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Plutocracy

Verlag: Doppeldenkspiele
Autor: Claudio Bierig
Spielerzahl: 2-4 Spielende
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: 60-90 Minuten (je nach Anzahl und Doppelgedenk der Mitspielenden)

Selten kommunizieren Spiele so deutlich, um was es geht: Um Geld. Der Titel bedeutet „Herrschaft der Reichen“. Die Hintergrundstory erzählt etwas von den Reichen Firmen, die auf der Erde die Nationalstaaten ersetzt haben und jetzt im Sonnensystem unterwegs sind, um Geld zu machen und damit Politische Macht zu erwerben. Plutokraten, das sind wir – tonnenweise Dosenbier!

Mit dieser  Message, an der Garth Marenghi seine Freude gehabt hätte, überrascht es nicht zu erfahren, dass Plutocracy ein lupenreines Wirtschaftsspiel ist: Wir kaufen Waren, um sie woanders für mehr Geld wieder zu verkaufen – „Pick up & Deliver“, wie dieses Genre treffenderweise heißt.

Doch auch der auf den ersten Blick etwas kryptische Untertitel „Space in Time is Money is Power“ entpuppt sich nach einer Partie als eine genaue Inhaltangabe des Spielgeschehens, sogar genauer als der eigentlich Titel (denn wir herrschen eigentlich nicht wirklich über irgendetwas):

Space is Time, weil eine Zeitleiste bestimmt wer an der Reihe ist und weil man nur deswegen Zeit verbraucht, weil man irgendwohin zieht – und das ist Pflicht am Ende des Zuges; Stehen bleiben ist nicht erlaubt (außer man steigt aus dem Spiel aus).

Time is Money weil, nun ja, isso. Preise ändern sich je nach Ort und damit auch nach Zeit und werden sowieso regelmäßig angepasst. Vor allem aber generiert man normalerweise immer mehr Geld. Wer nur investiert wird garantiert reicher.

Und Money ist Power, weil “Money” eben “Sitze” auf den Planeten kauft und die dann (hoffentlich) Siegpunkte, Verzeihung „Sitze im Plutonischen Rat, generieren.

Das ganze klingt sehr linear (Ich kaufe, ich verkaufe, ich kaufe davon Sitze, ich gewinne) und vielleicht auch etwas nüchtern-trocken, was durch die Aufmachung eher verstärkt als kaschiert wird. Und beides ist wahr. Doch der eigentliche Kniff bleibt verschleiert: Das Planetenkarussell.

Wie  es sich für ordentliche Planeten gehört, bewegen sich diese nämlich in Kreisbahnen: In regelmäßigen Abständen  machen alle Planeten (und alle, die sie gerade besuchen) einen Sprung nach vorne – die Erde rotiert sich naturgemäß dabei schneller, Pluto schafft kaum eine ganze Umrundung während der Partie. Dadurch ändern sich die Entfernungen zwischen den Planeten. Zum Teil enorm. Das bringt eine Dynamik ins Spiel, wie ich sie noch in keinem Spiel dieses Genres gesehen habe. Obwohl eigentlich völlig deterministisch ist es cool zu sehen, wie sich die Planeten um die Sonne bewegen. Das schafft Herausforderung und gleichzeitig eine schöne narrative Verankerung. Und das mit einfachen Regeln. Ich denke nicht, dass ich allzu falsch liegen, wenn ich denke, dass das Spiel um diesen Mechanismus herum entwickelt wurde.

Das wird um so deutlich, als dass der Rest des Spieles tatsächlich so linear ist, wie es eben anklang: An jedem Planeten kann nur eine Ware ge- und eine andere verkauft werden. Die Sitze generieren Mehrheiten und sitzen sonst nur herum. Das ist schon sehr geradeaus. Um die Kette : Kaufen -Reise-Verkaufen und neu Kaufen – Reisen – Verkaufen und neu Kaufen – zu unterbrechen und einen kleinen Stock in die Reifen zu stecken, gibt es noch Aufträge, die für Umwege sorgen und somit dieseen festen Rhythmus etwas stören. Verzichten kann man darauf kaum, denn es gibt Siegpunkte – Leider nur für den ersten und zweiten und das unabhängig von der Mitspieleranzahl – und damit ist dieses Element extrem brutal zu viert Dieses Stören der Kette ist für den Spielspaß enorm wichtig – so wichtig, dass ich mich wundere, dass es kein weiteres Element dieser Art gibt. Effizienterweise wird man nur ein – höchstens zweimal zur Erde fliegen um Dinge auszulösen und es gibt nur vier Aufträge. Da wäre nicht nur mehr möglich gewesen, es wäre auch sehr sinnvoll gewesen.

Denn Plutocracy ist nicht nur linear, sondern auch sehr berechenbar. Es fehlen jegliche Zufallselemente oder auch nur Unsicherheiten, wie verdeckte Preise. Vermutlich sollte hier kein potentiell frustrierendes Glückselement geschaffen werden, aber die offenen, zufallslosen Informationen in Verbindung mit dem sehr starren Verlauf sorgen dafür, dass Spielfehler einfach nicht mehr aufgeholt werden können, außer die anderen machen ihrerseits welche. Gerade in Vollbesetzung kann eine mitspielerinduzierte Fehlplanung einen schon früh aus dem Spiel werfen – und das Spiel ist auch so transparent, dass man es auch bemerkt – zu spät, um was zu ändern, zu früh um noch Spaß am Rest der Partie zu haben.Zu dritt hatte ich das nicht so schlimm empfunden wie zu viert, aber auch da kann es passieren, dass  man einige Spielphasen hinterherjoggen kann ( zu zweit habe ich das Spiel nicht gespielt).

Und auch das muss man sagen: Die Zugtiefe kann fast beliebig tief werden (*). Ich möchte aber nicht mehrere Planetensprünge im Vorfeld planen müssen, die nächsten Züge reichen mir schon – aber gut, hier ist der Verlagname wohl Programm.

Dadurch wird das Spiel insgesamt aber schon nieschiger, als nötig. Die Planetenbewegungen sind wirklich toll, aber man muss schon Freude an mathematischen Aufgabenstellungen haben, um den Rest zu genießen. Hier liegt der seltene Fall vor, wo ich tatsächlich auf eine größere Erweiterung hoffe, eine Erweiterung, die eine weitere Möglichkeit ins Spiel bringt, optimale Zugfolgen zu unterbrechen, eine Erweiterung, die eine Alternative bietet, falls der gerade Weg geradewegs ins Verderben führt, eine Erweiterung, die – ja, ich sag es ganz offen – auch ein klein wenig Unberechenbarkeit ins Spiel bringt.

Ja, so eine Erweiterung wäre schön.

 

 

* (Anmerkung: Es gibt eine Variante, mit der ein Zeitlimit eingeführt wird – aber das sorgt nur für mehr Stress, aber ändert nichts am Kernproblem)

 

Peer Sylvester
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