Verlag: Days of Wonder
Autoren: Asger Harding Granerud, Daniel Skjold Pedersen
für 1 bis 6 Spieler*innen
ab 10 Jahren
Dauer: 30 – 60 Minuten
Autorennen zeichnen sich vor allem durch zwei Eigenschaften aus: Geschwindigkeit und Spannung. Das ist eine sehr potente Mischung, die dazu einlädt in ein Spiel übertragen zu werden. Die erwähnten Eigenschaften haben im Brettspiel auch ihre Äquivalente: Eleganz und Nervenkitzel. Ein gelungenes Autorennspiel glänzt vor allem mit einem eleganten, sprich: einfach abzuhandelnden, Spielablauf und verlässlich eintretenden Spannungsspitzen. Kein Wunder also, dass Formula D seit Jahren die Referenz für dieses Brettspielthema ist. Würfel werfen und seine Figur ziehen, ist nicht nur ein sofort verstandener Spielmechanismus. Jeder Wurf liefert auch die kurzen Momente des Nervenkitzels, die man sich bei einem Autorennen vorstellt.
Auf den ersten Blick scheint Heat genau diesen Fixpunkt des Spielefirmaments herausfordern, aber dieser Eindruck trügt. Heat ist zwar auch ein Autorennen-Brettspiel, aber setzt die Schwerpunkte an andere Stellen und ist – was vielleicht noch viel entscheidender ist – auf eine andere Form der spielerischen Beschäftigung ausgelegt.
Der grobe Ablauf ist aber angemessen elegant gehalten. Unsere Autofiguren bewegen wir mit Hilfe von aus der Hand gespielten Karten auf der Strecke entlang. Je nachdem welchen „Gang“ wir dabei geschaltet haben, verpflichten wir uns mal mehr oder weniger Karten zu spielen. Es hängt ganz davon ab, ob wir uns in dieser Runde besonders weit oder aufgrund der Einschränkungen der Strecke nicht ganz so weit bewegen wollen. Dieses Grundkonzept ist praktisch genauso eingängig wie die Würfelei bei Formula D.
Aber bereits in der vermeintlich einfach gehaltenen Basisversion von Heat treten hier die ersten Kleinteiligkeiten auf. So gibt es Karten („Stress“), die uns zwingen eine zufällige Karte vom Stapel zu ziehen und auf unsere „Geschwindigkeit“ (zurückgelegte Entfernung) zu addieren. Der Nervenkitzel eines Würfelwurfs ist so an die eigene Entscheidung gekoppelt. Außerdem gibt es Karten („Hitze“), die nichts tun außer unsere Kartenhand effektiv zu verkleinern. Diese können wir erst entfernen, wenn wir uns nur langsam (d.h. in einem niedrigen Gang) fortbewegen. Die gleichen Karten wiederum landen als eine Art Strafe in unserem Ablagestapel, wenn wir zu schnell um eine Kurve rasen. In einem Rennspiel wie Heat kommt so etwas häufiger mal vor, denn schließlich gilt „Bist du nicht Erster, bist du der letzte.“ (- Ricky Bobby).
Zusätzlich dazu gibt es noch feste Bewegungsschübe („Windschatten“), je nachdem ob man den eigenen Zug direkt neben oder hinter einem anderen Wagen beendet. Gerade wenn ein Spielzug abgehandelt werden muss, kommen hier die ersten Fragen auf. Legt man „Hitze“-Karten erst ab, bevor man sie als Strafkarten erhält? Zählt der Windschatten zum Bewegungswert? Wann muss ich entscheiden, ob ich einen Stresseffekt nutze, um eine Karte blind zu ziehen und auf die Bewegung zu addieren?

