher begabten für eine angenehme Spielatmosphäre zu sorgen, aber wie auch Quizspiele immer mehr Möglichkeiten anbieten, dass sich keiner „dumm“ fühlen muss, müssen Zeichenspiele auch ein Stückweit sorgen, dass selbst die besten Zeichner ein Stück auf das Niveau der stümpernden Konkurrenten zurückfallen. Gute Zeichenspiele sorgen so für Spaß und Gelächter. Schlechte Zeichenspiele für Frust.
Drei Zeichenspiele habe ich von der Spielemesse mitgebracht und auch wenn es sich bei allen drei um das klassische „Zeichnen und dann Zeichnungen erraten“ handelt, gehen sie doch seehr unterschiedlich mit dieser Ausgangslage um:
Spiel: Chaotic Studio
Autor: AuAu Chen
Verlag: Broadway Toys
Für 3-6 Spielende ab 6 Jahren (Spiel aber in dieser Fassung auf Englisch)
Spieldauer: 20 Minuten
Chaotic Studio verpackt die Lösung in das Thema, einem alten Filmstudios, dass Animationen per Hand zeichnet. Entsprechend bekommt jeder drei Folien, die übereinandergelegt werden und auf die so gemalt werden soll, dass alle drei zusammen ein Bild ergeben. Der Gag ist jetzt, dass den anderen jeweils nur eine zufällige der drei Folien zum Raten vorgelegt wird. Und natürlich grundsätzlich immer die falsche – es gibt keine Auswahl, wo sich nicht alle beschweren würden, dass ausgerechnet die schwierigste Folie gezogen wurde! Chaotic Studio sorgt daher schon durch die absurde Aufgabenstellung – Nur ein Drittel des Bildes ist zu sehen – für die richtige Tonlage. Hey: Ist das ein Mond? Ach nee, es muss ein Teil eines Tieres sein! Natürlich zeigt jeder am Ende noch einmal das ganze Bilder, mit der Versicherung, dass mit jeder anderen Folie natürlich alles klar gewesen wäre.
Chaotic Studio findet tatsächlich noch eine neue Seite im Zeichnen-Raten-Genre ohne dass es irgendwie gekünstelt wirken würde. Das zeichnen auf drei Folien ist etwas umständlich, aber das Ergebnis ist es absolut wert. Es muss einem aber auch klar sein, dass wir hier kein Turnierspiel vorliegen haben – prinzipiell sind die Regeln hakeliger formuliert als wirklich nötig und doch erstaunlich löchrig. Der Verlag scheiterte daran, die Kernidee „Zusammen sollen die drei Folien ein Bild ergeben, es darf aber nichts doppelt gezeichnet werden – sauber in Worte zu fassen. Ist das schlimm? Nicht wirklich. Die Spielidee wird kommuniziert und wer ein Spiel kauft, bei der man eine Kuh in drei Teilen auf durchsichtige Folien malen muss, nur um es dann auf Schlupflöcher zu prüfen, um zu zeigen, wie clever man doch ist, macht eh etwas fundamentales falsch.
Ein weiteres Mittel zum Mitigieren von eher semioptimalen Zeichnungen ist, dass es für nicht geratenes eine zweite Chance gibt – diesmal mit Tipp! Der Zeichner bekommt sogar noch mehr Punkte, wenn es erst jetzt erraten wurde. Diese an Barbarossa angelegte Wertung hat hier nicht den Zweck, nicht zu deutlich zu malen (dazu ist die Aufgabenstellung schon schwre genug), sondern, eben um nicht zu demotivieren – mit Kontext ist as Bild gut!
Von den drei hier vorgestellten Spielen sicherlich das originellste.
Spiel: Catch Sketch / Doodly Quickly (Schachtel und Regeln wiedersprechen sich im englischen Titel)
Autor: Chris Choi
Verlag: Mandoo Games
Für 3-6 Spielende ab 6 Jahren (besser ab 4 Spielenden) (Spiel aber in dieser Fassung auf Englisch)
Spieldauer : 20 Minuten
Weniger originell ist Catch Sketch: Um den Ausgleich zwischen guten und weniger guten Zeichnenden zu schaffen, setzt dieses Spiel schlicht auf Schnelligkeit. Wie bei Doodle Dash zeichnen alle bis auf eine Person dasselbe Bild. Präsentiert werden die Bilder in der Reihenfolge, in der die Bilder fertig geworden sind und nur das Bild, das den Ausschlag gegeben hat punktet – zusammen mit der ratenden Person versteht sich. Dabei gibt es mehr Punkte, je früher das Bild gezeigt wurde, was einen zusätzlichen Ansatz schafft, schnell zu zeichnen.
Das Prinzip kennt man also – auch z.B. aus Pixelstücke: Lieber schnell oder lieber sauber? Wobei die letzte Person zusammen mit der vorletzten stoppen muss, also keinen Vorteil mehr erlangt . weswegen drei Personen hier auch sicher nicht die optimale Anzahl darstellt.
