Verlag: Ragnar Brothers
Autoren: Steve Kendall (mit Hilfe von Phil Kendall und Gary Dicken)
Spieleranzahl: 1-4
Alter: ab 14 Jahre
Spieldauer: 90-180 Minuten
In manchen Kreisen unseres Hobbies haben Eurogames einen schlechten Ruf. Sie werden dort schon mal als blutarmes Würfelschieben bezeichnet. Es seien lediglich umständliche Regelsysteme über die man einen Hauch eines Themas gestülpt hat. Oft werden sie wegen fehlender Spielerinteraktion kritisiert. Nur selten wecken diese Spiele die Art von Emotionen, die von der Illustration auf der Spielschachtel versprochen wurden.
Als Eurogame hat es The Romans daher auch nicht leicht. Zum einen spielt es in Mittelmeerraum zur Zeit der Antike. Ein Setting, das nur noch wenig Begeisterung auszulösen weiß. Außerdem basiert es auf der bekanntesten Innovation des Eurogame-Genres: dem Worker-Placement-Mechanismus. Zu guter Letzt gibt es – obwohl militärische Feldzüge ein Kernbestandteil des Spiel sind – so gut wie keine direkte Interaktion zwischen den Spielern. Man kann sich lediglich Aktionsfelder auf dem Spielbrett (aus bedrucktem Stoff) wegschnappen, aber keine seiner Armeen dem Gegner auf den Hals schicken.
Dennoch gelingt es The Romans diese abgegriffenen Vorwürfe an das Genre zu überwinden. Denn auch wenn es nach allen äußerlichen Merkmalen einem Eurogame entspricht, so fühlt es sich im Spiel nicht nach einem solchen an.
Das liegt zum einen an der verschmitzten Illustration, hinter der sich eine vielseitige, reizvolle Herausforderung versteckt. Gespickt mit taktischen Entscheidungen, strategischen Überlegungen und der richtigen Menge an riskanten Spielmomenten bleibt man die gesamte Spieldauer bei der Sache. Wenn man bedenkt, dass die Schachtel von The Romans diese Dauer mit 90-180 Minuten beziffert, ist das schon eine Leistung.
Das funktioniert unter anderem, weil den Spielern durchgehend klar erkennbare Ziele präsentiert werden. Jede Ära des Spiels beginnt damit, dass für jeden Spieler zufällig eine Provinz gewählt wird, die dieser erobern muss. Hat er diese Aufgabe in einer vorherigen Ära bereits bewältigt, so kann man auf das Besiedeln umlenken. Vom ersten Spielzug an sind die Ziele klar und man kann sich ganz mit dem Planen und Taktieren beschäftigen. Im Laufe des Spiels werden neue Gebäude (d.h. Aktionsfelder) aufgedeckt, welche die Handlungsmöglichkeiten erweitern. Wem es gelingt die gesamte italische Halbinsels unter seine Gewalt zu bringen, kann sogar auf die Gunst der Götter setzen und so mit zusätzlicher Unterstützung die Welt erobern. Während The Romans also auf sein Ende zusteuert, wird es zunehmend anspruchsvoller und vielschichtiger.
Statt an Hand einer linearen Steigerung durch das Spiel zu führen, schließt jede der fünf Ären mit einem Aufstand ab, welcher die Ausgangslage der nächsten Ära maßgeblich verändern kann. Diese kleinen dynamischen Veränderungen tragen viel dazu bei, um das eigene Imperium lebendig werden zu lassen. Es gibt ein Auf und Ab der Eroberungen, die man mit dem eigenen Reich über die Ären hinweg halten will.
Man muss Armeen und Flotten bezahlen bevor strategische Kampagnen zur erwählten Provinz geführt werden können. Aber es müssen auch Ressourcen gesammelt werden, um Aktionen zu nutzen oder später Befestigungen und Städte zu errichten. Obendrein will man mit der Militärkampagne den Rand der bekannten Welt erreichen (ergo des Spielbretts), weil dort neue Aufgabenziele warten, die am Ende des Spiels Punkte bringen. Dies alles findet auf dem persönlichen Spielbrett jedes Spielers statt, wodurch man sich zumindest auf dem Schlachtfeld nicht in die Quere kommt. Wohl aber bei der Wahl der geheimen Ziele, die man sich aus den entsprechenden Regionen aller Mitspieler wählt. So kommt es zumindest zu sehr indirekter Interaktion, wenn man einem anderen Spieler ein Ziel zuschiebt, das ihm herzlich wenig Punkte einbringen wird.
The Romans hält an seinem Rundenablauf ab der ersten Ära strikt fest und weicht nicht davon ab. Dennoch fühlt es sich niemals statisch oder repetitiv an. Zum Abschluß einer jeden Ära werden durch den Ein-Würfelwurf-Kampfmechanismus maßgebliche Veränderungen ausgelöst. Die Schlachten dienen sowohl als Belastungstest der eigenen Errungenschaften, wie auch als Neuordnung der Ausgangspostition zu Beginn der nächsten Ära.
Während die Herausforderungen des Spiels einen in den Bann ziehen, weckt The Romans ein Gefühl der unaufdringlich voranschreitenden Geschichte. Zum Ende einer jeden Ära wird eure Fähigkeit das römische Reich zu Ruhm zu führen auf die Probe gestellt. Diese Probe zu bestehen fühlt sich großartig an. Auf Grund eurer Pläne und Entscheidungen hat das Imperium Bestand. Sogar noch mächtiger als zuvor. Wer scheitert, dessen Ehrgeiz ist nur noch stärker befeuert die neue Ära noch glorreicher bestehen zu wollen.
In typischer Eurogame-Tradition bewegt sich das Spiel in einer unruhigen Spannung zwischen zwei Spielarten. Auf der einen Seite entsendet man seine Senatoren, um sich so mehr Ruhm zu sichern als es den Kontrahenten gelingt. Auf der anderen legt man seine Senatoren dort hin, wo sie die Pläne der anderen am Stärksten verkomplizieren können. Viele Spieler genießen es zwischen diesen beiden Anreizen hin- und hergerissen zu werden.
Wer jedoch, wie ich, dem Schreckgespenst der Schadenfreude beim Spielen nie viel abgewinnen konnte, der sollte dem Solomodus Aufmerksamkeit schenken. Das Planen und Abwägen wie man seine Arbeiter am besten nutzt wird beibehalten. Dafür vermeidet man jedoch die augenverdrehende Frustration von anderen Spielern blockiert zu werden. Ob nun vorsätzlich oder aus Versehen.
Aber dieses unterhaltsame und reizvolle Paket ist nicht ganz ohne kleine Schönheitsfehler. Ein etwas moderneres Layout hätte den Regeln sicher gut getan und geholfen das Gesamtbild besser zu kommunizieren. Zwar ist jeder einzelne Schritt klar und verständlich erklärt, aber es braucht meist einige Züge bevor man verstanden hat wie alles zusammenhängt. Die grafische Aufmachung von The Romans ist zwar hell und verspielt, wirkt aber gelegentlich etwas unruhig. Es kann ein wenig dauern bis man mit sicherer Hand sämtliche Plättchen, Spielsteine und Leisten zu benutzen weiß.
Diese kleinen Kritikpunkte sollten nicht davon ablenken, dass es sich hier um ein Spiel handelt, welches man mit viel Genugtuung zu Ende führt und das eine Herausforderung liefert, die man gerne immer wieder angeht. Ob nun alleine oder mit Anderen.
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