Autor: Kevin Hamano
Illustratorin: Beth Sobel
Verlag: Floodgate Games / Huch
für 2-6 Spieler*innen
ab 8 Jahren
Dauer: ca. 10 Minuten
Unter überzeugten Seltenspieler*innen gilt es als gesetzt, dass „die besten Spiele eigentlich doch die einfachen sind“. Es ist eine Aussage, die immer irgendwo zwischen eitler Komplexitätsverweigerung und intuitiver Designwertschätzung landet. Die Regeln von Kites stellen nun genau diesen Gedanken auf die Probe. Es ist ein einfaches Echtzeit-Spiel welches neben seiner farbenfrohen Illustration vor allem durch seine Sanduhren auffällt.
Titel wie auch Illustrationen verweisen hier auf Flugdrachen, die man mit ausreichend Wind und Lauffläche gerne in die Luft steigen lässt und möglichst lange dort halten will. Auch wenn das Wetter dabei nicht immer mitspielen möchte. Die Flugdauer der einzelnen Drachen lässt sich dabei recht bequem auf die dem Spiel beliegenden Sanduhren übertragen. Diese gilt es mit zunehmender Unruhe im richtigen Takt umzudrehen, um dafür zu sorgen, dass der Sand nirgends vollständig durchgelaufen ist, bis man alle Karten aus der Hand und dem Nachziehstapel gespielt hat.
Man könnte befürchten Kites sei eine hektische und chaotische Spielerfahrung. Aber es stellt sich schon bald heraus, dass es vor allem die kurzen Momente der Besonnenheit und ruhigen Kommunikation sind, die den Charme des Spiels ausmachen.
Die Regelerklärung zu Kites bleibt erfrischend kurz. Die kräftigen Farben der Sanduhren korrelieren mit den kräftigen Farben auf den Handkarten. Es ist beinahe intuitiv klar, welche Auswirkung es hat eine blaue Karte auszuspielen hat. Ähnlich schnell hat man auch verstanden welche Folgen das Ausspielen einer Karte mit zwei Farben hat.
Sehr viel mehr findet man in der Spielschachtel dann auch nicht. Es gibt noch eine Handvoll Zusatzkarten, welche das ansonsten stringente Ausspielen der Handkarten kurzfristig verkomplizieren kann. Aber wer zum erfahrenen und langjährigen Eisen der Spieleszene gehört, wird die taktischen und strategischen Kniffe des Spiels schon nach wenigen Partien durchschaut haben.
Glücklicherweise sind Seltenspieler*innen oder zumindest jene, die sich einer spielerischen Abgebrühtheit verwehren konnten, weniger auf Taktiken, Strategien und Optionen fixiert, sondern auf grundlegendere Aspekte des Spielens: den Gefühlen. Kites weckt genau diese. Aber im Gegensatz zu vielen anderen Echtzeitspielen und auch kooperativen Spielen, findet Kites hier eine eigene Nische.
Das beginnt mit der Kernherausforderung des Spiels. Statt den Ausgang des Spiels in ein plumpes Triumphieren oder Versagen zu unterteilen, bietet die Anleitung eine kleine Einschätzungskala. Wie auch das Drachen steigen selbst, geht es bei Kites nicht darum zu gewinnen, sondern möglichst lange dabei zu bleiben. Es geht darum den Fluss zu genießen und sich souverän den bildlichen Ball zuzuspielen. Um das zu tun, muss man das Timing der Sanduhren berücksichtigen. Manchmal lohnt es sich einen Moment zu warten bevor man die Sanduhr wieder auf den Kopf stellt. Währenddessen sollte man seinen Mitspieler*innen frühzeitig kommunizieren, welche Farbe man nicht auf der Hand hat. Denn so kann man schnell eine Möglichkeit finden einen anderen Zug besonders kurz zu halten, damit jemand anders die eine, sich gefährlich der Leere nährenden Sanduhr wieder umdrehen kann.
Das daraus entstehende Spieltempo hat einen gewissen Schwung und schafft genug Höhen und Tiefen, um bei Laune zu halten. Einzelne Momente der Hektik wechseln sich schnell mit Augenblicken des Ausatmens ab. Das eint uns am Tisch nicht nur emotional, sondern führt auch dazu, dass das Ausspielen der Karten und Umdrehen der Sanduhren sich wie eine gemeinsame Aufgabe anfühlt.
Die Schlichtheit von Kites wird für manche Spielgruppen ein zweischneidiges Schwert sein. Es ist kein Spiel zu dem man zurückkehrt, um jedes Mal etwas Neues und Anderes zu erleben. Kites spielt man auch nicht wiederholt, weil der eigene Ehrgeiz von der Herausforderung gepackt ist, endlich mal zu gewinnen. Kites ist ein Wohlfühlspiel, welches nicht zu schwer und nicht zu leicht ist. Es bringt unterschiedliche Erfahrungsniveaus an den Tisch und formt aus nur wenigen Regeln ein gemeinsames Spielerlebnis. Ob es damit eins der besten Spiele ist, sei mal dahingestellt. Es ist aber zumindest eines der Guten.
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