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Nekojima

Autor*innen: David Carmona & Karen Nguyen
Verlag: Unfriendly Games / Huch
für 1 – 5 Spieler*innen
ab 7 Jahren
Dauer: 15 Minuten

Spiele leben von Emotionen. Entsprechend sind die verschiedenen Genres auch auf bestimmte emotionale Erlebnisse ausgelegt. Strategiespiele etwa bieten Herausforderungen, die man mit den richtigen Entscheidungen mit großer Genugtuung lösen kann. Deduktionsspiele locken mit dem Gefühl, ein mysteriöses Rätsel durch strenge Logik zu entzaubern. Geschicklichkeitsspiele bieten etwas anderes. Im Fall von Nekojima ist es vor allem Spannung und Nervenkitzel.

Der verzerrte Blickwinkel war nötig, um das ganze Konstrukt aufs Bild zu bekommen

In Nekojima müssen wir das Spielmaterial (21 „Strommasten“ aus jeweils zwei breiten Holzstäben, die mit einem bunten Seil verbunden sind) so auf dem Spielbrett arrangieren, dass kein Objekt ein anderes berührt. Dabei können wir aber auch Holzstäbe aufeinander türmen, um die Kontakte zu vermeiden. Der Vergleich zu Jenga bietet sich hier beinahe an. Aber wo Jenga durch klare geometrische Formen einen Hauch von Taktik und Strategie suggeriert, neigt Nekojima zum Verspielten. Zwei Würfel entscheiden, wohin wir die Holzstäbe platzieren müssen. Ein weiteres Zufallselement bestimmt, aus welcher Gruppe Holzstäben wir wählen müssen.

Unterschieden wird hier anhand der kräftigen Farben der kurzen Seile zwischen den Stäben. Diese ausdrucksstarken Farbspritzer unterstreichen nicht nur, dass Nekojima vorrangig ein Spiel ist. Sie führen auch dazu, dass das Gebilde, welches im Laufe des Spiels auf dem Brett entsteht, einen eigenen Charakter hat. Es ist ein kurzfristig errichtetes Monument unserer Anspannung und unseres Nervenkitzels. Während man bei vielen Strategiespielen lang und breit über die taktischen Möglichkeiten und die strategische Tiefe philosophieren kann, wirkt dieses Thema bei Geschicklichkeitsspielen aufgesetzt und weltfremd. Hier steht das visuelle und haptische Erlebnis im Mittelpunkt.

Im Zeitalter der Handyfotos am Spieltisch ist es fast unmöglich, ein laufendes Spiel zu verewigen, ohne dass das Konstrukt wahnwitzig und höchst instabil wirkt. Aber dieses Phänomen ist nicht nur Social Media-Nutzern und ihren Filtern vergönnt. Auch am Tisch macht der Anblick von Nekojima schnell nervös. Es scheint oft so, dass auch nur der leichteste Windstoß reichen würde, um das Gebilde zusammenstürzen zu lassen und das Spiel zu beenden.

Das kleine Brett dient als haptischer High Score Tracker

Es ist eben diese Nervosität und dieser Nervenkitzel, der die Spielfreude in Nekojima ausmacht. Das Material ist hier nicht Mittel zum Zweck. In einem Geschicklichkeitsspiel steht und fällt (hah!) das Erlebnis mit seinem Material. Entscheidend ist nicht, ob das Material hochwertig und kostspielig wirkt, sondern wie seine Eigenschaften das Spielziel unterstützen. Hier nun ist dem Verlag bzw. den Autor*innen ein Glücksgriff gelungen. Das geringe Eigengewicht der Holzstäbe führt dazu, dass man sich nie vollkommen sicher sein kann, ob das Auftürmen nicht doch scheitern wird; ob der Schwerpunkt der Säule nicht vielleicht doch einen Mikro-Millimeter weiter links lag. Wie einflussreich das Gewicht für das Spielgefühl ist, wird deutlich, wenn man die Holzstäbe mit den schwarzen Pappkatzen vergleicht, die man im Laufe des Spiels an Seile hängen muss. Das unerwartete Gewicht dieser Stanzfiguren macht es umso schwieriger abzuschätzen, ob die aufgetürmten Holzstäbe halten werden oder nicht.

Die richtige Platzierung und Ausrichtung der Objekte ist natürlich wichtig und muss sorgsam abgewogen werden. Aber im Kern lebt Nekojima vom haptischen Spielerlebnis. Es lebt von der wachsenden Spannung, wenn die hoch instabile Konstruktion auf dem Spielbrett immer wieder vom Kollaps bedroht wird. Das Spiel lässt sich übrigens wahlweise kompetitiv oder kooperativ spielen. Die Entscheidung hängt dabei allein davon ab, ob man das eigene Spielerlebnis von Schadenfreude oder von Solidarität geformt sehen will. So oder so, Nekojima ist alles nur nicht langweilig.

Georgios Panagiotidis
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