spielbar.com

Orichalkum

Autoren: Bruno Cathala & Johannes Goupy
Verlag: Catch Up Games, Pegasus Spiele
für 2-4 Spieler*innen
ab 10 Jahren
Dauer: 45-60 Minuten

Einer der ersten Schritte in jeder Spielkritik besteht darin, dass Spielerlebnis auf seinen Kern zu vereinfachen. In möglichst knappen und prägnanten Sätzen sollte kommuniziert werden, was das Wichtigste am Spiel ist oder zumindest was man jenseits der schönen Aufmachung und stimmungsvollen Begriffe tut. Wenn ich ein Spiel neu erkläre, greife ich oftmals auf genau diese Umschreibung zurück. Bei Orichalkum hingegen kam ich immer wieder ins Stolpern. Die Zusammenfassung war kaum kürzer als die Regelerklärung selbst. Der Versuch das Spiel aufs Wesentliche herunterzubrechen, ohne dabei in bedeutungslose Szenebegriffe zu rutschen, fiel mir nicht leicht.

Das liegt daran, dass das Spieldesign diesen Schritt bereits für mich getan hatte. Orichalkum ist ein Spiel, welches auf seine Essenz reduziert ist ohne dabei reduktiv zu wirken. Es ist ein Spiel, welches durch sein klares Design und saubere Präsentation einen direkten Einstieg ins Spielgeschehen bietet. Das ist beeindruckend.

Landschaften & Aktionen wählen ist der Motor des Spiels

Wir wählen aus der gemeinsamen Auslage ein Paar aus Spielplättchen („entdeckte Landschaften“) und Aktion. Ersteres platzieren wir auf unserer Karte und letzteres können wir ausführen. Unser Ziel ist es durch das kluge Kombinieren dieser Dinge Siegpunkte in der einen oder anderen Form zu erlangen. Unsere langsam bebaute („erforschte“) Karte gibt uns die Möglichkeit einzelne Siegpunkte zu holen (z.B. „Tempel bauen“). Ressourcen wie das namensgebende Orichalkum, die wir sammeln oder stellenweise generieren können, eröffnet uns die andere. Dazwischen gibt es Möglichkeiten Bonusaktionen auszuführen, die uns helfen schneller an die oben erwähnten Siegpunkte zu gelangen.

Interessanterweise, täuscht dieser leichtfüßige und elegante Einstieg ins Spielgeschehen etwas über die noch ausstehende Lernkurve hinweg. Anfangs hat man Gefühl, dass die zufällige Kombination aus Landschaften und Aktionen in der Kartenauslage sowie die ähnlich zufällige Verteilung von Gebäuden, die einem zusätzliche Optionen bieten, über den Verlauf des Spiels entscheidet. Aber nach mehreren Partien (und bei erfahrenen Spieler*innen sind es auch weniger) wird deutlich, dass man sich durch vorausschauendes Spiel und Taktieren mehr Flexibilität bewahren kann. Orichalkum gewinnt dadurch nicht unbedingt an strategischer Komplexität, aber es gibt einem das gute Gefühl sich vom Zufall unabhängiger zu machen.

Das Spiel endet mit einem „sudden death“-Mechanismus. Sobald jemand den 5. Punkt geholt hat, ist das Spiel augenblicklich vorbei. Das hat zur Folge, dass Spannungsspitzen erst in der letzten Runde auftreten. Aber auch nur, wenn sich mehrere Spieler*innen kurz vor dem Sieg befinden. Für manche Gruppe endet Orichalkum darum antiklimaktisch. Die Aktion, die für den letzten Punkt benötigt wird, ist verfügbar und das Spiel ist damit zu Ende. Genau dieser Abschluss ist aber reizvoll, wenn man sich daran erfreuen kann, dass ein ausgeklügelter Plan aufgeht und umgesetzt wird. Denn es ist nicht möglich von anderen im eigenen Zug eingeschränkt oder aufgehalten zu werden.

Diese Handlungsgarantie wird gerade von Spieler*innen geschätzt, welche die „hohe Interaktion“ (sprich: das Hickhack welches in anderen Spielen prominent vertreten ist) lieber vermeiden. Orichalkum ist knifflig, wenn man es auf einem bestimmten Niveau spielt in dem man Züge vorausplant und sich Optionen offen halten will. Bis man diesen Punkt erreicht hat, bleibt es eine kunterbunte, wohlgelaunte Legepartie, in der man manchmal auf die richtige Aktion oder das richtige Plättchen hofft und manchmal versuchen muss aus einer schlechten Ausgangslage das Beste zu machen.

Mutige Hopliten bieten dem Zyklopen Paroli

Wer sich jedoch tiefer in der Szene verortet, wird womöglich anmerken, dass es Orichalkum am Mut zum Unmut fehlt. Orichalkum ist ein Spiel, welches gefallen will und darum einen großen Wert darauf legt Frustrationsmomente zu minimieren. Wenn man einen Rückschlag erleidet, wird dieser vom Design gedämpft. Wenn zum Beispiel die eigenen Hopliten gegen ein Monster in den Kampf ziehen und scheitern, sind diese nicht verloren. Stattdessen halten sie wacker die Stellung, um beim nächsten Kampfbefehl zu unterstützen. Wer in einem Spiel nur aufgehen kann, wenn „falsche“ Entscheidungen Strafen und Züchtigungen nach sich ziehen, wird es schwer finden sich hier an etwas festzuhalten.

In Orichalkum ist jede Aktion darauf ausgelegt konstruktiv zu sein. Man muss sich schon sehr bemühen, um die eigene Handlungsfähigkeit bis in die Belanglosigkeit zu reduzieren. Im schlimmsten Fall verlangsamt man lediglich den eigenen Fortschritt. Nicht ohne Grund wird das Spiel im Regelheft als Wettrennen umschrieben.

Orichalkum spielt sich wie ein Destillat der Best Practices des modernen Spieldesigns. Es ist klar strukturiert, zugänglich präsentiert und der Spielfluß erschließt sich auch ungeübten Spieler*innen nach kurzer Zeit. Das ist derart souveräne Handwerkskunst, dass sie in ihrer Direktheit als banal missverstanden werden könnte. Orichalkum mag zwar nicht so hoch geschätzt wie Gold sein, aber es ist dennoch sehr wertvoll.

Georgios Panagiotidis
Letzte Artikel von Georgios Panagiotidis (Alle anzeigen)