Autoren: Romaric Galonnier, Anthony Perone
Illustratorin: Noëmie Chevalier
Verlag: Catch Up Games / Huch
für 2-5 Spieler*innen
ab 8 Jahren
Dauer: 20 Minuten
Eine Zeit lang galt es als großes Lob, wenn man davon sprach, dass die Regeln des Spiels in den Hintergrund traten. Man sprach einem solchen Spiel einen hohen Grad an thematischer Tiefe aus, wenn man nicht mehr bewusst Regeln anwendet, sondern einfach nur handelt. Diese sympathische Mischung aus abbildenden Regeln, zugänglicher Sprache und einer klar umrissenen Identität im Spiel fügte die thematische Metapher des Spiels derart zusammen, dass man sich am Tisch fühlte als wäre man im Spiel und nicht, nun ja, am Tisch.
Hof-Verrat ist ein Kartenspiel, welches zwar an einem Tisch gespielt wird und auch davon handelt um einen Tisch zu sitzen, aber dessen Regeln dennoch stets präsent bleiben. Das ist aber kein Problem, denn zum einen sind es der Regeln sehr wenige und eingängig sind sie noch dazu. Zum anderen ist das Spiel auch ohne thematische Fantasieumgebung unterhaltsam und kurzweilig.

Dennoch sollte man Hof-Verrat nicht auf seine Regeln reduzieren. Gerade weil es so wenige sind, hat man ihre Zusammenhänge schnell erfasst. Für erfahrene Spielgruppen startet das Spiel darum direkt nach der Regelerklärung, während selbst Spielunwissende spätestens am Ende der ersten, kurzen Partie wissen wie der Hase (oder der Rufmord) läuft. Stattdessen erfüllen die Regeln hier einen Zweck den Spielregeln in modernen Designs nur noch selten erfüllen: sie bieten eine klare Struktur und bieten Spieler*innen eine Bühne. Es ist nicht das tiefe Verständnis der Regeln, ihrer Möglichkeiten und Unabwägbarkeiten, an dem wir unser spielerisches Können unter Beweis stellen. Es ist die Summe unserer Entscheidungen selbst, an der wir Erfolg und Niederlage unterscheiden.
In Hof-Verrat werden wir zu Strategen, Zockern, Intriganten oder schlicht Glücksrittern. Manche versuchen durch wohl überlegtes Verteilen der Handkarten ihren Zielen Schritt für Schritt näher zu kommen. Andere spielen nach Bauchgefühl und legen es darauf an am Ende die richtigen Karten zu ziehen, um sich den Sieg zu sichern. Manche versuchen auf ihre Mitspieler*innen einzureden und sie davon zu überzeugen welche Karte an welche Position gehen sollte. Aber man kann Hof-Verrat auch mit unschuldiger Ahnungslosigkeit spielen und damit allen einen Strich durch die Rechnung machen.

Je unterschiedlicher die Rollen sind, die wir am Spieltisch annehmen, umso emotionaler und explosiver ist das Spielerlebnis. Es wird über die frisch gezogenen Karten geflucht. Man ist entsetzt darüber welche Karte einem zugespielt wurde. Empörung macht sich breit, wenn sicher geglaubte Punkte plötzlich nivelliert werden. Hof-Verrat ist ein Spiel welches Emotionen weckt, und dafür holt man es auf den Tisch. Es ist ein Spiel welches Nervenkitzel bietet, aber auch Momente schreiender Ungerechtigkeit, über die man – je nach Persönlichkeit und Charisma – zur Unterhaltung aller Anwesenden Gift und Galle spucken kann.
Neben dem schrillen Theater der Emotionen, welches man am Tisch darbieten kann, hat Hof-Verrat aber auch Platz für subtilere Momente. So schiebt man im eigenen Zug immer eine Karte einem Kontrahenten zu. Anfangs ist diese Aktion ein reflex-artiges Ärgern und Piesacken: „Hier, nimm diesen Minuspunkt!“ Mit der Zeit zeichnen sich so aber auch Möglichkeiten ab, wie man unausgesprochene Bündnisse eingeht. Denn wenn zwei Spieler*innen viele rote Karten haben, dann haben zumindest diese beiden Spieler*innen ein Interesse daran, dass die Familie der (roten) Nachtigall – in Hof-Verrat entspricht eine Farbe einer adeligen Familie – Pluspunkte einholt.
Dieses Zusammenspiel aus lauten und leisen Momenten gibt Hof-Verrat gerade genug Würze, um mehr zu sein als ein repetitives Ärgerspiel. Man tänzelt von einer kleinen Entscheidung zur nächsten, denn drei Entscheidung auf drei Karten zu verteilen ist schnell gemacht. Aber es sind die Konsequenzen, die für Freude sorgen. Sowohl die im Affekt ausgerufenen Verwünschungen und Drohungen bis hin zum selbstsicheren Schmunzeln, wenn jemand anderes einem genau in die Hände gespielt hat. Dieses kleine, feine Kaleidoskop der Gefühle kann Hof-Verrat in flotten 20 Minuten bedienen. Das ist nicht nur überraschend, sondern pfiffig und macht Lust auf eine weitere Partie. Auch das ist eine Form des Lobs, selbst wenn beim Spielen die Regeln immer präsent bleiben.
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