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Iki

Autor: Koota Yamada
Verlag: Sorry We Are French / Giant Roc
für 2 – 4 Spieler*innen
ab 14 Jahren
Dauer: 60-90 Minuten

Es dauert einige Partien bevor man sich Iki ganz erschlossen hat. Das liegt jedoch nicht unbedingt an den Regeln. Zwar sind sie von beachtlichem Umfang, und würden so manche unerfahrene Spielgruppe einschüchtern, aber mit etwas Aufmerksamkeit und Sorgfalt sind die Regeln nach der ersten Partie verinnerlicht. Selbst die anfängliche Flut an Symbolen, Pfeilen und Markierungen stellen sich bald als praktische Erinnerungshilfen heraus, deren Zweck darin besteht Regeln während des Spiels nicht zu übersehen. Nun ist ein Spiel aber mehr als seine Regeln. Das fällt bei Iki gerade in den Folgepartien auf.

Mechanisch findet man in Iki bekannte Versatzstücke wieder. Wir bestimmen jede Runde die Zugreihenfolge neu, bewegen unsere Hauptfigur über das Spielfeld, um Ressourcen zu sammeln, Ressourcen zu tauschen oder einen unserer Spielmarker umzusetzen. Dabei stehen unsere Figuren sich zwar nicht im Weg, aber es kann schon mal vorkommen, dass ein Plättchen weggenommen wird, bevor man es sich selbst holen kann. Am Ende werden angesammelte Siegpunkte verglichen, um einen Sieger oder eine Siegerin zu küren. Auf den ersten, flüchtigen Blick ist Iki so vertraut, wie gewöhnlich.

Geschäftiges Treiben ist Folge kluger Planung und großer Flexibilität

Sammelt man jedoch etwas mehr Erfahrung mit Iki, zeichnet sich ein Spielerlebnis ab, welches von einem grundlegenden Gegensatz lebt. Auf der einen Seite steht der streng strukturierte Rundenablauf. Auf der anderen Seite steht der Unsicherheitsfaktor durch die Entscheidungen der Mitspieler*innen. Derart heruntergebrochen wirkt diese Erkenntnis trivial. Natürlich sind Regeln nicht frei beweglich und austauschbar. Selbstverständlich liegt der Spielreiz in Spielen mit anderen Menschen darin, dass sie zu einem gewissen Grad unvorhersehbar sind. In Iki ist es jedoch die unauflösbare Spannung aus Unnachgiebigkeit und Unbeständigkeit, die mit jeder weiteren Partie reizvoller wird. Unsere Entscheidungen bringen kleine, feine Veränderungen innerhalb der festen Strukturen mit sich, die wir zu erkennen und zu schätzen lernen.

Andere Spiele versprechen mit zunehmender Erfahrung mehr Einflussnahme auf den Spielverlauf oder können ihn nicht vermeiden, da man einfach die gängigen Kartenkombinationen und Effekte irgendwann alle gesehen und abgespeichert hat. Sammelkartenspiele versuchen diesem Problem mit einem immer größer werdenden Kartensatz beizukommen. Weniger expansive Spiele setzen auf einen sehr hohen Zufallsfaktor, der sich meist sehr mühsam mit einem strategisch belohnenden Spielgefühl zusammenbringen lässt.

Iki hält diese Spannung durch einen schlichten, aber effektiven Designkniff aufrecht. Erst muss man sich festlegen wie weit man mit der eigenen Figur über das Spielfeld ziehen will. So erreicht man vorgedruckte Aktionsfelder, die man aktivieren will. Bevor man seine Bewegung jedoch ausführt, kann es passieren, dass Mitspieler*innen ihre Züge ausführen und die Aktionsauslage auf dem Spielplan verändern. Etwa weil neue Bonusaktionen auf das Spielbrett gelegt werden, oder weil fest eingeplante Bonusaktionen unerwartet das Spielbrett wieder verlassen.

