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Punktesalat

Verlag: Pegasus Spiele
Autoren: Molly Johnson, Robert Melvin, Shawn Stankewich
Spielerzahl: 2-6
Alter: ab 8 Jahren
Dauer: 15-30 Minuten

Einer der am Häufigsten genannten Gründe weshalb sich Leute nicht näher mit modernen Brettspielen und Kartenspielen beschäftigen wollen, ist die vermeintlich hohe Einstiegshürde. Man muss sich in ein Regelwerk einlesen, dass sich wie eine Bedienungsanleitung für ein japanisches High-Tech-Gerät präsentiert, inklusive nummerierter Handlungsanweisungen, Schaubildern und in manchen Fällen sogar mehrerer Tabellen. Für die meisten ist das mehr Arbeit als ein Spiel abverlangen darf. Entsprechend werden Spiele gewünscht, deren Einstiegshürde derart niedrig liegt, dass noch nicht einmal ein betrunkener, englischer Butler darüber stolpern könnte.

Das Buffet ist eröffnet

Punktesalat ist durchaus ein solches Spiel. Die Regelkomplexität ist am Ehesten mit dem Klassenfahrten-Evergreen „52 Heb-Auf“ zu vergleichen. Aus der Auslage an Karten zieht man wahlweise zwei offen liegende, oder eine der drei verdeckt verfügbaren Karten. Letztere geben eine Punktewertung vor, z.B. jede gelbe Karte ist 2 Punkte wert, jede rote Karte kostet einen Punkt, etc. Offen liegende Karten kommen in einer von sechs Farben daher. Um dem Spiel mehr Profil zu als reine Farben und Punktewerte zu verpassen, werden Kartenfarben durch Gemüsesorten (diese wiederum in sehr kräftigen Farben) dargestellt. Im Laufe des Spiels sammelt man so ein Mischmasch an Gemüsekarten und Wertungskarten zusammen. Sind die Karten weg, ist das Spiel zu Ende. Die Regeln zu Punktesalat überfordern selbst eine Fünfjährige nicht. Zielorientiertes Spielen ist aber noch ein paar Jahre Spiel- und Matheerfahrung entfernt. Ein Urteil zu finden, ist auch gerade deshalb nicht einfach.

Der Einstieg wie auch der Spielverlauf von Punktesalat ist so glatt wie nur wenig was derzeit auf dem Markt ist. Wenn man am Zug ist sucht man sich entweder ein weiteres Ziel oder arbeitet an seinen bisherigen. Die Kartenstapel sind in kleiner wie auch größerer Gruppe schnell abgearbeitet, so dass das Spiel nie zu lange dauert zum Abschluß zu kommen. So spielt man es immer wieder mal kurz und macht dann etwas anderes. Aber dennoch will keine richtige Begeisterung aufkommen.

Auf meinem Rechner habe ich einige kleine Puzzle- und Rätselspiele installiert. Eines davon ist ein Nonogramm-Spiel namens Patterns. Es ist den meisten vielleicht als Picross bekannt. Jeden Tag spiele ich es mit Sicherheit ein Dutzend mal oder öfter. Während ich diesen Text schreibe habe ich es nebenher laufen und löse ein oder zwei Rätsel, bevor ich weiterschreibe. Das Lösen der Rätsel hat einen gewissen Suchtcharakter, wenn man erst ein Mal einige Erfolge verbucht hat. In vielerlei Hinsicht ist es Punktesalat damit sehr ähnlich. Aber wenn mich jemand nach einem guten digitalen Spiel fragen würde, käme es mir mit großer Wahrscheinlichkeit nicht in den Sinn. Auch wenn ich es fast unentwegt spiele und es mich schon viele Nächte daran gehindert hat, zeitig ins Bett zu gehen.

Die große Stärke an Punktesalat ist wie flink und unprätentiös es sich spielen lässt. Allerdings fordert es derart wenig Aufmerksamkeit ein, dass man nebenbei sehr viel anderes tun kann. Etwa den Brexit erklären oder einen Podcast hören. Weder Regelballast noch Frustmomente stehen dem Spielfluss im Weg. Aber wer die Genugtuung kennt sich durch diese Dinge durchzubeißen, um an seinen Spielspaß zu gelangen, wird mit Punktesalat spielerisch nicht satt werden. Der Aufwand zu punkten ist zu gering und damit das Erfolgsgefühl zu seicht. Das macht Punktesalat, wie so viele Beilagen, eigentlich verzichtbar.

Georgios Panagiotidis
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