Das Spiel lebt nun vom absoluten Zusammenbruch aller Zeichenfähigkeiten, wenn man schnell zeichnet. Zumal gilt: Je vermeidlich einfacher ein Bild, desto schneller meint man es hinwischen zu können und es so dann doch so zu verunstalten, dass niemand es als irgendwas identifizieren kann. Selbst eine Spinne -vielleicht eine der einfachsten Zeichnungen überhaupt – wurde so schon nicht erkannt.
Genau wie Pixelstücke lebt auch Catch Sketch von der Hybris der Spielenden und dem unvermeidbaren Fall, der auf den Hochmut folgt.
Da die Idee von Catch Sketch nun aber nicht neu ist, muss die Umsetzung stimmen und da kann man Mandoo Games durchaus ein Lob aussprechen: Die Regel ist klar und genau auf den Punkt (außer dass wir empfehlen, dass die ratende Person einfach die Augen schließt, anstatt dass alle versuchen ihr Bild hinter einer Hand zu verstecken) – überraschend wenig selbstverständlich, wenn ich mir so manches unnötig komplizierte Spiel anschaue) und die Ausstattung passt auch. Allerdings haben wir das Spiel dank der geringen Spieldauer schon so oft gespielt, dass die Karten bereits mehrfach durch sind. Catch Sketch bietet die geringste Anzahl an Begriffen aller drei Spiele und bräuchte doch die größte Anzahl.
Damit haben wir jetzt ein originelles, aber etwas umständliches Spiel und ein ebenso schlankes wie unoriginelles Design. Was mag der dritte Challenger bieten?
Spiel ReDraw
Autor: Patryk Gęsiak
Verlag:; Trefl
Für 3-8 Spielende ab 10 Jahren
Spieldauer 20 Minuten
Der dritte im Bunde ist das einzige Spiel in dieser Zusammenstellung, dass tatsächlich aktuell auf Deutsch und in Deutschland verfügbar ist und damit vermutlich auch das einzige Spiel, was von den dreien hier für die meisten in Frage kommt (ich hoffe einfach mal, dass die anderen den Sprung in das eine oder andere Verlagsprogramm schaffen).
Oh und noch etwas ist anders: Der Malstift ist nicht derselbe wie bei den beiden anderen Spielen – also nicht der weiße Stift mit dem schwarzen quadratischen Wischkopf oben, den es überall gibt. Sondern den Standardstift in etwas länger und es steht Trefl drauf. Ganz anders! (Das war eine sehr spezifische Information – anscheinend hat sich eine Stiftsorte bei Malspielen durchgesetzt, weil sie gut schreibt, wischt und EU-konform ist und sich obendrein in größeren Stückzahlen produzieren lässt. Wer steckt dahinter?)
Der Clou bei ReDraw ist, dass nicht auf einem weißen Papier gemalt wird, sondern auf einer Karte, die bereits eine in rot gezeichnete Figur – etwa ein paar sich überkreuzende Linien – zeigt. Nicht nur dürfen die roten Linien nicht überschritten werden (eine klare Metapher zur aktuellen Bundespolitik), sie müssen auch in das Gezeichnete integriert werden. Was das konkret heißt, bleibt schwammig. Wie auch bei Chaotic Studio, setzt die Regel von ReDraw (zu Recht) auf das Selbstverständnis der Zielgruppe. Wird der Begriff erraten, wird das Kunstwerk aber erst einmal nicht weggewischt – auf jeder Karte ist Platz für insgesamt DREI Kunstwerke, bis dann doch eine jungfräuliche Karte genommen wird. Das funktioniert überraschend gut, besser als ich es jedenfalls gedacht hatte. Es funktioniert auch, weil die zeichnende Person den Begriff aus der Auslage frei wählen kann und schon etwas wählen wird, wo er eine ungefähre Ahnung hat, was gehen kann – Das baut Hürden ab!
Allerdings hat die Auslage den Nachteil, dass man diese im Augen haben muss, aber natürlich auch dem Kunstwerk beim Entstehen zusehen will. Beides gleichzeitig ist nicht leicht unter einen Hut zu bekommen – so haben Kinder dank besserem Gedächtnis sogar einen kleinen Vorteil.
Puristen mögen anmerken, dass die zeichnende Person bei diesem Spiel keinen Anreiz hat, sich anzustrengen, da sie keine Punktzahl bekommen kann. Aber, sie zeichnet, bis ein Begriff erraten wurde und wer das Spiel absichtlich zerstört, indem nur Rumgekritzelt wird, bnis alle „Abbruch!“ rufen, sollte sich vielleicht ein anderes Spiel suchen. Und ein Leben.
Redraw hat nicht die Originalität von Chaotic Studio und ist weniger lustig als Catch Sketch. Aber es ist eine Stufe oberhalb von Activity oder Pictionary und funktioniert besser als Invisible Ink. Außerdem ist es auf Deutsch verfügbar.
- Ein Labyrinth für meine Punkte! - 1. Dezember 2024
- 4 Spielregeln und ein Halleluja - 10. November 2024
- Verlagsvorstellung Perdix – Spiele - 8. November 2024