Auf dem eigenen Spieltableau wurden viele dieser Informationen vermerkt und thematisch als Armaturenbrett eingekleidet. Aber in der Spielpraxis wirkt diese Ansicht erst einschüchternd und dann verwirrend. Schon nach kurzer Zeit entsteht der Eindruck, dass Heat nur auf den ersten Blick elegant und einfach ist. Sobald man drin sitzt, tauchen viele hakelige Details auf, die etwas Fingerspitzengefühl und Erfahrung benötigen, um ein flüssiges Spielerlebnis zu erlauben.
Das macht Heat zu einem Brettspiel-Pendant der Oldies, welche hier auf dem Cover zu sehen sind. Auf den ersten Blick ist ihre schnittige Präsentation sehr ansprechend. Sobald man genauer hinschaut, merkt man wo es überall rattert, knarrt und pfeift. Hat man sich aber erst mal in diese Eigentümlichkeiten eingearbeitet, entwickelt das Ganze wieder seinen eigenen Charme. Wenn man mit etwas Übung gelernt hat, wie man die Hitzekarten im richtigen Moment ablegt, um danach mit viel zu hoher Geschwindigkeit aus einer Kurve zu schießen und so die Konkurrenz hinter sich zu lassen, dann ist das ein sehr kraftvolles Erfolgserlebnis. Statt immer wieder dem Würfelzufall ausgeliefert zu sein, gibt Heat einem mehr Kontrolle über den Verlauf des Rennens. Taktische Einzelentscheidungen ordnen sich mit der Zeit strategischen Abwägungen unter, welche den gesamten Streckenverlauf betrachten, statt allein die nächste Kurve. In diesen Moment erinnert Heat am ehesten noch an den geistigen Vorläufer Flamme Rouge, dessen Regeln jedoch deutlich einsteigerfreundlicher sind.
Dabei liegt die eigentliche Hürde in Heat nicht in den Regeln, die sich erst beim zweiten Blick als bockig erweisen. Sie liegt auch nicht in dem sehr eigentümlichen Regelheft, in dem Begriffe erst benutzt und irgendwann später erklärt werden. Heats größte Hürde ist die Annahme, wie häufig das Spiel auf den Tisch kommt. Die Chimäre des „hohen Wiederspielwerts“ drängt das Design in eine Richtung, welche das wiederholte Spielen von Heat voraussetzt und vermeintlich auch dadurch herbeiführen will.

Denn Heat entfaltet seine Stärken und Besonderheiten erst dann, wenn man die Strecke kennt, und auch das strategische Gespür entwickelt hat, um im richtigen Moment den Gang zu wechseln. So kann man die eigenen Hitzekarten ablegen und sie an anderer Stelle nutzen, um eine Geschwindigkeitseinschränkung zu ignorieren. Dieser Regelkern ist clever und anschaulich. Die Hitzekarten in einem regelmäßigen Fluss zwischen der Hand, dem Tableau („im Motor“) und dem Ablagestapel zu halten, gehört zum eigentlichen Spielhandwerk welches man lernen und meistern muss. Um hier ein ausreichend hohes strategisches Spielniveau zu erreichen, werden die meisten Spielgruppen einige Partien benötigen. Aber das scheint den Machern noch nicht als Grund ausreichen, um Heat wiederholt zu spielen. Also gibt es einige Regelvariationen, die man hinzunehmen kann.