Da diese Veränderungen vor allem von anderen Spieler*innen ausgelöst werden, fühlt sich die Kernaufgabe der Ressourcen-Umwandlung und Punktesammlung in Iki weder trocken noch repetitiv an. Je besser wir uns mit den Regeln und Abläufen des Spiels auskennen, umso facettenreicher und vielschichtiger empfinden wir unsere Entscheidungen. Schon bald zeichnet sich ab, dass es wichtig ist, das richtige Gleichgewicht zwischen proaktivem Handeln und flexiblem Reagieren zu finden. Wir wollen unsere Ziele unentwegt verfolgen, aber gleichzeitig auch alle plötzlich auftretenden Chancen mitnehmen, um besser und schneller voran zu kommen. Iki lebt von den stetigen Veränderungen auf dem Spielbrett, die sich in jeder Runde auftun können.

Immer wider bieten wir uns gegenseitig neue Anreize, die für beide Seiten von Nutzen sind. Eine von Spieler*innen platzierte Karte wertet eine Standardaktion auf dem Spielbrett immer auf. Wird diese Aufwertung mehrmals von anderen in Anspruch genommen, verlässt sie das Spielbrett und bietet nur noch dem/der Besitzer*in einen Vorteil. Iki bietet damit einen Aktionsrhythmus von Angebot und Nachfrage, der sich fast ausschließlich konstruktiv anfühlt.

Gut aufgestellt für das kommende Quartal

Um das Catan-Embargo-Problem zu umgehen („Niemals mit Ressourcen handeln, wenn die andere Person weit vorne liegt oder in ihrem Zug das Spiel gewinnen kann“), bedient sich Iki einer naheliegenden Lösung. Die Punktequellen, welche Spieler*innen nach 13 Runden zusammenrechnen, sind derart weit gefächert, dass es nahezu unmöglich ist anderen gezielt Punkte zu verweigern. Die vielen Optionen in Iki erlauben es immer eine Alternative zu finden, um im Punkterennen zu bleiben. Selbst wenn die angebotenen Aktionsaufwertungen von den Mitspieler*innen nicht in Anspruch genommen werden.

Damit gelingt Iki das kleine Kunststück die Dynamik eines Verhandlungsspiels in das spielerische Miteinander einzubetten ohne auf Feilschen oder Übervorteilen zurückgreifen zu müssen. Wir kaufen Karten ein und bieten diese auf dem Spielbrett an, in der Hoffnung, dass andere sie nutzen und uns so Vorteile verschaffen.

Unsere Interaktion bietet einen Mehrwert für beide Seiten. Die Vorteile sind direkt auf der Karte ersichtlich. Ihre längerfristige Wirkungen sind zusätzlich weit genug auf den restlichen Spielverlauf gestreut, dass man nicht in Versuchung gerät auszurechnen, ob man nicht doch den schlechteren Deal gemacht hat. Stattdessen verflechten wir so zunehmend unsere Entscheidungen mit denen unserer Mitspieler*innen. Am Ende fühlt sich ein Sieg zu gleichen Teilen selbst verdient an, aber auch durch die Entscheidungen der Mitspieler*innen erst ermöglicht.

Nachdem gehobene Strategiespiele mit der Zeit immer stärker auf ein Erlebnis setzten, in dem man sich als Einzelkämpfer*in jeden kleinen Vorteil selbst erspähen und an sich reißen musste, ist Iki wieder ein Gesellschaftsspiel, das diesen Namen voll und ganz verdient hat. Obwohl man sich schon bald hochkonzentriert in der Planung und Abwägung der nächsten Schritte wiederfindet, steht die Gemeinschaft im Mittelpunkt. Selbst beim Versuch uns beim Sammeln der Siegpunkte zu überbieten, sind wir auf einander angewiesen und erreichen durch das Spiel miteinander weit mehr als wir es alleine tun.

Georgios Panagiotidis
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