Sherlock in Time
Verlag: TCG Factory
Autor: Jose D. Flores
für 2-6 Spieler*innen
ab 10 Jahren
Dauer: ca. 20 Minuten
Brettspielgenres sind meistens eher diffus umrissen. Thematisch mag man versuchen können Grenzen zu ziehen wie etwa mit Cthulhu oder Zombies. Aber spätestens wenn man Regelmechanismen hinzunimmt, stellt sich die Frage wann ein Spiel ein Deckbuilder ist und wann nur ein Deckbuilding-Mechanismus eingesetzt wird.
Dankenswerterweise ist Sherlock in Time von seinen Regeln sehr klar und eindeutig einem Spielgenre zuzuordnen. Es ist ein einfaches Deduktions-Spiel mit Karten. Es ist kurz erklärt und ebenso kurz gespielt. Sherlock in Time ist ein sehr reines Deduktions-Spiel. Im Stile von Cluedo stellt man Fragen über eine Kombination an Täter, Diebesgut und Tatort und erhält von den restlichen Spieler*innen Antwort darüber wie viele Punkte davon zutreffen. Jedoch nicht welche.
Das macht Sherlock in Time zu einem bemerkenswert zugänglichen Deduktionsspiel, aber diese stromlinienförmige Design ist unter anderem mit fehlenden Regelkniffen erkauft. Die beigelegte Mini-Erweiterung fügt noch einmalige Sondereffekte hinzu, welche einen Hauch von Wettbewerb einfügen. Ausliegende Informationen werden verdeckt, Spieler*innen übersprungen oder ein Doppelzug wird ausgeführt. Das fügt sich nahtlos in das Spiel ein, verändert das Spielgefühl nur gering.
Die Illustrationen sind handwerklich kompetent, wenn ihnen auch ein wenig an Charakter fehlt. Überhaupt scheint die einzige nennenswerte Schwäche des Spiels darin zu bestehen, dass das Bemerkenswerteste an Sherlock in Time sein Name ist. Denn dieser ist nicht – wie hierzulande üblich – wörtlich zu verstehen, sondern assoziativ. Sherlock kommt im Spiel nicht weiter vor, jedoch beschäftigt man sich mit logischen Schlussfolgerungen an Hand vorliegender Informationen. Auch der Zusatz „in Time“ bezieht sich weniger auf die chronologische Abfolge eines Diebstahls, sondern darauf, dass wir statt im viktorianischen London des 19. Jahrhunderts im feudalen Japan spielen.
Sherlock in Time macht nichts falsch. Die Regeln sind sauber und nachvollziehbar geschrieben. Der Spielablauf ist schlüssig und ohne irgendwelche Stolpersteine versehen. Es fehlt aber ein eigener Charakter, um das Spiel klar zu greifen. Daher bleibt das Thema auch nicht am Spielerlebnis hängen und das Spiel wirkt nicht eigenständig genug, um aus dem Regal gezogen zu werden, wenn einen die Lust auf Deduktion packt.
Es ist ein schlankes Deduktionsspiel, welches das Genre klar und direkt nahe bringt. Wer damit zum ersten Mal mit modernen Brettspielen in Berührung kommt, wird sicherlich nicht abgeschreckt sein. Aber ob die Erinnerung an Sherlock in Time noch vorhanden sein wird, wenn man ausgefallenere oder raffiniertere Designs probiert, mag ich nicht garantieren.
Abu Simbel
Verlag: TCG Factory
Autor: Manuel J. Garcia
für 2-6 Spieler*innen
ab 8 Jahren
Dauer: ca. 20 Minuten
Auf den ersten Blick mag Abu Simbel in ähnlich seichten Gewässern fahren wie Sherlock in Time. Eine Prise Memory mit ein paar einfachen Bewegungen vermischt und am Ende verteilen wir noch einige Siegpunkte. Zugegeben, auch hier hält sich die Innovation des Spieldesigns in Grenzen. Das Besondere und auch Bemerkenswerte an dem Spiel ist eher, dass es durch die Einbindung körperlicher Bewegung eine erfrischend andere Dynamik gewinnt. Oder anders gesagt: Abu Simbel macht Spaß, weil sich die einfachen Regeln mit einer einfachen Choreographie verbinden, die man immer wieder aufführen muss.
Die Karten geben eine Bewegungsfolge vor, die man ausführen muss. Anschließend dreht man sich um, und führt die gleichen Bewegungen in verkehrter Reihenfolge und ohne Blick auf die Karten erneut aus.
Das mag in seiner Schlichtheit nach einem banalen Spielerlebnis klingen. Aber in der Praxis gewinnt Abu Simbel so die Leichtherzigkeit eines Partyspiels. Und wie so oft merkt man auch hier, dass die einfache Punktewertung schnell ignoriert wird. (Ob das daran liegt, dass die Aufgabe, die man uns stellt, eben doch zu einfach ist oder daran, dass man bei Partyspielen selten den Punktesieg in den Mittelpunkt stellt, lasse ich mal offene Frage hier stehen.)
Wer missgünstig denken mag, wird den Charme von Abu Simbel vielleicht als etwas billig abtun. Aber letztendlich trifft Abu Simbel dennoch sein Ziel für Spielfreude und Gemeinschaftlichkeit zu sorgen. Erfahrene Spielprofis mögen solche Erlebnisse nur in komplexen strategischen Wettkämpfen, mehrfach verschachtelten Kettenzügen oder gelegentlich mal in ganz vertrackten Verhandlungen und Diskussionen suchen, wenn man versucht sich gegenseitig über den Tisch zu ziehen.
Aber letztendlich ist Spaß nun mal Spaß. Ob dieser durch penibel austarierte Regelmechanismen in hochspannenden Duellen oder eben durch die Kombination aus Hüpfen, Ducken, Gehen, seitwärts laufen entsteht, ist dabei im Kern unerheblich. Abu Simbel funktioniert auch in verschiedenen Altersgruppen gut, vorausgesetzt man kann sich überwinden für ein Spiel auch mal vom Tisch aufzustehen.
Spielen ist eine Aktivität und in Abu Simbel wird sie durch eine Handvoll körperliche Bewegungen sehr unterhaltsam ergänzt. Allein der Schwierigkeitsgrad in der kooperativen Variante könnte etwas Nachjustierung gebrauchen. Denn 10x rein und raus hüpfen ist dann doch zu schnell getan. Auch wenn es unterhaltsam ist.
#Spiel23
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