Autor: Emanuele Briano
Illustration: Marion Aupied
Verlag: Mandoo Games
für 2-4 Spieler*innen
ab 8 Jahren
Dauer: 20 Minuten
„Die ich rief, die Geister, werde ich nun nicht los und sie dekorieren jetzt auch noch um“ schrieb Goethe in einer frühen Fassung des Zauberlehrlings [citation needed]. Und nun wurde diese Idee in Quiet House von Emanuele Briano umgesetzt. Als sprachlich eingeschränkte Phantasmen rücken wir gemeinsam die Möbelstücke (Spielsteine) in unserem neuen Heim (dem Spielbrett) zurecht. Dabei folgen wir festen mystischen Vorgaben (Bewegungsregeln) und versuchen sie nach einem Muster aufzustellen, dass uns nicht einmal selbst ganz klar ist.
Das darf man durchaus wörtlich verstehen. Denn die zufällig bestimmte Kartenvorgabe zu Spielbeginn legt zwar fest wie bestimmte Spielsteine auf dem Brett verteilt sein müssen, aber jede*r von uns hat nur Einblick in einen Teil dieser Vorgaben. Was ich über unsere Ziele weiß, deckt sich zur Hälfte mit dem Wissen meiner Nachbar*innen und schließt das Wissen meines Gegenübers aber komplett aus. Aus diesen Lücken zieht Quiet House einen Großteil seiner spielerischen Herausforderung und seiner Spannung.
So liegt die Schwierigkeit in Quiet House zum einen darin die Einschränkungen bei der Bewegung der Steine durch kluge Planung zu umgehen. Je Spalte und je Reihe darf sich immer nur ein Spielstein befinden. Hinzu kommt, dass jeder Spielstein sich nur nach eigenen vorgeschriebenen Regeln bewegen darf. So nehmen die eigenen Überlegungen schnell recht anspruchsvolle Maße an. Der Kerzenhalter muss sich erst nach links bewegen, bevor der Spiegel nach vorne kann, damit die Statue den freien Platz füllen darf. Alle am Tisch verfolgen vergleichbare, aber eben nicht die gleichen Pläne. So kommt man sich mit der Bewegung immer wieder in die Quere und vereitelt – oftmals unabsichtig – die Ziele der Mitstreiter*innen.
Je nach Persönlichkeitstypus ist das hoch unterhaltsam oder zutiefst frustrierend. Aber nach kurzer Zeit eröffnet sich die zweite Ebene von Quiet House – das Dachgeschoss des Anwesens, wenn man so will. Denn mit ein klein wenig deduktivem Geschick und aufmerksamer Beobachtung, kann man durchaus herleiten welche Ziele die anderen Spieler*innen am Tisch sehen. Hier nun eröffnet sich der vollständig kooperative Charakter von Quiet House. Sobald man seine geisterhaften Kollegen und Kolleginnen versteht, kann man sich die Bälle bzw. die Möbelstücke mehr oder weniger zuspielen. Die stille Absprache am Tisch – wir dürfen lediglich Schilder hochhalten um unsere Zustimmung oder Ablehnung über den eben getätigten Zug zu äußern – findet ihren eigenen Rhythmus. Auf besonders hohen Spielniveaus ist sogar der Kartenstapel, der bestimmt welchen Spielstein man im eigenen Zug gerade eben nicht bewegen darf, Teil der taktischen Überlegungen. So wird jeder Spielstein ein Mal pro Nachtphase verhindert. Auch das kann einem dabei helfen die eigenen Züge besser zu planen, aber auch ein Punkt sein in dem die Züge anderer am Tisch mehr Sinn ergeben.
Daraus sollte man aber nicht schließen, dass Quiet House ein hoch-komplexes Deduktionsspiel ist, welches man nur angehen sollte, wenn man im Mensa-Vorstand sitzt. Gerade auf den anfänglichen Regelniveaus – die Bewegungseinschränkungen lassen sich auf vielfältige Art variieren – ist es auch als Familienspiel gut zu schaffen ohne dabei besonders leicht zu sein. Es ist vielmehr so, dass die schöne und kindgerechte Aufmachung ein kniffliges, abstraktes Knobelspiel beherbergt. Hier ist logisches Denken wie auch weitsichtige Planung gefragt. Die Fähigkeit sich in die Perspektive anderer Mitspieler*innen zu denken ist ein weit verlässlicheres Mittel, um das Spiel zu gewinnen als die Hoffnung darauf, dass der eigene Plan nicht zerstört wird, weil jemand den Spiegel in die falsche Richtung schiebt.
Der Clou aber auch die Achillesverse von Quiet House ist, dass die Präsentation ein leichtes, zugängliches Familienspiel ankündigt. Die Zugänglichkeit wird durch das schlanke Regelwerk eingelöst. Die Leichtigkeit und vermeintliche Zufälligkeit ist hingegen nur ein Vorgeschmack auf die versteckten Tiefen des Spiels. So halten spätere Schwierigkeitsgrade auch Deduktionsprofis gut auf Trab. Auch wenn sie sich angesichts des Themas vielleicht mit einer gruseligen und düsteren Aufmachung merklich wohler gefühlt hätten. Quiet House ist anspruchsvoller als man auf den ersten Blick vermuten würde. Strenge logische Deduktion wird hier mit kooperativen Spiel zusammengebracht. Diese Mischung ist nicht völlig fremd, aber sie kommt hier in einem unaufgeregtem Gewand.
Leider ist es eben dieses Unaufgeregte, welches dem Spiel im Weg steht. Man wünscht sich, es gäbe etwas womit die Knobelei und die Deduktion über das enge Korsett des Spielbretts hinauswachsen könnte. Ein Kniff oder Einfall, der den sorgsam getakteten Spielverlauf sprengen könnte. So bleibt Quiet House seinem Namen treu und entwickelt sich in einer gut eingespielten Gruppe in vorhersehbaren Bahnen. Es fühlt sich kleinlich an dem Spiel so etwas vorzuwerfen. Aber man kann diese Eigenschaft halt auch nicht loben.
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