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Metropolys

Verlag: Ystari (Vertrieb durch Huch & Friends)
Autor: Sébastien Pauchon
Spieleranzahl: 2-4
Alter: ab 8 Jahre
Spieldauer: 30-60 Minuten (stark abhängig von der Mitspieleranzahl)

Ich weiß, was sie gehört haben, und sie sollten das schnell wieder vergessen: Wie man auch immer über Metropolys denken mag, es ist definitiv kein Spiel-des-Jahres-Material.
Derartige Behauptungen wurden im Vorfeld gerne von Leuten geäußert, die auch nach nunmehr fast 30 Jahren SdJ-Geschichte immer noch denken, ein Spiel mit einfachen Regeln, wäre automatisch auch familientauglich. Eine Partie Metropolys sollte einen jedoch schnell vom Gegenteil überzeugen!
Doch da es der Sinn einer Rezension ja nun einmal ist, sich diese Probepartie potentiell sparen zu können, führen sie wir im folgenden virtuell durch:

Als erstes wird der Spielplan aufgedeckt, der in einem recht eigentümlichen Stil eine futuristische Stadt zeigt (Mir gefällts. Aber die Reaktionen reichen von „Wahnsinn!“ bis „Ist der Graphiker wahnsinnig?“). Die Anzahl der Stadtviertel entspricht der Spieleranzahl. Die Stadtviertel sind ihrerseits in verschiedene Gebiete unterschiedlicher Gestaltung unterteilt, auf der diverse Chips liegen. In der Regel wird man die „Profiversion“ bevorzugen, denn die spielt sich de facto wie das Grundspiel, nur die Wertung ist etwas raffinierter (= besser) und dann bekommt man bestimmte Gebietsfarben und Kombinationen zugeteilt, für die es bei Spielende Punkte gibt (Diese Aufträge gibt’s im Grundspiel auch, nur nicht ganz so diffizil).
Ach und natürlich bekommt jeder Spieler die wichtigsten Utensilien: Die 13 Gebäude (entsprechend durchnummeriert).

Der Startspieler sucht sich jetzt irgendeinen Platz auf den Plan aus und setzt ein beliebiges Gebäude dort hin. Reihum darf nun jeder Spieler eines seiner Gebäude mit höherer Nummer auf ein benachbartes freies Feld stellen. Allerdings bleibt nur ein Gebäude stehen und zwar das jeweils letzte. Mit anderen Worten: Wir haben es mit einer Art architektonisches Bieten zu tun: Reihum bieten die Spieler mit ihren Gebäuden, wobei das Gebot auch gleich den Bauplatz bestimmt. Und noch raffinierter: Gibt es keinen benachbarten Bauplatz mehr, so kann auch keiner mehr überbieten. Das bedeutet natürlich dass der Startspieler u.U. ein Gebäude sofort einsetzen kann. Sie es weil er die höchste noch im Spiel verbleibende Nummer hält (die anderen also nicht zahlenmäßig überbieten können), sei es weil er sein Gebotsgebäude zwischen besetzten Feldern platziert (die anderen also nicht topologisch überbieten können). Das war’s auch schon mit Metropolys; Der Rest ist Punktezählen am Schluss: Punkte für Aufträge und Punkte für gesammelte Chips und Punkte für die höchsten Gebäude in den Vierteln. Dass die Regeln einfach sind, hab ich ja bereits gesagt!

Und natürlich liegt der Pfiff darin, so zu bauen, dass man möglichst viele Gebiete ohne Gegenwehr bekommt – und das ist in erster Linie eine Timingfrage. Als Startspieler kann man im späteren Drittel der Partie locker 2-4 Gebäude bauen, ohne dass da jemand anderes eingreifen könnte und das kann zum Sieg ausreichen (zumal das Spiel sofort endet, wenn ein Spieler seinen letzten Turm verbaut). Mehr ist nicht. Und hier liegt Stärke und Schwäche von Metropolys zugleich: Einerseits besticht es durch seine Einfachheit und dem originellen Hauptmechanismus, zum anderen bietet es eben auch nur diesen einen Versteigerungsmechanismus. Wer damit nichts anzufangen mag oder kann, wird Metropolys in die Ecke legen. Und er wird gute Argumente gegen das Spiel ins Feld führen können (und die sind auch Argumente gegen eine SdJ-Nominierung): Es ist sehr grüblerisch, die Abrechnung ist genau das, nämlich eine echte AbRECHNUNG (Hier wäre eine Kramerleiste tatsächlich hilfreich gewesen, obwohl es nur eine Wertung gibt) und vor allem: Zu viert dauert es zu lange bis das Spiel in Gang kommt.
Die Startphase ist nämlich recht beliebig – so lange man eine Versteigerung nicht durch die topologische Komponente gewinnen kann, ist das Spiel nur bedingt kontrollierbar. Und zu viert denken nicht nur mehr Leute mit, der Plan ist auch deutlich größer, so dass es deutlich länger dauert bis das „eigentliche“ Spiel beginnt und der Mechanismus seine Stärken ausspielen kann. Zu dritt geht’s (dank der abgeriegelten Stadtviertel) deutlich schneller zur Sache. Und zu zweit hat Metropolys fast schon den Charakter eines abstrakten Zweipersonen-Setzspieles. Und zu zweit kann es – bei ungleichen Spielpartnern – auch verdammt schnell zur Sache gehen. Ich hab einmal eine Partie beendet, bei der mein Gegner noch 6 der 13 Gebäude hatte. Da fehlt mir persönlich schon wieder das spielerische, Freunde von abstrakten Denkspielen, dürften es aber durchaus mögen. Ich persönlich halte das Spiel zu dritt für die beste Metropolys-Besetzung. Besonders wenn alle in etwa gleich stark sind, denn ein Neuling liefert seinem erfahrenen Sitznachbar so manche Steilvorlage.

Und apropos „Ich persönlich“: Ich persönlich mag Metropolys. Ich schätze den neuartigen Versteigerungsmechanismus. Ich bin sogar mit der Graphik im reinen. Aber all diese Punkte sind mehr noch als bei anderen Spielen vor allem eines: Geschmackssache.

Peer Sylvester
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