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Plutocracy: Passengers

 

Verlag: Doppeldenkspiele
Autor: Claudio Bierig
Spielerzahl: 1-4 Spielende (Besser 1-3)
Alter: ab 12 Jahren
Spieldauer: 70-120 Minuten (mehr Optionen heißt mehr Zugtiefe)

Ich habe nicht nachgezählt, aber ich glaube die folgende Rezension ist länger als die Regeln zu du der Mini-Erweiterung, die ich bespreche.

Plutocracy ist ein Spiel dessen Schwächen bei steigender Mitspieleranzahl immer stärker zu Vorschein kommen. Insofern passt es, dass diese Erweiterung zur Hälfte aus einer Solovariante besteht.

Die andere Hälfte dagegen wurde bestimmt explizit dazu entwickelt, um meine Kritikpunkte zu neutralisieren: Plutocracy ist in der Wirtschaftsabfolge etwas zu eindimensional und damit zu berechenbar. Das resultiert gerade in Vollbesetzung dazu, dass u.U. schon weit vor Spielende feststeht, wer sich noch Siegchancen ausrechnen kann und wer dazu verdonnert ist, wirkungslos hinterherzuhecheln. Die Dynamik des Spieles funktioniert dann gut, wenn alle einigermaßen schnell spielen und vor allem: Wenn alle anfangs mehr Wert auf Investment legen. Wer zu früh zu viel Geld in die Siegpunkte steckt, kommt anschließend nicht mehr aus dem Knick. Spielen alle suboptimal (und dass das suboptimal ist, lernt man erst, nach einer verkorksten Partie), ist das Geld so knapp, dass sich  Plutocracy sogar zäh anfühlt. Überraschungen sind praktisch unmöglich, da es keinen Zufall und nur eine überschaubare Menge an möglichen Zügen gibt. Da ist es dann Schade um die schöne Kernidee!

Gewünscht habe ich mir dahereine größere Erweiterung (…), eine Erweiterung, die eine weitere Möglichkeit ins Spiel bringt, optimale Zugfolgen zu unterbrechen, eine Erweiterung, die eine Alternative bietet, falls der gerade Weg geradewegs ins Verderben führt, eine Erweiterung, die – ja, ich sag es ganz offen – auch ein klein wenig Unberechenbarkeit ins Spiel bringt.

„Groß“ ist die Erweiterung nicht, sie besteht lediglich aus 30 Karten. Aber sie bringt tatsächlich etwas Unberechenbarkeit hinein und sie bietet eine gewünschte Alternative zur linearen Verschiffungskette des Grundspieles.

Diese Alternative sind die namensgebenden Passagiere: Sie können (einzeln, es gibt wohl nur eine Kabine auf den Raumschiffen) zusätzlich zu den Gütern transportiert werden und wollen auch irgendwohin. Wer von wo nach wo will, ist zufällig und dadurch ist das Spiel zumindest nicht durch die Startaufstellung vorherbestimmt. Es bleibt allerdings dennoch sehr berechenbar, denn der Durchsatz an Passagieren ändert sich nur, wenn irgendwo einer aufgenommen wird. Das ist überschaubar, zumal es keinen Grund gibt, einen Passagier nicht aufzunehmen, wenn der nur so ungefähr in die Richtung möchte, in die man ohnehin fliegt(Ansonsten nicht, da man die Passagiere nicht einfach auf dem falschen Bahnhof aussetzen kann – Wir sind ja nicht die Deutsche Bahn!). Da man ohnehin selten viel weiter als bis zum nächsten Planetenumschwung plant, spielt dieser Zufallsfaktor selten eine entscheidene Rolle und schlägt nicht in einen Glücksfaktor um.

Der Lohn der Mühe ist dann aber nicht etwa Geld, sondern sogenannte Favors. also Gefallen, also einmalig einzusetzende Spezialeffekte. Jeder Favor bleibt so lange im Besitz einer Person, bis er eingelöst oder ein anderer Favor aufgenommen wird. Auch das schafft eine leichte Unberechenbarkeit, da andere eventuell vor einem den Lieblingsgefallen nehmen. Ironischerweise erhöht diese Unsicherheit aber das Gedenke, denn in diesem Falle muss man alle Überlegungen von vorne beginnen. Ein größerer Kritikpunkt sind die Favors an sich, die von der Spannbreite her doch sehr stark variieren. Besonders unangenehm ist ein Effekt, dessen Stärke nach dem Erwerb mit einem W12 (!) ausgewürfelt wird. Hier sieht man besonders deutlich, dass ein Glücksfaktor auch zum Spiel passen muss. Bei einem solchen deterministischen Spiel wie es Plutocracy ist, kann der Würfelwurf einen praktisch uneinholbaren Vor- aber auch Nachteil bedeuten; Glücksfaktor und Spiel passen hier nicht zueinander, das Ergebnis eines Nicht-mittleren Ergebnisses ist Frust – je nachdem bei sich oder bei anderen (Die Lösung ist zweimal zu würfeln und den höheren Wert nehmen, wodurch dieser Favor aber recht stark werden kann).