So lässt sich die Anzahl der konkurrierenden Rennwagen mit Hilfe der „Legenden“-Variante auf sechs aufstocken. Diese werden nach einem umständlich erklärten, aber einfach ausgeführten Mechanismus über die Strecke bewegt. Statt eines einfachen Duells gegen die Mitstreiter, gewinnt jede Partie so die Dynamik eines großen Autorennens. Die „Streckenbedingungen“-Regeln variieren einzelne Streckenabschnitte etwas, so dass auch vertraute Strecken neue Facetten zu entwickeln scheinen, je nachdem „wie das Wetter“ gerade ist. Und dann gibt es noch die Option mit den Werkstatt-Regeln zu spielen. Hier wählt man einzelne Sonderkarten in den eigenen Kartenstapel. So individualisiert man seinen Kartenstapel und im thematischen Sinne seinen Wagen, um sich durch den klugen Einsatz einer solchen Karte die Haaresbreite an Vorsprung zu sichern, um den ersten Platz zu holen. Selbst der Unterschied zwischen den Platzierungen kann spielmechanisch relevant gemacht werden, wenn man die letzte Variante auspackt: den Meisterschaftsmodus. Hier geht es darum mehrere Strecken zu spielen – natürlich nicht an einem Abend – um in der Endabrechnung den Meisterschaftssieg für sich zu beanspruchen. Eine Heat-Meisterschaft ist, wenn nicht zumindest tagesfüllend, auf jeden Fall eine Angelegenheit, die mehrere Spielabende vereinnahmen wird. Dass die Meisterschafts-Regel nicht gänzlich optional gedacht ist, suggeriert der Vordruck auf den Spielbrettern. Hier wurde Raum gelassen, um die ins Ziel gekommenen Wagen auf einem Siegertreppchen zu platzieren und die errungenen Punkte für die Endabrechnung auszuweisen.
Wenn man nun kurz im Kopf überschlägt, wie viele Partien es wohl dauern würde, um sich die einzelnen Varianten in einem angemessenen Tempo (hah!) zu erschließen und diese auch in die regelmäßige Runde einzubinden, erscheint Heat schnell wie ein sehr vereinnahmendes Spiel. Das ist keine Stärke.

Das Problem ist nicht, dass man hier „zu viel Spiel für sein Geld“ bekommt, sondern dass Heat zu spielen eigentlich ein eigenes Hobby sein könnte. Es steht die unausgesprochene Annahme im Raum, dass wenn man sich Heat erstmal geholt hat, vorerst nichts anderes mehr gespielt wird. Das macht Heat nicht zu einem schlechten Spiel. Es sagt genau genommen nichts darüber aus, wie gut oder schlecht das Spiel ist. Aber es rückt zumindest das Produkt, welches man sich kauft, in ein anderes Licht. Denn ich bin schon etwas unzufrieden damit, dass Heat so viel Zeit und Spieltreffen einfordert, um wirklich voll ausgeschöpft zu werden. Ich weiß nicht, ob ich die Ausdauer und die Mitspieler*innen habe, um Heat wirklich immer und immer wieder auf den Tisch zu bringen.
Nun kann man sich natürlich immer damit begnügen, nur die einfache Basisversion zu spielen und die Varianten erst zu nutzen, wenn die Gelegenheit auch da ist. Das wäre ein wenig so als würde man sich einen hochmodernen neuen Wagen kaufen, um damit ein Mal die Woche 800m bis zur Post zu fahren. Heat ist nicht per se ein Zeitfresser, aber es scheint mit der Annahme entworfen worden zu sein zum Zeitfresser gemacht zu werden. Wenn aber Möglichkeiten und Ansporn fehlen, um sich längerfristig mit Heat zu beschäftigen, bleibt es eben nur ein leicht ungelenkes und einen Tick zu kompliziertes Autorennspiel.
In Heat steckt ein durchaus unterhaltsames und auch gut funktionierendes Spiel, welches eher gekonnt umgesetzte Strategien belohnt statt auf kleine Glücksmomente zu setzen. Die Strecken bieten Nuancen, die man entdecken kann. Das Kartenspiel will erlernt und gemeistert sein und auch das Einbinden der unterschiedlichen Regelmodule eröffnet interessante Facetten. Aber das dafür nötige Maß an praktischer Spielerfahrung und -übung muss man für Heat auch erst ein mal aufbringen. Heat besitzt viele spannende Phasen, aber man muss sich schon recht lange warm fahren bevor man voll aufs Gaspedal treten kann. Bis dahin kann es schon mal passieren, dass einen Radfahrer von links überholen.
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