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Coffee Roaster

Verlag: dlp games
Autor: Saashi
Spielerzahl: 1
Alter: ab 12 Jahren
Dauer: 10-30 Minuten

Damit ein Spiel überhaupt funktionieren kann, muss das Design eine wichtige Frage beantworten: Warum? Genauer gesagt, warum sollte ich Zeit dafür aufbringen dieses Spiel zu spielen? Je nachdem wie man ans Spielen gekommen ist, kann die Antwort unterschiedlich ausfallen. Der kompetitive Charaktertyp findet die Antwort in der Weisheit Conans: „zu kämpfen mit dem Feind, ihn zu verfolgen und zu vernichten…“. Wer das Unglück hatte Lehrerkind zu sein, sieht in dem Spiel eine Möglichkeit zu lernen, sich zu bilden und sich neue Kompetenzen anzueignen. Wer sich über seine Arbeit definiert, versteht das Spiel als Zufluchtsort vor der bedrückenden Realität des Alltags. Die meisten Spieldesigns nutzen diese oder vergleichbare Ansätze um Spielende abzuholen. Viele davon überschneiden sich am Ausblick auf eine Herausforderung, die den Ehrgeiz der Spielenden packt und sie antreibt.

Coffee Roaster von Saashi (hier in der Lokalisation von dlp games) bietet zuerst ein Mal eine solche Herausforderung. Es geht ums Kaffeebohnen Rösten. Die Kaffeebohnen sind durch nummerierte Plättchen dargestellt. Die Rösterei ist ein blickdichter Stoffbeutel. Daraus zieht man jede Runde eine fest vorgeschriebene Zahl an Plättchen. Dieser „Röstvorgang“ führt dazu, dass man die meisten der gezogenen Plättchen durch höherwertige austauscht und wieder in die Rösterei wirft. Vereinzelt werden bestimmte gezogene Plättchen aus dem Spiel entfernt. Um am Ende gut abzuschneiden, will man Kaffeebohnen der richtigen Röstungsstärke aus dem Beutel ziehen.

Übersichtlichkeit tarnt wie viele schwierige Entscheidungen hier gefällt werden

Dabei verweigert aber Coffee Roaster uns genau die Entscheidungen, die man eventuell erwarten würde, um das Spiel zu gewinnen. Wir entscheiden nicht über die Anzahl der gezogenen Kaffeebohnen pro Röstvorgang. Wir entscheiden auch nicht darüber was mit den einzelnen Kaffeebohnen passiert. Die wichtigste Entscheidung, die uns zufällt, betrifft das Einläuten des Spielendes und damit der Wertungsphase. Es ist eine Entscheidung, die auch beim zwanzigsten Spiel noch hochspannend ist.

Aber hier von der plumpen Psychologie eines Push-Your-Luck-Mechanismus zu sprechen, verkennt das feinsinnige Handwerk, das in diesem Spiel steckt. Denn ein erfolgreiches Kaffeebohnenrösten ist nicht nur genüsslicher Nervenkitzel, sondern fühlt sich auch wie eine wirkliche Errungenschaft an.

Wie die meisten Solospiele ist Coffee Roaster weniger eine spielerische Aktivität als eine knifflige Aufgabe, die es zu lösen gilt. Man muss nicht nur den Widrigkeiten der zufällig gezogenen Plättchen trotzen, sondern auch die Weichen stellen mit denen der Röstvorgang hoffentlich ein gutes Ergebnis liefern wird. Denn ganz ohne Entscheidungsräume lässt uns Coffee Roaster nicht stehen. So gibt es je nach zu röstender Bohnensorte eine Zahl an farbigen Plättchen im Beutel, die man einsetzen kann, um bestimmte Sonderaktionen auszuführen. Aktionen, die auf den ersten Blick alles andere als wirkungsvoll wirken.

Aber während ein Röstvorgang oft sechs und mehr Plättchen verändert, fühlen sich die Sonderaktionen kleiner und subtiler an. Sie betreffen oft nur ein oder zwei der Bohnen direkt, wenn überhaupt. Das hat zur Folge, dass man jede Röstung wie einen kleinen Erdrutsch wahrnimmt, dem man nur ein paar Papierfähnchen und strenge Worte entgegenstellen kann. Aber dennoch reicht das oft aus, um einen Sieg in greifbare Nähe zu rücken.

Eine Auswertung die bei Technik und Geschmack punktet, aber nicht lang genug geröstet wurde

Bei Coffee Roaster Erfolg zu haben ist gerade deshalb so wertvoll und zufriedenstellend, weil es eine so weite Kluft zwischen dem gibt was wir verändern wollen und dem was wir verändern können. Das wird nicht zuletzt dadurch veranschaulicht, dass der Verwaltungsaufwand einer Röstung eben größer ist, als der einer Sonderaktion. Das haptische Erlebnis unterstreicht unauffällig den Reiz der Herausforderung, den das Spiel bietet. Mit jedem Griff in den Beutel droht uns das Spiel zu entgleiten. Jede ausgeführte Sonderaktion ist ein bewusst eingegangenes Risiko, von dem wir erst am Ende des Spiels wissen, ob es sich gelohnt hat.

Saashi gelingt hier ein Spagat, um den ihn nicht wenige Designer beneiden werden. Ein Spiel, welches trotz einer überschaubaren Zahl an Entscheidungen Spielende in seinen Bann zu ziehen weiß. Ein Design, welches auch deshalb funktioniert, weil es auf clevere Art Spannung aufbaut und es uns überlässt wann wir sie auflösen wollen. Kurz gesagt: Coffee Roaster ist eine spielerische Delikatesse.

Georgios Panagiotidis
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