Insgesamt aber ist das Zusammenspiel von Passagieren von Favors (von denen man sich glücklicherweise aussuchen kann, welche sich im Spiel befinden) recht ordentlich, so dass sie unbedingt ins Spiel gehören, weil sie für dringend benötigte Varianz sorgen und das Puzzlespiel erweitern.

Sie sind aber leider keineswegs ausreichend, um meine Kritikpunkte tatsächlich zu beseitigen. Sie erhöhen aber die Denktiefe und damit die Spieldauer. Das liegt auch an dem Bezahlsystem: Wer einen Favor will, nimmt sich die Karte und etwaigen darauf liegenden Münzen und legt dann aus eigener Tasche auf alle noch ausliegenden Favors Münzen. Der Mechanismus ist aus anderen Spielen bekannt und ist potentiell gut geeignet, auch unattraktivere Favors irgendwann attraktiv zu machen. Doch in diesem Fall wird die im Spiel befindliche Geldmenge ja nicht erhöht. Dadurch sind Taxifahrten wenig lukrativ – der Spezialeffekt ist selten auch nur annähernd so viel wert, wie ein erfolgreicher Handel. Mehr noch, wenn nur  weniger attraktive Favors im Spiel sind, wird die keiner nehmen wollen, weil man dann die Favors für die anderen billiger (es liegt eine Karte, die bezahlt werden muss, weniger aus) UND attraktiver. Der Impact der Favors ist dann noch geringer als ohnehin schon. Auf mich persönlich wirkt das System auch etwas klobig und nicht so richtig elegant. Ich habe nicht ausprobiert, was passiert, wenn das Geld einfach aus dem Vorrat kommt, aber das wäre zumindest die natürlichere Lösung gewesen. Den Grund für das System konnte ich dem Spieldesign jedenfalls nicht entlocken.

Doch vor allem habe ich ein wenig das Gefühl, dass hier insgesamt der Mut fehlte, wirklich in das Spielgeschehen einzugreifen. Die Passagiere sind eine nette Idee, aber keine Alternative zum (nach wie vor linearen) Handel. Die Favors sind gerade für Einmaleffekte zu schwach und im Erwerb tatsächlich manchmal sogar zu teuer, um wirklich mehr zu sein, als ein kleines Schräubchen. Mehr Geld zusätzlich zu den Favors wäre auch gut gewesen. Ich wäre auch begeisteter, wenn die Favors origineller wären, aber ich vermute dafür gibt es im Grundspiel zu wenig Variablen, mit denen man herumspielen kann. Vielleicht soll die Erweiterung auch nur ein kleines Schmankerl sein, wie der Brite sagt, und eben keine große Erweiterung, die am Motor wesentliches ändert.

Vielleicht kommt die Große Erweiterung ja noch, die Kleine ist jedenfalls wenig mehr als eine Variante – außer man möchte Solo spielen.

Das Solo-Spiel ist insofern ein anderer Schnack, weil es sich auf das Taxifahren beschränkt: Handelssystem, Ratssitze, Favors und die Aufträge auf der Erde spielen allesamt nicht mit. Wir müssen lediglich Passagiere von A nach B transportieren, ohne dass diese zu lange warten müssen. Wer einen Planeten zu lange nicht anfährt verliert ebenso wie faule Transportunternehmen, die insgesamt zu wenig Passagiere bedienen. Der Schwierigkeitsgrad der Aufgabe lässt sich einstellen, hängt aber vor allem vom Losglück ab: Wenn die Passagiere blöde kommen, hat man kaum eine Chance.

Doch ist das genau die Unsicherheit, die ein Solospiel braucht, wenn es mehr sein möchte, als eine durchrechenbare Rätselaufgabe! Mehr noch: Die Solovariante konzentriert sich auf die Dinge, die bei Plutocracy Spaß machen: Das nutzen der Planetenbewegungen und der Zeitleiste. Natürlich hilft es, dass es alleine keine Downtime gibt und das Spiel zu Ende ist, wenn man sich verkalkuliert hat, aber dennoch: In dieser Form sieht man wie cool ein Pick up & Deliver mit flexiblem Spielplan (!) und Zeitleiste, die steuert, wann bestimmte Dinge passieren, eigentlich sein kann. Ob eine reine Taxisimulation auch im Mehrpersonenspiel auf Dauer genug bieten würde, weiß ich nicht, aber das Spielgefühl der Solovariante ist genau das, was ich von einem Pick up& Deliver erwarte.

Vielleicht fahre ich aber auch einfach gerne Space Taxis.

 

Space Taxi 3 screenshot

 

 

Peer Sylvester
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